Mini-Mainframes für neue Märkte

28.04.2006
IBM hat die "z9 Business Class" (z9 BC) für sicherheitsbewusste Anwender konzipiert. Eines der Modelle kann als reiner Linux-Server betrieben werden.

Der jetzt vorgestellte Baby-Großrechner z9 BC, den IBM unter dem Codenamen "Pollux" teilweise im Böblinger Labor entwickelt hat, kommt in den zwei Varianten "R07" und "S07" auf den Markt. IBM ist besonders stolz auf die feine Skalierbarkeit der Rechner: Anwender können unter 73 unterschiedlichen MIPS-Stärken (beide Familien zusammen) auswählen. Gemeinsam ist den Brüdern, dass sie einen Rechenkomplex - IBM nennt das Processor book - nutzen, der bis zu sieben z9-Prozessoren, 8 bis 64 GB Hauptspeicher und das I/O-System enthält. Die Pollux-Systeme lösen die alte "zSeries-890"-Familie ab, die sich nur in 28 verschiedene Leistungsklassen einteilen ließ und deren Rechenpower um rund ein Drittel geringer war.

Von den sieben Prozessoren des R07-Modells lassen sich maximal sechs für Spezialaufgaben wie die Abarbeitung von Linux- und Java-Programmen nutzen, eine CPU muss, drei können für Mainframe-Programme reserviert bleiben. Für Big Blue bedeutet das, dass die Maschinen tauglich für die viel zitierte Service-orientierte Architektur (SOA) sind, da sich bestehende Transaktionen mit neu geschriebenen kombinieren und zu einer neuen Anwendung verknüpfen lassen. Fortsetzung auf Seite 4

IBM nennt das "Composite Applications". Die S07-Maschinen kommen bei Bedarf allerdings ganz ohne die Mainframe-Betriebssysteme z/OS oder zVSE aus und lassen sich als reine Linux-Server unter zLinux betreiben. Das dürfte dann der leistungsstärkste Linux-Einzelrechner sein, sieht man von Cluster-Systemen ab.

Die BC-Systeme wurden erstmals in Peking der Öffentlichkeit präsentiert, und das hat nicht nur etwas mit der Präsenz in einer riesigen, aufstrebenden Industrienation zu tun, sondern mit ganz konkreten Absatzchancen: Das US-Marktforschungsunternehmen AMI Partners hat ausgerechnet, dass es heute schon in China etwa 8,3 Millionen kleine und mittelgroße Unternehmen gibt, Tendenz steigend. Zum anderen kommt, so die Einschätzung eines Analysten, den chinesischen Anwendern die Mainframe-Architektur generell entgegen, die einen sicheren Ablauf der Programme mit zentraler Kontrolle kombiniert. Mit Einstiegspreisen ab 100 000 Dollar soll dieser Markt jetzt bedient werden. IBM will das Engagement im Reich der Mitte zusätzlich verstärken und in Shanghai ein Entwicklungslabor etablieren.

Mit Datenbankbeschleuniger

Neben der z9 Business Class verfügt Big Blue jetzt auch über eine "z9 Enterprise Class" (z9 EC), wie sich ab sofort die im Juli 2005 vorgestellten Highend-Mainframes (Codename "Danu") nennen. Die neue Namensgebung beider Server-Familien sorgt besonders in angelsächsischen Ländern für Schmunzeln, da dort das Kürzel BC (before Christ) auf eine sehr alte Architektur hinweist und man hinter z9 EC vermuten könnte, diese Maschinen seien ausschließlich für den europäischen Markt (European Community) konzipiert.

Beide Server-Familien stattet IBM mit dem "z9 Integrated Information Processor" (zIIP) für bestimmte Datenbankaufgaben aus. Der Spezialprozessor soll Rechenkapazitäten frei machen und Softwarekosten - insbesondere für BI-, ERP- und CRM-Anwendungen - senken. Big Blue will für Kapazitäten auf den zIIPs keine Softwaregebühren verlangen. Eine andere Neuerung dient der Beschleunigung des I/O-Verkehrs, der jetzt durchgängig über 4-Gbit-Ficon-Kanäle zu Speichernetzen, Festplattensystemen und Bandarchiven führt. (kk)