IPOs: MIS AG

Mit Business Intelligence den umkämpften US-Markt erobern

18.02.2000
MÜNCHEN - Nach ihrem Rückzieher im Oktober 1999 hat die Darmstädter MIS AG nun im zweiten Anlauf den Sprung aufs Börsenparkett geschafft. Seit Dienstag dieser Woche bereichert der Anbieter von Business-Intelligence-Lösungen den Neuen Markt. Mit Hilfe des Emissionserlöses von rund 40 Millionen Euro wollen die Hessen nun vor allem im US-Markt durchstarten, aber auch den indirekten Vertriebskanal ausbauen.Von Beate Kneuse*

Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Doch kurz bevor MIS-Gründer Peter Raue und seine Mitstreiter im Oktober in die letzte heiße Phase vor dem geplanten Going Public gehen konnten, wurden sie von ihrer Konsortialbank zurückgepfiffen. "Die Commerzbank teilte uns damals mit, dass unter den institutionellen Anlegern kein ausreichendes Interesse zu wecken sei", erinnert sich Raue an den "heißen Herbst" am Neuen Markt, als ein IPO nach dem anderen abgesagt werden musste. Auch die Darmstädter gaben daraufhin die Verschiebung ihres Börsengangs bekannt - und hatten dabei noch Glück im Unglück. Die geplante große Anzeigenkampagne konnte gerade noch gestoppt werden, die Roadshow für Analysten und Investoren hatte noch nicht begonnen. So hielten sich die finanziellen Verluste in Grenzen.

Jetzt hat die MIS AG als erster Anbieter so genannter Business-Intelligence-Lösungen einen neuen Anlauf gewagt. Im Vorfeld sprühten die Unternehmenslenker vor Optimismus. "Die Situation am Neuen Markt hat sich gegenüber Ende 1999 wesentlich verbessert. Unter den institutionellen Anlegern ist die Stimmung gut, das Interesse an unserer Aktie groß", stellt Raue kurz vor Beginn der Bookbuilding-Phase (war ursprünglich für den Zeitraum vom 8. bis 11. Februar anberaumt und sah eine Preisspanne von 45 bis 50 Euro vor) im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE fest. Übertrieben hat er MIS-Chef damit nicht. Schon am 9. Februar brach die Konsortialbank die Zeichnungsfrist aufgrund der "sehr hohen Nachfrage" vorzeitig ab. Neuemissionen stehen derzeit also wieder hoch im Kurs. Schon mahnen die Analysten wieder vor einer Überhitzung und der Gefahr von Kursabstürzen.

Damit befassen sich die MIS-Lenker im Augenblick nicht. Sie sind erst einmal froh, ihre rund 850000 Papiere an den Anleger gebracht zu haben. Damit befinden sich nunmehr 26 Prozent der Unternehmensanteile im Freiverkehr. Der Rest entfällt zu 18,5 Prozent auf die Mitarbeiter (bislang 25,3 Prozent), 1,2 Prozent besitzen "Friends & Customers", während die Gründeraktionäre zusammen 54,8 Prozent (bisher 74,7 Prozent) halten.

Die Anteilsquote des Gründerpools soll sich laut Raue über die nächsten zwei Jahre nicht verändern. "Wir haben einen Vertrag abgeschlossen, der sicherstellt, dass wir in diesem Kreis über einen Zeitraum von 24 Monaten die Mehrheit am Unternehmen haben. Das ist nötig, um unseren Business-Plan auch tatsächlich umsetzen zu können."

Und der hat es in sich. Vor zwölf Jahren gestartet, befinden sich die Darmstädter spätestens seit 1997 auf rasantem Wachstumskurs. In jenem Jahr steigerten sie ihren Umsatz gegenüber 1996 um gut 70 Prozent von 18,7 auf 31,9 Millionen Mark, schraubten ihre Einnahmen 1998 auf 45,5 Millionen hoch, um schließlich im vergangenen Jahr mit einem Umsatz von 61,2 Millionen Mark ein weiteres Plus von 44 Prozent hinzulegen. In diesem Tempo soll es weiter gehen. Für das Jahr 2002 ist bereits ein Umsatz von knapp 200 Millionen Mark angepeilt. Spätestens ab 2001 soll sich auch in Sachen Gewinn einiges tun. Nach dem Nettoverlust von 500000 Mark im vergangenen Jahr soll dann ein Profit in zweistelliger Millionenhöhe erzielt werden. Rasant verläuft auch die Personalentwicklung. Bedingt durch den Aufbau internationaler Dependancen seit Mitte der 90er Jahre ist die Belegschaft heute auf 370 Mitarbeiter angewachsen. Allein 1999 wurden mehr als 100 Leute an Bord geholt. Für 2000 sind noch mehr Zugänge geplant. Dabei sucht die hessische Softwareschmiede vor allem Leute mit Doppelqualifikation: Für das Projektgeschäft, das 1999 rund zwei Drittel zum Gesamtumsatz beisteuerte, sind Fachkräfte gefragt, die sowohl betriebswirtschaftliches als auch technisches Know-how mitbringen.

Die Zuversicht der MIS-Verantwortlichen scheint nicht überzogen. Nach einer Studie des in Ludwigshafen ansässigen Instituts für Management-Informationssysteme (IMIS) e.V. sind die Darmstädter mit ihren entscheidungsunterstützenden Softwaresystemen für Manager, bestehend aus der Planungs- und Analyselösung "Alea 4.0", dem Business-Intelligence-Portal "E-Cetera" sowie der Web-basierten Konsolidierungslösung "Zeus 2.0" in Deutschland Marktführer (siehe Abbildung). Derzeit beläuft sich der Marktanteil von MIS auf 29,5 Prozent. Auf Rang zwei liegt der US-Anbieter Hyperion mit 22,9 Prozent, den Raue als schärfsten Mitbewerber bezeichnet, gefolgt von Oracle mit 19,5 Prozent.

