Anforderungen an den EDV-Chef von morgen

Mit Fritz Voigt, EDV-/Org-Chef bei der Lekkerland GmbH + Co. KG, Köln, sprach CW-Chefredakteur Dr. Gerhard Maurer

13.08.1976

Sie sind mit 40 Jahren als EDV-/Org.-Chef bereits seit zwei Jahren Mitglied der Geschäftsleitung eines nahezu Milliarden-Unternehmens. Des weiteren gehen Sie ungewöhnliche Wege, zum Beispiel jetzt bei der Installation von 27 dezentralen Satellitenrechnern vom Typ Sintra, die bei Ihnen für kommerzielle Anwendungen erstmals in der Bundesrepublik eingesetzt werden. Beides ist ungewöhnlich. Sind Sie anders als der übliche EDV-/Org.-Chef?

Vorwegschicken möchte ich, daß es bestimmt zahlreiche EDV-Leiter gibt, die die gleiche Denkweise haben. Aber für die Mehrzahl der Kollegen gilt wohl, daß sie eine andere Grundeinstellung zur EDV und zum Verhältnis EDV-Leitung zur Geschäftsleitung haben.

* Betrachten Sie sich mehr als Techniker oder als Manager?

Mehr als Manager - und zwar als Vermittler der Dienstleistung EDV zur Fachabteilung.

* In der Pionierzeit genügte es, wenn der EDV-Chef seine technischen Probleme lösen konnte - ein bißchen Personalführung und Budgetverwaltung kam hinzu. Das soll es auch heute noch vielfach geben. Das Ergebnis heißt Subsystem-Optimierung. Wie kann es dagegen einen Ausweg geben?

Ich glaube, daß in den meisten Unternehmen die EDV eine - sagen wir - isolierte Abteilung ist. Das kann man auch aus vielen Organigrammen einzelner Unternehmen erkennen, in einen die EDV-Abteilung als Stabsstelle irgendwo zwischen Geschäftsleitung und den Fachabteilungen abseits in der Luft hängt. Das Ziel für die Zukunft muß sein, daß die EDV-Abteilung offen wird. Das heißt, daß für die gesamte Führung eines Unternehmens die EDV-Abläufe transparent und für alle Teile verständlich gemacht werden.

* Das klingt sehr gut und ist auch ein schönes Ziel. Indes, das bleibt doch wishful thinking?

Das ist zu erreichen, und wir haben es auch bewiesen. Dieses Ziel kann nicht durch Entscheidung am Grünen Tisch erreicht werden, sondern das ist ein langer, mühsamer Weg. Er beginnt mit der Motivation der eigenen Mitarbeiter - daß sie sich als Dienstleister für den Betrieb ansehen und nicht mit einem Heiligenschein durch die Fachabteilungen wandeln. Das endet mit der Schulung der gesamten Geschäftsführung. Es ist heute nicht mehr zu entschuldigen, daß Top-Manager stolz darauf sind, nichts mit der EDV zu tun zu haben und nichts davon zu wissen.

* Die meisten EDV-Chefs sind wohl schon von der Mentalität her keine Verkäufer für ihre eigene Leistung.

Das ist richtig, wenn die EDV sich abkapselt und keinen in den Laden hereinblicken läßt. Dann ist sie eine untergeordnete Dienstleistungs-Abteilung und eben kein Gesprächspartner. Das alles war für mich selbst auch ein Lernprozeß. Als ich vor fünf Jahren als EDV-Chef wechselte, habe ich mir überlegt, wie man diesen Zustand verbessern kann. Die Tatsache, daß ich dann ins Top-Management berufen wurde, beweist, daß das machbar ist.

* Die Karriere eines EDV-Managers und sein Prestige wird in der Regel an der Größe der Maschine und, sofern man davon nichts versteht, an den Kosten seiner Abteilung und am Personal-Stand gemessen. Wie anders auch sollte die Geschäftsleitung die Leistung und die Bedeutung der EDV-Abteilung bewerten?

Das ist dort nicht so, wo der EDV-Chef nicht nur seine eigene EDV-Abteilung im Auge hat, sondern wo er so motiviert ist, daß er sich als Mitarbeiter zur Erreichung des Gesamt-Firmenzieles sieht. So versteht er sich aber nur dann, wenn er als Gesprächspartner von der Geschäftsleitung akzeptiert wird, also wenn er zur Ausarbeitung der Firmenkonzeptionen mit herangezogen wird.

