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Millionen-Geschäft mit Gebrauchtbüchern - Handel und Verleger besorgt

12.02.2007
Daniel Kehlmanns "Vermessung der Welt" ist um sechs Euro günstiger zu haben, der neueste John-Grisham-Schmöker gar um mehr als acht Euro reduziert - die jüngsten Roman-Bestseller gibt es im Internet längst als Gebrauchtware zu Sonderpreisen.

Das Online-Phänomen ist nicht ganz neu, doch mittlerweile ist aus den kleinen Anfängen ein Multi-Millionen-Geschäft geworden. Der traditionelle Buchhandel und die Verleger fürchten Umsatzeinbrüche und warnen vor steigenden Preisen für neue Bücher. Online-Händler preisen hingegen die Vielfalt des Angebots und den erleichterten Zugriff, Autoren hoffen auf neues Interesse an ihren älteren Werken.

"Das Gebrauchtbuch macht seine Karriere dank der Online-Plattformen», sagt der Chef des Verleger-Ausschusses beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Karl-Peter Winters. Internet-Marktplätze wie ZVAB, eBay, Booklooker, Abebooks oder Amazon bieten ihren Nutzern Millionen von Titeln an und haben damit längst dem verstaubten Antiquariat am Bahnhof den Rang abgelaufen. Doch online gibt es eben nicht nur Jahre alte Fachliteratur, sondern auch vor kurzem erst erschiene Top-Ware an Belletristik und Sachbüchern. "Das wirkt sich negativ auf das Umlaufvolumen der Bücher und damit auch auf die Umsätze der Verlage aus", erklärt Winters.

"Diese Entwicklung ist für uns nicht besonders erfreulich", klagt Campus-Verleger Thomas Schwoerer. Branchen-Einschätzungen zufolge werden mittlerweile mehr als 700 Millionen Euro jährlich mit Gebrauchtbüchern umgesetzt, Tendenz weiter steigend. "Wir müssen weiter mit Umsatzeinbußen rechnen und eben Rückstellungen bilden", sagt Schwoerer. Gegensteuern könne die Branche, die pro Jahr insgesamt rund neun Milliarden Euro umsetzt, kaum. Rechtliche Handhabe gegen den schnellen Weiterverkauf gebrauchter Bücher gebe es ohnehin nicht. Die Preisbindung ist für ein einmal zum Neupreis verkauftes Buch aufgehoben.

"Ein Anteil des Handels mit Gebrauchtbüchern von zehn Prozent am Gesamtumsatz der Buchbranche scheint mir künftig durchaus möglich. Und das ist schon eine ganze Menge", meint Verleger-Chef Winters. Gerade jüngere Nutzer, die im Umgang mit dem Internet geübt sind, sorgen demnach für ein stetiges Wachsen des Second-Hand-Marktes. Mehr als ein Drittel der über 14-Jährigen in Deutschland hat sich Umfragen zufolge beim Bücherkauf schon mal für einen gebrauchten Titel entschieden. Ein weiteres Drittel könnte sich vorstellen, dies zu tun. Schnelle und umfangreiche Suchfunktionen, übersichtliche Kataloge, ja sogar Preisvergleiche mit anderen Anbietern erleichtern Käufern und Verkäufern den Literatur-Handel im Netz.

Die Online-Händler warnen allerdings vor übertriebener Schwarzmalerei. "Die Darstellung einer reinen Kannibalisierung des Buchmarkts durch die gebrauchte Ware ist zu einfach", sagt Abebooks-Sprecherin Angela Reinhardt. So könne es durchaus sein, dass ein Käufer erst durch ein gebrauchtes Buch einen bestimmten Autor entdecke und später jedes seiner neuen Bücher auch neu erwerbe. Zudem spiele des Geschäft mit dem Wiederverkauf aktueller Bestseller ohnehin nur eine Nebenrolle. "Hauptsächlich verkaufen unsere Anbieter Special-Interest-Bücher und ganz spezielle Fachliteratur als Gebrauchtware. Der leichte Zugriff auf diese Bücher ist der immense Vorteil des Mediums Internet", erklärt Reinhardt.

Doch auch wenn in den kommenden Jahren Experten zufolge mit einer Sättigung des Online-Marktes an Gebrauchtbüchern zu rechnen ist, werfen viele Verleger derzeit einen besorgten Blick auf ihre Bilanzen. "Die betriebswirtschaftliche Konsequenz wäre eigentlich, die Preise für neue Bücher zu erhöhen. Aber das würden die Verbraucher wohl kaum gutheißen", sagt Campus-Chef Schwoerer.

Sinkende Auflagen sorgen auch im Lager der Autoren für Unbehagen, aber gleichzeitig hoffen viele auf neue Fans dank des immer umfassenderen Internet-Angebots an selbst ausgefallenster Literatur. Der Online-Markt an gebrauchten Büchern biete die "wunderbare Möglichkeit, dass einmal gelesene Bücher neue Leser finden", urteilte jüngst der Verband deutscher Schriftsteller. (dpa/tc)