Absichtserklärung zwischen dem Mainframer und der Mac-Company

Mit Apple-Hilfe will IBM neuen Standard bei Workstations setzen

12.07.1991

MÜNCHEN - Die vorübergehend ins Stocken geratenen Verhandlungen zwischen der IBM und Apple haben nun doch ein erstes Teilergebnis erbracht: In einem Letter of intent erklärten die beiden dominierenden Größen im PC-Geschäft ihre Absicht, Hard- und Softwareprodukte zu entwickeln, die in eine gemeinsame Plattform münden sollen.

Teil der beidseitigen Planung ist auch die Lizenzierung von IBMs RISC-Power-CPU an die Motorola Inc., die den Prozessor sowohl an Big Blue selbst als auch an Apple und andere Hersteller vertreiben wird.

Die Konkurrenz äußerte sich bemerkenswert zurückhaltend zu der geplanten Zusammenarbeit zwischen Apple und IBM. Das mag daran liegen, daß Verträge zur Verwirklichung dieser Absichtserklärung erst noch geschlossen werden müssen. Vor allem aber stellen beide Unternehmen konkrete Produkte aus dieser Zusammenarbeit erst für die nächsten zwei bis drei Jahre in Aussicht. Marktanalysten kritisierten die Verlautbarungen gegenüber der COMPUTERWOCHE unter anderem als "Gesellschaftsspiel".

Der Letter of intent zwischen Apple und Big Blue umfaßt vier Planziele: Erstens wollen beide Unternehmen eine gemeinsame Firma mit der Absicht gründen, eine auf objektorientierter Technologie basierende neue Betriebssystem-Plattform zu entwickeln.

Bei Apple läuft dieses Projekt schon seit längerem unter dem Namen "Pick", und Marktbeobachter argwöhnten bereits, daß die Entwickler aus Cupertino die Komplexität ihres Vorhabens unterschätzt hätten. Sie seien deshalb zeitlich ins Hintertreffen geraten, auch aus diesem Grunde würde man sich nun der Hilfe von IBM versichern.

Big Blue wiederum arbeitet in dem Joint-venture-Unternehmen Patriot Partners gemeinsam mit der Metaphor Computer Systems Inc. an einem solchen Projekt. Die Apple-IBM-Softwarefirma würde nach den Absichtserklärungen beider die entwickelte Software nicht nur selbst in ihren zukünftigen Systemen sowie in bereits existierenden Betriebssystemen einsetzen, sondern auch anderen Herstellern anbieten. Versprochen wurde, daß das Betriebssystem sowohl auf Intel-Prozessoren der X86-Familie als auch auf Motorolas 680X0- und auf IBMs Power-RISC-Plattform ablauffähig sein werde. Auch sei Kompatibilität zu existierenden Applikationen gewährleistet.

Um Macintosh-Rechner besser in Big Blues Enterprise-Systemwelt einbinden zu können, wollen beide Firmen zweitens Netzwerk- und Kommunikationsprodukte entwickeln, vertreiben und unterstützen. Ferner soll das proprietäre IBM-Unix-Derivat AIX von Apple und Big Blue weiterentwickelt werden und sowohl die Mac- als auch die OSF/Motif-Benutzeroberfläche bieten.

"Da laufen doch Gesellschaftsspiele ab"

Dritte Komponente der erst noch zu realisierenden Wunschvorstellungen ist die Verwendung der Power-RISC-CPU als Single-Chip-Implementierung in Apples zukünftigen Rechnern. Hier tritt Motorola aktiv in das Bündnis ein: Gemeinsam mit der IBM soll nach den. Plänen der Dreiergruppe eine neue Generation von CPUs entwickelt werden. Weiterhin sieht die Vereinbarung vor, daß Armonks Manager den Power-Prozessor an Motorola lizenzieren. Motorala erhalte ferner das Recht, die Zentraleinheit nicht nur an die IBM und Apple, sondern an jeden interessierten Hersteller zu vertreiben.

In einem vierten Punkt der Absichtserklärung planen Big Blue und Apple die Schaffung und Lizenzierung einer plattformunabhängigen Software-Umgebung für den Multimedia-Bereich, die ebenfalls anderen Herstellern verfügbar gemacht werden soll.

ACE-Gründungsmitglied Digital Equipment sieht nach Worten der Sprecherin Theresa Wermelskirchen keine Veranlassung zu einem Kommentar: "Wir sind für Offenheit der Gespräche zwischen Unternehmen, wird unterhalten schließlich auch vielfältige Kontakte unter anderem zu Apple selbst und beurteilen deshalb solche Aktivitäten nicht."

Microsoft, ebenfalls Mitglied des mit der Apple-IBM-Motorola-Gruppe konkurrierenden Unternehmenskonglomerats ACE, sieht dunkle Wolken am Himmel des PC-Marktes aufziehen. Michael Kausch, Sprecher der deutschen Dependance, glaubt zwar nicht an eine prinzipielle Gefahr für den PC-Betriebssytem-Monopolisten, er äußert dennoch Befürchtungen: Unsere größte Angst ist, daß diese Ankündigung zu einer Verunsicherung am Mark führt und damit zu einer Verlangsamung des Wachstums." Die Aktien der Gates-Firma sackten bei Bekanntwerden des geplanten IBM-Apple-Deals von 68 1/3 auf 62 ? Dollar.

Auch Will Haas von der Mips Computer GmbH, Lieferant der Prozessoren für alle ACE-Systeme, gab sich verschlossen, verwies lediglich auf seinen Chef in den USA, Chuck Boesenberg. Der hatte sich am Rande der PC-Expo in New York gegenüber der COMPUTERWOCHE bedeckt gehalten. Man kommentiere reine Absichtserklärungen nicht.

