Intel: Erwerb detaillierter Mikrocomputer-Kenntnisse in den kommenden zwei Jahren dringend empfohlen

Mikros drangen in Mini- und Mainframesektor

23.01.1981

MÜNCHEN - Kein Einsatzgebiet, in dem die Minicomputer nicht - wenigstens prinzipiell - durch Mikrocomputer schlagbar wären. Dies behauptet Intel-Systems Marketing-Manager Werner Sobola. Stark wären die Mikros insbesondere im industriellen Bereich. Der Intel-Mann räumt jedoch auch ein, daß "Mikros eine VAX noch nicht ersetzen können" und meint damit, daß die natürliche Grenze zwischen Minis und Mikros dort verläuft, wo es um übergeordnete Steuerungsaufgaben geht.

Als Schwerpunktmärkte, die Intel aufs Korn genommen hat, zählt Sobola auf: Industrial Products sowie den Kommunikations- und den Computermarkt. Zu den Industrial Products gehören beispielsweise der Process Control And Instrumentation- (PCI-) Markt, ferner Werkzeugmaschinen-Steuerungen, Factory Flow und der Instrumentations-Markt.

Immer neue Boards, berichtet Sobola, entwickelt Intel für Einsätze in der Prozeßautomation. Exemplarisch verweist er auf das 16-Bit-CPU-Board "8605", eine abgemagerte "8612"-Version, oder auch auf das 8840-Board; beide seien voll einsatztauglich, aber gleichzeitig gezielt kostensparend ausgelegt.

Als Beispiel einer Factory Flow-Anwendung nennt Sobola die Ablaufsteuerung in Automobilfabriken, wo Intel-Mikros sämtliche Vorgänge von der Lagerhausverwaltung bis zur automatischen Fließbandsteuerung regeln könnten. Auf dem Instrumentations-Markt schließlich seien die Mikros darangegangen, Transistoren, Relais, Dioden und andere diskrete Bauelemente zu ersetzen.

Wo früher auf dem Kommunikationsmarkt PDP 8- oder LSI 11/23-Rechner Telefon-Nebenstellenanlagen steuerten, machen sich - so Sobola - nun die Mikros breit. Und selbst auf dem Computermarkt bescheiden sich die Mikros nach seiner Darstellung keineswegs nur mit Small Business Systems, sondern partizipieren bereits am Markt der intelligenten Terminals und Mainframes.

Der endgültige Durchbruch der Mikros - vor allem gegenüber den Minicomputern - scheitert derzeit aber noch an einem Know-how-Defizit auf seiten der Anwender, gibt der Intel-Manager zu bedenken. Demnach kennen die meisten potentiellen Anwender die neue Technologie noch nicht in einem Umfang, um Mini-Applikationen auf Mikros übertragen oder sich ihren individuellen "Mini" bauen zu können.

Front-up-lnvestition

Es sind dies die Anwender, die entweder den "Logical Replacement"-Sektor (diskrete Bauelemente) verlassen und einen Schritt nach oben zu den Mikrocomputern tun wollen, oder Anwender aus dem Minicomputer-Bereich, die gewissermaßen einen Schritt zurück planen. Für beide Gruppen hat ein Board-Layout in einiger Regie mit anschließendem Bestücken, Testen und Dokumentieren meist einen zu hohen Komplexitätsgrad. Selbstgeschneiderte Komponentenlösungen kommen für sie daher nicht in Betracht, allenfalls der Erwerb fertiger CPU-, RAM- oder Peripheral-Platinen. Doch Sobola ist zuversichtlich, daß die Anwender ihre Wissenslücken bald schließen werden - vorzüglich, weil sie es müssen.

Denn der Tag, bis zu dem man auf den Mikro-Zug aufgesprungen sein müsse, wenn man überhaupt noch mitkommen wolle, liege nicht mehr fern. Ein bis zwei Jahre sind es nach seiner Schätzung. Am Anfang, meint Sobola, habe eine "Front-up"-lnvestition in Manpower, Labor und Wissensstoff zu stehen, die viele Anwender heute noch scheuten, nicht zuletzt, weil ihnen der Mini bislang noch jegliches Umlernen erspare.

Software-Manko

Ein allzugroßes Loch in die Anwenderkasse dürfte eine solche Investition aber kaum reißen, folgt man dem Intel-Mann. Er ist nämlich der Meinung, daß sie sich je nach Seriengroße innerhalb von zwei Jahren amortisiert haben müßte. Doch Intel überläßt nicht alles dem Anwender und seiner Initiative:

Dem freimütig eingestandenen Manko an Standard-Software ist der Chip-Hersteller inzwischen aktiv zu Leibe gerückt; Sobola nennt hier die Übernahme des amerikanischen Softwarehauses MRI (Anbieter der Datenbank "System 2000") und verweist auf die mehr als 50 Prozent an Entwicklungskapazitäten, die heute von Intel-Divisions für Software ausgegeben werden.

Darüber hinaus sei Intel dabei, die Vor-Ort-Betreuung der Anwender auszudehnen, sei es mit Hilfe unabhängiger Systemhäuser, sei es durch den Ausbau der eigenen Support-Truppe. Nachdrücklich empfiehlt Sobola allen Anwendern, denen der Mikrocomputer noch wenig bekannt ist, ein unverbindliches Gespräch mit einem Hersteller.