"DV-Leute sind mehr ihrem Fach loyal als ihrer Firma."

Mit Henry F. Sherwood, ehemaliger Vizepräsident von Diebold Europa, sprach für COMPUTERWOCHE Volker Assmus*

03.08.1979

* Herr Sherwood, Sie haben sich in der letzten Zeit in der Fachwelt mehrfach mit Beiträgen zum Thema Datensicherheit und Datenschutz zu Wort gemeldet. Sehen Sie auf diesem Gebiet die wesentlichen Aufgaben Ihres Beratungsunternehmens?

Wesentliche Aufgaben ja, aber Datensicherheit und Datenschutz dürfen nicht als Einzelaufgabe gesehen werden. Beide Themen verdienen heute höchste Aufmerksamkeit, aber ein Beratungsunternehmen muß doch eher das Informationssystem einer Unternehmung in seiner Gesamtheit betrachten Zweck eines Informationssystems ist es, Daten für alle möglichen Zwecke als Service-Leistung bereitzustellen; Datensicherheit

und Datenschutz ist dabei für den Anwender nur eine - wenn auch ungemein wichtige - Nebenbedingung. Hauptaufgabe unseres Unternehmens ist daher zum einen die Begutachtung von Informationssystemen als Einheit - insbesondere auch bezüglich Leistung und Effektivität -, zum anderen ein InformationsTechnologie-Service, der aufzeigt, was konkret in der Praxis erreichbar ist.

* Ist das, was erreichbar ist, nicht primär eine Frage des Aufwands?

Nein, ganz und gar nicht! Nach meiner Erfahrung - und ich bin seit 1969 in diesem Gebiet tätig - ist das in erster Linie eine Frage des DV-Managements. Dabei erweist sich in der Praxis als das größte Problem immer wieder die Kommunikationslücke. Es gibt offensichtlich Sprachschwierigkeiten zwischen der .DV-Leitung und den Anwendern, aber auch zwischen Herstellern und DV-Fachleuten. Die schwierigste und auch kostspieligste Kommnunikationslücke besteht - wie gesagt - zwischen den DV-Fachleuten und den Anwendern.

* Worauf führen Sie dies zurück?

DV-Leute sind mehr ihrem Fach loyal als ihrer Firma. Es gibt natürlich Ausnahmen; aber das bedeutet doch allgemein, daß sie weniger an ihrem Unternehmen interessiert sind als an der DV-Technologie. Umgekehrt ist das Management kaum interessiert in Sachen EDV und bemüht sich zuwenig, die Fachkenntnisse zu erlernen, die zum Führen, Kontrollieren und effektivem Einsetzen dieses Instruments notwendig sind.

* Sie sprachen vorhin von Kosteneffektivität. Hardwarekosten sinken schnell, trotzdem steigen die DV-Budgets permanent. Ist das auch Führungsproblem?

Ja, Hardwarekosten sinken, andererseits steigen Personalkosten um sechs bis zehn Prozent jährlich, und die Hardwarekosten bilden daher einen immer kleineren Kostenanteil. Trotzdem sollte der durchschnittliche DV-Etat eigentlich konstant bleiben respektive trotz höherer DV-Leistung sogar sinken.

* Wie wollen Sie dies erreichen?

Die DV-Abteilung ist nicht genügend motiviert, kosteneffektiv zu denken. Dies ist das Hauptproblem; häufig wird die Effektivität nicht einmal kontrolliert. Bedenken Sie, daß der DV-Leiter mehr Gehalt bekommt, wenn er eine große Anlage führt, als wenn er ein kleineres System leitet; das motiviert dazu, in die falsche Richtung zu arbeiten. Es ist fast wie bei Parkinsons Verwaltung.

* Sie sehen also die mangelnde Effektivität als Führungsproblem. Fehlen die notwendigen Orientierungspunkte?

Das ist richtig; Orientierungspunkte fehlen weitgehend. Nur wenige Installationen in der Bundesrepublik Deutschland führen konkrete Leistungsmessungen etwa in Transaktionen durch. Ein Bezug zwischen Leistung und Kosten wird nicht hergestellt. Ersatzweise wird der DV-Etat nicht leistungsbezogen, sondern quasi automatisch um fünf oder zehn Prozent jährlich erhöht. Dies verleitet nicht zur Sparsamkeit.

* Gibt es Hilfestellungen als konkrete Anhaltspunkte für das Management?

Sicher gibt es die; es sind aber nicht etwa jene Patentregeln, die besagen, daß man nur ein Prozent vorn Umsatz für DV-Service ausgeben darf. Diese Zahlen allein sagen nichts aus über die Effektivität. Die Wirksamkeit eines Systems muß von der Anwenderseite betrachtet werden. Wenn zum Beispiel die Monatskennzahlen für das Rechnungswesen nicht spätestens drei Werktage nach Monatsende vorliegen, stimmt etwas mit der DV-Leitung nicht, egal welcher Aufwand hierfür betrieben wird. Erst wenn die EDV einen guten Service liefert, können Kennzahlen wie ein Prozent herangezogen werden, um die Stellung der eigenen EDV bezüglich Effektivität zu bestimmen.

* Ist die Beurteilung des erzielten Servicegrades nicht eine schwierige Aufgabe?

Das Beste ist hier für den DV-Leiter, auch einmal außer Haus zu gehen. Zusammenkünfte wie Guide und Share, die ja herstellerorientiert sind, oder Branchentreffen wie zum Beispiel bei Versicherungen genügen aber nicht. Der DV-Leiter sollte vielmehr den freien ungebundenen Erfahrungsaustausch mit Kollegen suchen.

* Leider gibt es aber keinen Michelin-Führer für vorbildliche DV-Lösungen!

Nun, es gibt zum Beispiel einen Club namens ITS, an dem etwa 40 Unternehmen aus verschiedenen Ländern in Europa beteiligt sind. Man unterhält sich über die besprochenen Probleme; ein Experte kann dabei in das Gespräch einbezogen werden,

* Aber die Probleme der Teilnehmer sind doch sehr verschieden!

Gerade deshalb hat ein Club dieser Art seine Daseinsberechtigung. Wir müssen von unseren Kollegen viel mehr lernen als bisher. Sehr viel mehr ist übertragbar, als man gemeinhin glaubt. Ich sage immer, daß 80 Prozent aller Erfahrung, egal welche Industrie, übertragbar ist und nur 20 Prozent in eigenem Bemühen gewonnen werden muß.

*Volker Assmus ist freier DV-Berater und Inhaber eines Lehrauftrages für Datenverarbeitung an der Universität Frankfurt

Informationen: H. F. Sherwood & Associates, Louisenstraße 67, D-6380 Bad Homburg,Telefon 0 61 72/2 30 47