Universität Göttingen: 3750 in Verbindung mit IMS

Mißtöne nach der Gala-Premiere

25.06.1976

MÜNCHEN - Strafrechtliche Schritte erwägt das Institut für medizinische Dokumentation und Datenverarbeitung der Universität Göttingen gegen einen anonymen Versender von Pressetexten einzuleiten. Große Verärgerung beim Institutsleiter Professor Ehlers und seinem 65köpfigen Team: man spricht von vorsätzlicher Bösartigkeit und totalem Unsinn.

Nach mehrjähriger Vorarbeit für den Einsatz der Datenverarbeitung im Neubau der Medizinischen Fakultät Göttingen luden Ehlers und der beteiligte Hersteller IBM zum Wochenende 11. und 12. Juni ein internationales Fach-Publikum zu einem Symposium ein, um als Pionier-Tat die erste Anwendung des Daten- und Kommunikationssystems IBM 3750 in Verbindung mit dem Datenbank-System IMS vorzustellen.

Über die gelungene Veranstaltung konnten sie sich allerdings nur bis zum Montag freuen. Denn da stellte sich heraus, daß ein Unbekannter an einige Redaktionen, unter anderem auch an die Computerwoche, die Göttinger Universitätsverwaltung und das niedersächsische Landessozialministerium, eine offiziell aussehende Einladung zusammen mit einer eigenartigen "Pressemitteilung" verschickt hatte. Darin war unter anderem zu lesen: "Eine Großinstallation im Gesundheitswesen als Eisbrecher für einen schier unersättlichen Markt schien IBM das geeignete Mittel zu sein. So richtig am kranken Menschen den Nutzen dieses Systems zu demonstrieren, das wäre doch der Wurf, der die Konkurrenz für alle Zeiten in die Schranken weisen würde!" Weiter zielte der "Insider" auf den Institutschef: "Die besonders gute Zusammenarbeit mit Professor Ehlers, von IBM mit Genugtuung festgestellt, verhieß denn auch Großes. Bei der offiziellen Einweihung des Rechenzentrums 1974 mochte Ehlers die Katze noch nicht aus dem Sack lassen, obwohl der Auftrag schon perfekt war... Klammheimlich wurde Oktober 75 das System 3750 installiert und hinter verschlossenen Türen experimentiert."

Auch bei der Vorbereitung der Demonstration soll nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein: " Demonstriert wird die Übertragung alphanumerischer Zeichen über Telefonleitungen in hastig aufgebauten Dummy-Anwendungen... Dafür mußte der 370 (Zentralrechner der UNI: 370-145 - Anm. der Red.) ein neues IMS-Betriebssystem VS1.1.1. verpaßt werden, das reichlich unausgetestet, die Vorführung garantieren soll." Weiter heißt es im Mißtrauens-Cassiber: "Daß, die Anlage während der Vorführung niederfahren könnte, ist denn die einzige Sorge der cleveren DV'ler". Ein Institiutssprecher vermutet ein "schwarzes Schaf in den eigenen Reihen"...