Anwender-Bericht, Herta in Herten

Mit Handschrift werden jährlich 720 000 Mark gespart

12.12.1975

Wir sind ein Unternehmen der Fleischwarenindustrie mit einer umfangreichen Frischdienstorganisation und Niederlassungen in 14 Orten der Bundesrepublik. Das Schwergewicht in der Datenerfassung lag über einen langen Zeitraum in der Bewältigung von täglich zwischen 3000 - 5000 Lieferscheinen. Da am 2. Tag nach der Auslieferung die Fakturierung abgewickelt sein muß, traten hierbei wegen des schwankenden Beleganfalls zwangsläufig Engpässe auf. Durch Hinzunahme neuer Arbeitsgebiete stiegen Belegvolumen und Zahl der erforderlichen Erfassungsplätze permanent. Die besondere Problematik in der Datenerfassung. Etwa 95 % der täglich erfaßten Daten mußten am gleichen Tage verarbeitet werden und verteilten sich auf durchschnittlich 20 verschiedene Jobs mit den unterschiedlichsten Tagesterminen. Das führte zu Unruhe und Hektik und damit zu erhöhtem Fehlerrisiko in der Datenerfassung auf IBM-Geräten 024/029 - 056/059.

Start: Nichts als Ablehnungsgründe

Bemühungen um Rationalisierung der Datenerfassung blieben längere Zeit erfolglos:

- Datenerfassung auf Magnetband auch Magnetbandkassette hätte umfangreiche Software-Änderungen zur Folge gehabt (Umstellung von Lochkarten- auf Band-/ Platteneingabe). Die Einsparungen durch schnellere und komfortablere Datenerfassung hätten mit kompliziertem Handling bei der Dateneingabe und aufwendigen Software-Änderungen bezahlt werden müssen. Einsparungen bei den Kosten für die Erfassungsplätze selbst waren kaum zu erzielen, da ja die zusätzlich erforderliche Hardware (z. B. eine Magnetbandeinheit) ebenfalls berücksichtigt werden mußte.

- Datensammelsysteme brachten zwar eine spürbare Ermäßigung der Kosten je Erfassungsplatz und alle Vorteile der sogenannten intelligenten Datenerfassung erschienen uns jedoch nicht als Ideallösung wegen der besonderen Schwierigkeiten bei den vielen tagesterminierten Arbeiten mit unterschiedlichsten Datenvolumen. Auch hierbei wäre der erforderliche Softvare-Aufwand nicht unerheblich gewesen.

- Markierungsbelege hätten zwar bei einer Reihe von Anwendungen den Erfassungsaufwand vermindern können die erzielbaren Einsparungen standen jedoch in keiner vertretbaren Relation zu den erforderlichen Hardware-Kosten, und die möglichen Anwendungen deckten letztlich nur einen kleinen Umfang des Gesamtbeleganfalles ab.

- Ein Versuch mit dem OMR-Zusatz für den IBM 2501 brachte ebenfalls keine befriedigenden Ergebnisse zumal auch hier die Palette der Einsatzmöglichkeiten recht klein war.

- Belegleser mit dem Zusatz "Handschrift" lagen seinerzeit bei ca. 20000 DM monatlicher Miete und schieden auch wegen der bekannt hohen Substitutionsrate bei numerischer Handschrift bei unseren Überlegungen aus.

1972 wurde das Preis-/Leistungs-Verhältnis interessant

Immer mehr kristallisierte sich bei unseren Überlegungen heraus, daß nur die maschinelle Verarbeitung der Urbelege eine wirkungsvolle Lösung bringen würde. Als die IBM Mitte 1972 den Belegleser 1287 Modell 5 (numerische Handschriftlesung in der Grundausrüstung) vorstellte, der mit der wesentlich verbesserten Zeichenerkennung auch unsere Bedenken hinsichtlich der Erfassungsgenauigkeit ausräumte, waren auch im Hinblick auf das Preis-/Leistungs-Verhältnis (Monatsmiete DM 12 780,- ) die Weichen für die optische Beleglesung gestellt. Eine exakte Analyse ergab, daß allein die maschinelle Erfassung der täglich anfallenden Lieferscheine die Hardware-Kosten mit den Kosten für die einzusparenden Erfassungsplätze kompensiert. Jede zusätzliche Umstellung von Anwendungen von der herkömmlichen Datenerfassung auf den Belegleser würde die Wirtschaftlichkeitsrechnung zugunsten des Beleglesers noch weiter verbessern.

Für die erste Umstellungsphase wurden die Lieferscheine und die ebenfalls täglich anfallenden Belege der Finanzbuchhaltung vorgesehen. Starttermin für den Beleglesereinsatz war der 2. Januar 1974.

Alle Erwartungen übertroffen

Um es vorwegzunehmen: Unsere Erwartungen hinsichtlich der Sicherheit der Handschriftlesung und der erzielbaren Kosteneinsparung wurden weit übertroffen. Obwohl das Belegvolumen durch Hinzunahme neuer Arbeitsgebiete erheblich zunahm, konnte die Zahl der herkömmlichen Erfassungsplätze (Mitte 1974 ausnahmslos auf Disketten IBM 3742 umgestellt) inzwischen auf 12 reduziert werden. Ein Abbau auf 10 Plätze zeichnet sich schon heute ab, da eine weitere Anwendung kurz vor der Umstellung steht. Zur Zeit werden monatlich etwa 160 000 Belege verarbeitet und eine Kosteneinsparung von monatlich DM 30 000, - erzielt. Ab Januar 1976 werden es 200 000 Belege und DM 35 000, - sein. Rechnet man hinzu, daß inzwischen noch neue Arbeiten zusätzlich übernommen wurden, die weitere 12 Erfassungsplätze erfordert hätten, so beläuft sich die Einsparung sogar auf 60 000 Mark/Monat.