Kritik über die geplante Zusammenarbeit von IBM, Apple und Motorola kommt vor allem von seiten der Marktauguren: Wolfram P. Brandes vom Beratungsunternehmen Arthur D. Little vertritt die Meinung, Plattformvereinbarungen wie die zwischen Apple und der IBM seien zwar prinzipiell sinnvoll, aber "im Grunde laufen da Gesellschaftsspiele ab. Alle diese Ankündigungen sind doch sehr stark Marketing-orientiert."

Trotzdem sei die Vereinbarung für die IBM wichtig und ein logischer Schritt, zudem lebensnotwendig: "Die IBM hat einerseits gemerkt, daß sie Standards nicht mehr, über Mainframes setzen kann. Die kommen heutzutage aus der PC-Ebene. Akers sagt andererseits selbst, daß die IBM große Gewinne nur im Großrechnergeschäft machen kann." Auch die AS/400-Umsätze würden daran nicht viel ändern.

Gewinne resultierten aber zunehmend aus dem PC-Geschäft, "und hier setzen andere wie vor allem Microsoft, Lotus und eben Apple Standards, also muß sich Big Blue an diese Mitspieler dranhängen", erklärt sich der Analyst den geplanten Deal mit Apple.

Das Argument, durch den Apple-IBM-Motorola-Zusammenschluß sei eine Verzerrung der Marktsituation und der freien Marktwirtschaft zu befürchten, nimmt Brandes eher sarkastisch auf: "Die gibt es in der DV-Branche ohnehin nicht mehr."

Dataquest urteilt ähnlich über die Planspiele von Apple und Big Blue: Durch den Deal versuche die IBM, Microsoft die Kontrolle über den PC-Markt zu entreißen und sich selbst wieder aus der Abhängigkeit von William H. Gates III. zu entlassen.

Apple sei dagegen zunehmend besorgt, ihr, proprietäres Betriebssystem und dessen Schnittstellen werde sich - besonders in Anbetracht des Erfolges von Windows - auf lange Sicht nicht durchsetzen.

Die proprietären Systeme der beiden sind in Gefahr

Nach Dataquest-Analystin Laura Segervall haben die IBM und Apple deshalb ihre Schwimmwesten angezogen, weil Gefahr im Verzug ist: "Die Allianz bedeutet ganz eindeutig, daß die beiden größten Unternehmen im PC-Geschäft erkannt haben, daß ihre proprietären Systeme in Gefahr sind, denn die Open-Systems-Bewegung hat an Energie gewonnen."

Wie schon Sun mit der Lizenzierung der Sparc-Architektur an Cloner sinkenden Gewinnen vorbeuge, so hätten auch die ACE-Mitglieder auf die weniger rosige Marktsituation reagiert. "Die Unternehmen fangen an, Inseln der Zusammenarbeit zu bilden, weil sie dem Trend zu schwindenden Profiten entgegenwirken, sich aber trotzdem von anderen Mitbewerbern abheben wollen." ACE sei deshalb eine Reaktion auf die Sparc-Welt und der projektierte IBM-Apple-Deal wiederum eine Antwort sowohl auf Sparc als auch auf ACE.

Nicht ohne Ironie verweist Dataquest darauf, daß bislang noch kein Industriekonsortium tatsächlich einmal Produkte in relevanten Größenordnungen abgeliefert habe, ferner handle es sich bei dem Letter of intent um noch nichts Definitives und Produkte seien erst in Jahren zu erwarten.

Segervall und ihr Kollege Robert Kidd sehen aber auch Potentiale für die beiden Unternehmen: "Sollte der Deal wie geplant über die Bühne gehen, könnte die Gruppe die Kontrolle über das Unternehmens-Computing zurückgewinnen und Apple wäre im Großkundengeschäft drin." Im schlimmsten Fall werde der Markt weiter verwirrt.

Verlierer dieses wie anderer "Gesellschaftsspiele" ist nach Meinung der Analysten der Anwender. Obwohl er nicht unterstellen wolle, daß Unternehmenskooperationen überhaupt keinen Nutzen entfalten würden, sieht Brandes in den diversen Standardisierungsbemühungen wie ACE oder der IBM Apple-Motorola-Formation noch eine ganz andere Intention: "Die einzelnen Teilnehmer können durch ihre Mitgliedschaft in solchen Gremien die Arbeit an Standards und deren Definition und Herausgabe wunderbar kontrollieren."

IDC-Analyst Hajo Christ fragt sich darüber hinaus, wie in einem mittlerweile 62 Mitglieder starken ACE-Konsortium überhaupt noch sinnvoll gearbeitet werden kann und ob die teils unterschiedlichen Interessen der Unternehmen konkrete Ergebnisse nicht eher torpedieren.

Hersteller könnten unglaubwürdig werden

Der Anwender habe den diversen Initiativen, wie OSI, OSF, Unix International oder ACE, nach Ansicht von Brandes ohnehin schon längst den Rücken gekehrt. "Jedes neue Konglomerat wird für den Nutzer eigentlich immer unverständlicher und undurchschaubarer. Deshalb will der Anwender zurecht nur noch die harten Facts."

Im Einklang mit den Dataquest-Meinungsforschern resümiert der Mann von Arthur D. Little deshalb auch über die IBM-Apple Absichtserklärung: Die Hersteller, müssen sehr vorsichtig sein, daß sie beim Anwender nicht unglaubwürdig werden.