* Das ist also ein Henne-Ei-Problem oder gar ein Teufelskreis?

Ja, aber man muß da heraus. Erst wenn die Geschäftsleitung die Leistung der EDV erkennen lernt, kommt das Vertrauen und damit auch mehr Verantwortung und Bewegungsfreiheit für den EDV-Chef. Dann ist der EDV-Chef auch in der Lage auf - sagen wir - eigene Größe zu verzichten und sich zu weniger prestigeträchtiger Lösungen zu entscheiden, die dem Firmenziel der Kostenminimierung dienen.

* Aber den, EDV-Chef sitzt doch immer dann sicher in seinem Sessel, wenn die Umwelt keine Ahnung hat?

Wenn es aber um die großen Investitionen geht, wird letztlich nicht der isolierte EDV-Chef entscheiden, sondern die Entscheidung wird von einem nichtinformierten Top-Management getroffen. So ist es ganz natürlich, daß diese Unwissenden mit der Masse schwimmen wollen. Nur so kann ich mir die vielen Standard-Entscheidungen für IBM oder etwa für Nixdorf erklären, obwohl es doch viele interessantere Alternativen auf dem Markt gibt.

* Wie konnten Sie Ihre Kollegen im Management Ihrer Firma davon überzeugen, neue Wege zu gehen? Sie installierten, wie bereits erwähnt, als erster kommerzieller Anwender in diesem Lande gleich 27 dezentrale Satellitenrechner der französischen Firma Sintra. Und dafür halten Sie jetzt Ihren Kopf hin.

Ich sehe das anders. Das war vorbereitet - und zwar sehr gut vorbereitet. Diese Wahl war letztendlich eine Entscheidung unseres gesamten Top-Managements, Sicherlich haben wir eine exotische Lösung getroffen. Doch das Risiko wurde eingehend durchkalkuliert und mit den möglichen Kosten-Einsparungen verglichen. Das Unternehmensziel ist letztlich Profit zu machen und nicht dem EDV-Chef einen sicheren Sessel zu garantieren.

* Welche Anforderungen werden Ihrer Meinung nach an den EDV-Chef von morgen gestellt?

Sein Erfolg wird künftig sicherlich nicht an der Größe seiner Abteilung in bezug auf Maschinengröße und Mitarbeiterzahl gemessen. Entscheiden wird sein, wie sehr er mit seiner Abteilung zur Erreichung des gesteckten Firmenzieles beiträgt. Für diese Aufgabe wird der EDV-Chef von morgen sicherlich technisches Fachwissen benötigen, aber vielleicht weniger, als man heute üblicherweise für erforderlich hält. Dafür sollte er nämlich Spezialisten haben. Wichtig ist, daß er einen betriebswirtschaftlichen Background besitzt, des weiteren rhetorisch geschickt präsentierten kann und Teamwork wie Konferenztechnik beherrscht. Mit diesem Werkzeug muß er motivieren können und zwar die eigenen Mitarbeiter wie auch die Anwender. Dann wird sich auch Erfolg einstellen, und somit hat er dann die Plattform, um den ebenso erforderlichen Mut zu beweisen, nicht eingefahrene, kostensparende Wege zu gehen.

Fritz Voigt (40)

lernte Industriekaufmann. 1960 folgte eine Tabellierer-Ausbildung bei der IBM. Danach automatisierte er bei den MAY-Werken, Köttingen bei Köln, die Organisation. Als Org./EDV-Leiter war er. dort für den Betrieb einer Bull Gamma 10, später einer Univac 9300 verantwortlich. 1970 wechselte Voigt zur Lekkerland GmbH & Co KG, Köln, und wurde dort vor zwei Jahren als Prokurist einer der sieben Top-Manager dieser größten europäischen Süßwaren- und Spirituosen-Vertriebs-Kette (Jahresumsatz etwa 800 Millionen Mark, 25 in der ganzen Bundesrepublik verteilte Lager).

Installiert ist bei Lekkerland in der Zentrale eine Siemens 7730 mit 320 KB, 6 x 100-MB-Platten, 4 Bändern und 2 Druckern. Zur Zeit erhalten die Außenstellen die ersten von insgesamt 27 dezentralen Satelliten-Rechnern Sintra Alpha 20 (jeweils 24 KB und 10-MB-Platte) aus einem Gesamtauftrag im Werte von 3 Millionen Mark.