Keronix versus Data General

Mini-Krieg wird Maxi-Krimi

08.08.1975

LOS ANGELES - Wenigstens acht private Detektiv-Büros waren inzwischen damit beschäftigt, den beiden amerikanischen Mini-Computer-Firmen Keronix Inc. (Santa Monica) und Data General Corp. (Southboro) Material zu liefern. Es geht um die für die ganze Branche bedeutsame Frage, wie weit man bei der Beschaffung von Informationen über die Konkurrenz gehen darf.

Im Januar 1973 hatte es in der Keronix-Fabrik gebrannt. Ursache: Brandstiftung. Weil ihm die Behörden bei der Aufklärung des Falles zu langsam arbeiteten, engagierte Keronix-Chairman Laszlo Keresztury Privatdetektive. Aufgrund ihrer Ermittlungen klagte er im Dezember 74 gegen Data General. Der Hersteller von Hauptspeichern für Minicomputer (Umsatz 1974: 3,5 Millionen Dollar) verlangte vom Branchenzweiten im Mini-Geschäft (Umsatz 5 Millionen Dollar Schadenersatz für Betriebsunterbrechung sowie 50 Millionen Dollar "punitive damages" (eine nur im angelsächsischen Recht gegebene Form des Schadenersatzes mit Strafcharakter). Data General habe versucht, Keronix aus dem Geschäft mit billigen DG-kompatiblen Hauptspeichern zu werfen und dabei selbst nicht vor Brandstiftung zurückgeschreckt.

Betriebsgeheimnisse gestohlen?

Data General erhob Widerklage: Keronix habe DG-Betriebsgeheimnisse gestohlen Beide Firmen streiten sich in einem Zivilprozeß, die Strafsache wegen Brandstiftung muß erst vor einem US-Distriktgericht verhandelt werden.

Der Ursprung des Streites liegt schon mehr als vier Jahre zurück: damals beauftragte Data-General-Gründer und -Präsident Edson de Castro (vormals DEC-Top-Manager) über ein Anwaltsbüro in Los Angeles zum ersten Mal in dieser Sache Detektive. Sie sollten feststellen, ob Keronix in Kalifornien sich Kenntnis von Data General-Betriebsgeheimnissen aus Massachusetts beschafft hatte.

"Reverse Engineering"

Während der erste Detektiv nichts fand, waren die nächsten so aktiv, daß Keronix jetzt behauptet, es seien Telefongespräche abgehört und Kunden unter Druck gesetzt worden. Bei Keronix-Kunden waren Beweise dafür gesucht worden, daß die Firma "reverse engineering" betrieben hat.

Mit diesem Terminus wird "Nachbau" umschrieben. Das inzwischen branchenbekannte Verfahren funktioniert so: das interessierende Gerät wird gekauft - den dazu mitgelieferten Handbüchern, Schaltplänen und Betriebssystemen entnimmt der Konkurrent die notwendigen Informationen, um damit ohne viel Entwicklungsarbeit seinerseits ein "neues" System zu produzieren.

Ein Detektiv lagt den anderen

Der Brandstifter ist inzwischen zwar gefunden, wer ihn aber zu der Tat angestiftet hat, ist noch nicht erwiesen. Keronix's Dunkelmänner meinen einen Kontakt zu DG-Beauftragten nachweisen zu können. Data General's Top Management fühlt sich beleidigt und erpreßt und besteht auf der ebenfalls noch zu beweisenden Anschuldigung illegaler Beschaffung von DG-Betriebsgeheimnissen. Entscheidend wird sein, welchem Detektiv das Gericht was glaubt. Die Detektive sind derweil dabei, gegenseitig die schmutzige Wäsche der Kollegen zu waschen, um deren Glaubwürdigkeit zu erschüttern. -py