Zum Kundenstamm der Darmstädter zählen international führende Unrternehmen. Die ausgeprägten weltweiten Aktivitäten ihrer Klientel machten es für MIS erforderlich, sich außerhalb ihres Heimatmarktes zu etablieren. Mit eigenen Niederlassungen sind die Hessen derzeit in Europa in Frankreich, der Schweiz, in Österreich und Italien vertreten. Hinzu kommen Töchter in den USA und in Korea. Insgesamt steuern die Auslandsgeschäfte etwa elf Prozent zum Umsatz bei, was sich aber bis 2002 auf 36 Prozent erhöhen soll.

Der Aufbau der internationalen Standorte erfolgt vorsichtig und immer nach dem gleichen Prinzip. Erläutert Raue: "Zunächst suchen wir uns im jeweiligen Land ein Unternehmen, das zu uns passt. An dem erwerben wir entweder sofort einen Minderheitsanteil, haben einen gemeinsamen Marktauftritt und stocken die Anteile später bis zur Mehrheit auf. Oder wir schließen zunächst nur einen Reseller-Vertrag ab - mit der Option, den Partner im Erfolgsfall zu übernehmen." Letzteres gilt derzeit beispielsweise für Großbritannien. Insgesamt ist MIS nach Auskunft ihres Vorstandsvorsitzenden mit diesem Modell bislang gut gefahren. "Diese Kennenlernphase reduziert die Risiken, die jede Akquisition letztlich mit sich bringt."

US-Niederlassung existiert seit 1996Große Bedeutung misst der MIS-Vorstand dem US-Markt bei. Dort hat man - getrieben durch den Anspruch der Großkunden, vor Ort Support zu erhalten - mit dem Aufbau einer eigenen Niederlassung bereits Ende 1996 begonnen. "Im ersten Jahr waren wir dort ausschließlich in Sachen Supportunterstützung zugange", berichtet Raue. Doch man lernte sehr schnell in Sachen Selbstbewusstsein: "Vor dem Hintergrund unserer Erfolge in Deutschland sind wir in jüngster Vergangenheit aber dazu übergegangen, im Rahmen unserer bestehenden finanziellen Möglichkeiten unsere Produkte auch aktiv zu vermarkten." Kein Zuckerschlecken, wie man feststellte. "Von der Technologie her sind wir unseren Mitbewerbern zwar überlegen", so der MIS-Gründer weiter, "aber es hapert an unserem mangelnden Bekanntheitsgrad." Kein Wunder, schließlich hat man es bei besagten Wettbewerbern nicht gerade mit No-Name-Companies zu tun. Ein Teil des Erlöses aus dem Börsengang soll deshalb für umfangreiche Marketing-Aktionen in den USA genutzt werden. Zudem ist man dabei, die derzeit zwölfköpfige Belegschaft deutlich zu erweitern. Bereits installiert ist ein verantwortliches Management-Team. Dessen Vorgabe aus Deutschland lautet: "MIS USA" richtig groß zu machen.

Letztlich hängen die angepeilten jährlichen 50-prozentigen Wachstumsraten aber auch davon ab, ob es den Darmstädtern gelingt, mit dem Ausbau des indirekten Vertriebskanals voranzukommen. Dadurch nämlich würde man den Kundenstamm um Mittelständler und kleinere Unternehmen bereichern können. Ziel ist es, den Anteil des indirekten Absatzes von heute rund elf Prozent auf 35 Prozent im Jahr 2002 zu steigern. Dazu bedarf es jeder Menge geeigneter Systemhauspartner, die mit Blick auf die anvisierten mittelständischen und kleinen Unternehmen idealerweise Branchenspezialisierung aufweisen. Rein quantitativ dürften die nicht schwer zu finden sein, nachdem das ERP-Umfeld durch den nunmehr absolvierten Jahrtausendwechsel abgearbeitet ist.

* Beate Kneuse ist freie Journalistin in München

ANALYSTEN RATEN ZUR ZEICHNUNG"Seit 1997 verfügt MIS über eine eigene branchen- und plattformunabhängige Spezialsoftware, die von Microsoft und SAP zertifiziert und Internet-kompatibel ist. ...Über 10000 Anwender aus über 500 Unternehmen in neun Ländern nutzen die Systeme. ...MIS bewegt sich in einem schnell wachsenden Marktsegment, das nach einer Studie von Dataquest künftig ein jährliches Umsatzwachstum von weltweit 30 Prozent erreichen soll. ...MIS ist das erste IT-Unternehmen aus dem Bereich Business Intelligence am Neuen Markt. Vor diesem Hintergrund lassen sich die bisher dort notierten IT-Firmen nur eingeschränkt mit MIS vergleichen. Der hohe Consulting-Anteil von MIS lässt jedoch einen Vergleich zu. Angesichts stark anziehender Notierungen lag das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis der vom Konsortialführer als Peer Group zugrunde gelegten IT-Unternehmen auf Basis der Gewinnschätzungen für das Jahr 2000 zuletzt bei rund 45. Die Bewertung von MIS lässt somit noch Spielraum zu. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, die Aktie zu zeichnen. Die aktuellen Graumarktkurse liegen bereits zwischen 106 und 116 Euro."

Quelle: Karsten Siebert/Heiko Bienek Independent Research (aus "vwd Erstnotiz")

Abb.: Überblick: Der deutsche Markt für multidimensionale Datenbanken und darauf basierende analytische Applikationen Quelle: MIS