Bei zunehmender Anbieterzahl wächst .die Bedeutung großer DV-Allround-Anbieter:

Mikromarkt konzentriert sich auf "Big Names"

18.05.1984

FRANKFURT (ha) - Der anhaltende Mikrocomputerboom in der Bundesrepublik schafft nach wie vor Goldgräberstimmung unter den inzwischen rund 250 Anbietern. Im vergangenen Jahr wurden hierzulande rund 82000 professionelle Mikros in der Preisklasse über 4200 Mark an den Mann gebracht. Dabei stellen zehn Hersteller bereits über 80 Prozent des gesamten Liefervolumens. Ende 1984 werden die Rechnerzwerge erstmalig wertmäßig die Installationsbasis der Universalrechner überholen. Diese Aussagen machten Marktforscher der International Data Group (IDC), die jetzt in Frankfurt ihre deutsche "Briefing Session" abhielten.

Von den bisher ausgelieferten Mikrocomputern wurden IDC-Angaben zufolge etwa zwei Drittel im professionellen Markt verkauft. Dabei kämen vor allem auch Software- und Peripherieanbieter inzwischen zunehmend auf ihre Kosten:. Mit jeder Hardware-Mark, die 1983 ausgegeben wurde, gingen zusätzlich 42 Pfennig für Programme und 25 Pfennig für zusätzliches Equipment über die Ladentheke. Das Gesamtvolumen der in Deutschland verkauften Software belief sich dabei nach Aussagen der Markt-Watcher auf 278 Millionen Mark. Bis 1986, so IDC-Deutschlandchef Erik Hargesheimer, sei zu erwarten, daß die verkauften Programme die Milliardengrenze überschreiten würden.

Obwohl die Top-Ten-Liste bundesrepublikanischer Mikroanbieter noch von den traditionellen Herstellern wie Commodore (Marktanteil 25,5 Prozent) oder Apple (16,7 Prozent) angeführt werde, seien laut Hargesheimer die "DV-Giganten" bereits voll im Anmarsch. Diese hätten gegenüber kleineren Anbietern den Vorteil, daß sie über die Aktivierung ihrer bestehenden Kundenbasis den Mikroabsatz stärker forcieren könnten, über das Potential verfügten, um auch selbst zu verkaufen, größere Margen-Spielräume durch "High-Volume"-Produktion einräumten und mehr Mittel für Werbezwecke bereitstellen. Aber vor allem unterstütze der Handel die großen Anbieter, da er laut IDC sogenannte "Big Names" bevorzuge. Auch bei Großunternehmen sei der Trend zu beobachten, daß die DV-Verantwortlichen dazu neigten, Mikro-Equipment bei ihrem Hauptlieferanten zu ordern.

Obgleich durch diese Entwicklung nach Ansicht der Marktforscher insbesondere der IBM das größte Stück vom Mikrokuchen zugesprochen werden könnte, sei das PC-Debut des Marktführers äußerst kläglich verlaufen. In der Rangliste der größten deutschen Mikroanbieter belegen die Stuttgarter mit einem Anteil von 4,8 Prozent lediglich den sechsten Platz. Die IDC-Watcher begründen das im Verhältnis zum US-Markt hierzulande nur mäßig angelaufene PC-Geschäft Big Blues mit dem verspäteten Markteintritt. Konstatiert IDC-Deutschland-Chef Hargesheimer: "Die IBM hat ihren PC-Europastart verschlafen".

Dennoch: Jack Hart, IDC-Chefbeobachter für die IBM-Welt und selbst 20 Jahre Mitarbeiter des Computermultis, prophezeit, daß sich der kürzlich vorgestellte 3270-PC als "absoluter Renner" erweisen könnte. In den USA hätten bereits zahlreiche Großunternehmen ihr Interesse an dieser Datenstation bekundet. Der amerikanische Börsenmakler Merrill Lynch habe inzwischen 10000 Einheiten bestellt. Für dieses Jahr erwartet Hart das Announcement eines leistungsstarken 32-Bit-Mikros, der als "Management Workstation" leistungsmäßig weit den Bereich der 4300-Produktpalette hineinreichen solle.

Im amerikanischen Markt läßt sich nach Aussagen des Ex-IBM-Mitarbeiters derzeit der Trend verfolgen, daß immer mehr Mikrocomputeranbieter den Kompatibilitätspfad in Richtung Big Blue einschlagen. Diese Entwicklung würde einen verstärkten Druck auf den DV-Champion ausüben, da die wachsende Anzahl von Mikro-PCMs das bisherige Preisgefüge aus den Angeln heben könnte. Ein verschärfter Wettbewerb im steckerkompatiblen Bereich führe laut Hart generell zu einer flexibleren Preispolitik.

Vor diesem Hintergrund konstatierte IDC-Vice-President Will Zachmann, daß die Bedeutung des IBM Personal Computers allmählich nachlasse. Gute Vermarktungschancen gibt der US-Manager indes dem von Apple im Frühjahr dieses Jahres vorgestellten "Macintosh". Die Akzeptanz im Markt gegenüber diesem Gerät bekräftigte die Auffassung von Branchenexperten, daß es dem kalifornischen Mikropionier gelingen könnte, neben IBM einen weiteren Defacto-Standard zu schaffen.

Bezüglich der künftigen Preisentwicklung bei Mikrocomputern vertreten die IDC-Marktforscher die Auffassung, daß die Systempreise stabil bleiben und sich in nächster Zeit kaum eine Tendenz nach unten abzeichne. Veränderungen seien indes lediglich durch Leistungszuwächse bei gegebenenfalls gleichbleibenden Kosten zu erwarten. Laut IDC könnten jedoch japanische Anbieter der amerikanischen und europäischen Konkurrenz noch einen Strich durch die Rechnung machen. Während sich die Nippon-Hersteller im europäischen Markt bislang nur wenig engagierten, könne eine künftige Absatzstrategie nur "Preiskampf " heißen.