Nicht einmal Fett stört

Auch die Einführung der Klarschriftbelege ging wider Erwarten schnell und reibungslos vonstatten, so daß die von uns vorgegebenen Umstellungstermine bisher ausnahmslos erheblich unterschritten wurden. Nach den Erfolgen bei der Umstellung der Lieferscheine und Buchhaltungsbelege scheuten wir auch nicht davor zurück, den Klarschriftbeleg für die Materialabrechnung in der Produktion einzusetzen. Unsere anfänglichen Sorgen (Feuchträume, Verschmutzung der Belege durch Fett, Einsatz ausländischer Mitarbeiter für das Ausfüllen der Belege) erwiesen sich als unbegründet. Bei allen Anwendungen mit handgeschriebenen Belegen liegt der Prozentsatz der erforderlichen One-line-Korrekturen im Durchschnitt um 0,25 %, bei Belegen aus Buchhaltung und Personalbereich nicht über 0,1 % der gelesenen Zeichen.

Inzwischen werden sowohl Lieferscheine als auch Buchhaltungsbelege unserer ausländischen Tochtergesellschaften in Belgien, Frankreich und Österreich mit dem gleichen Erfolg bei uns maschinell gelesen.

Bestellungs-Annahme bis 20 Uhr

Einige heute nicht mehr wegzudenkenden Anwendungen wurden durch den Einsatz des Beleglesers ohne zusätzliche Erfassungskosten überhaupt erst realisierbar, wie beispielsweise die Bearbeitung der täglich bis 20.00 Uhr telefonisch eingehenden Bestellungen, die, maschinell in Kommissioniervorgaben und Lieferscheine umgesetzt, noch in der gleichen Nacht ausgeführt und verladen werden. Kurzfristig terminierte Absatzplanungen, die schon vom Datenvolumen her stets Erfassungsengpässe hervorriefen, sind heute in kürzester Zeit ausgewertet, wie überhaupt bei allen Anwendungen bei denen die Datenerfassung über den Belegleser erfolgt, eine wesentliche Terminverkürzung zu verzeichnen ist.

Das Erfolgsrezept der Fleischwarenfabrik

Hier das Rezept der zweifellos erfolgreichen Einführung der maschinellen Handschriftlesung:

1. Bereits ein Jahr vor dem Start wurden die Mitarbeiter des Vertriebs schriftlich über die bevorstehende Einführung computerlesbarer Lieferscheine informiert. In diesem Schreiben wurden auch die Gründe- für die Umstellung genannt und gleichzeitig die ersten Informationen über das computergerechte Schreiben vermittelt.

2. Fast gleichzeitig wurde ein von allen Vertriebsmitarbeitern täglich in mehreren Exemplaren zu erstellender Beleg so umgestaltet, daß er von einem maschinell zu verarbeitenden Beleg nur durch die Papierqualität zu unterscheiden war. Hierdurch wurden die Mitarbeiter schon recht früh mit den Besonderheiten eines OCR-Beleges vertraut gemacht, ohne daß eine maschinelle Verarbeitung dieser Belege erfolgte.

3. Mit der Entwicklung der Belege begannen wir bereits 14 Monate vor dem Installationstermin. Jeder Belegentwurf wurde kritisch nach möglichen Verbesserungen untersucht und wieder und wieder überarbeitet. Für den Lieferschein kam erst der 11. überarbeitete Entwurf letztlich zum Einsatz, der dafür auch heute noch allen Anforderungen ohne zwischenzeitliche Änderung gerecht wird.

4. Vier Wochen vor dem Starttermin wurde wiederum in einem Rundschreiben auf die nun in Kürze zu erwartende Umstellung hingewiesen und gleichzeitig umfassenderes Informationsmaterial und

ein von uns entwickelter Übungsfächer "Zahlen und Zeichen richtig geschrieben und richtig gelesen (ein Übungsfächer für alle, die längst schreiben können)" zur Verfügung gestellt.

5. Am Tage vor der Umstellung einer Verkaufsniederlassung wurden die Mitarbeiter in etwa zweistündiger Schulung mit der Handhabung der neuen Belege vertraut gemacht und dabei besonders auf die sich für den Mitarbeiter ergebenden Vorteile des neuen Beleges nachdrücklich hingewiesen. Auftretende Unklarheiten konnten an Ort und Stelle ausgeräumt werden. Die vorbereiteten Belegmappen nahmen die Mitarbeiter am Folgetag mit auf die Tour. Alle noch vorhandenen herkömmlichen. Lieferscheine wurden ausnahmslos sofort eingezogen.

6. Vom ersten Tag an wurden die Mitarbeiter über eine maschinelle Fehlerstatistik täglich auf noch vorhandene Schwächen beim Schreiben einzelner Zeichen hingewiesen.

7. Diese Fehlerstatistik wird auch heute noch sporadisch für einzelne Verkauftregionen erstellt, um ein aufkommender Nachlassen der erforderlichen Sorgfalt sofort zu erkennen und entsprechende Hinweise geben zu können.

* Walter Pröbe ist Bereichsleiter EDV bei der Fleischwarenfabrik Herta KG Karl Schweisfurth in Herten/Westfalen.