Umsatzkorrektur von 50 Millionen Dollar

Microstrategy schockiert mit falschen Bilanzen

24.03.2000
MÜNCHEN (CW) - Ein Sturz der Aktie um rund 140 Dollar beziehungsweise 61,7 Prozent war die Antwort der Börse auf Microstrategys Mitteilung, seine Geschäftsberichte der letzten beiden Jahre nicht ordnungsgemäß geführt zu haben.

Offenbar hat das Unternehmen Leistungen als Umsätze verbucht, die zwar vertraglich vereinbart, aber noch nicht erbracht waren. Diese Hiobsbotschaft des Börsenlieblings Microstrategy schlug am Montag wie eine Bombe ein.

Derweil versucht Michael Saylor, Chief Executive Officer (CEO) des Unternehmens und bekannt für seine Publicity-trächtigen Auftritte und Spendenaktionen, die Gründe zu erklären. "In den letzten achtzehn Monaten ist Microstrategy in einen neuen Markt (E-Commerce, Anm. der Redaktion) vorgedrungen und musste sein Geschäftsmodell sehr schnell verändern. Als Folge davon wurden die Vertragsabschlüsse aus finanzieller Sicht immer komplexer und beinhalteten sowohl Lizenzen als auch damit verbundene Dienstleistungen", so Saylor in einem Statement. Mit der jetzigen Ankündigung wolle man Investoren, Kunden und Partnern "proaktiv" versichern, dass das Unternehmen sich an die Bilanzierungspraktiken in der Softwareindustrie halte. Microstrategy erklärte, nun einen Teil der Lizenzverkäufe, einschließlich der Dienstleistungen, per "contract accounting" abzurechnen, wodurch die Ausweisung der Umsätze über die gesamte Laufzeit des Vertrages erfolgt. Bisher hatte der Hersteller bereits bei Vertragsabschluss die Hälfte der Vertragssumme als Umsatz verbucht. Diese Geschäftspraktiken erinnern an die Manipulationen von Informix oder Baan, die ebenfalls schwer durch ihre Anleger dafür bestraft wurden.

Bis dato hatte sich die Aktie von Microstrategy dank dessen erfolgversprechender Produktstrategie als Lieferant von Software für E-Commerce sowie seiner Partnerschaften mit Herstellern wie NCR großer Beliebtheit erfreut. Innerhalb von zwölf Monaten hatten Zugewinne von rund 2000 Prozent bis auf einen Höchststand von 333 Dollar Mitte März die Anleger erfreut. Dementsprechend schockierte jetzt die Nachricht: In zum Teil heftigen Reaktionen in Foren wie etwa "yahoo.finance" bezeichneten sich manche von ihnen als ruiniert und werfen CEO Saylor eine mehr als ungeschickte Taktik vor, so kurz vor Abschluss des laufenden Quartals eine solche Meldung auszugeben und damit potenzielle Neukunden zu vergraulen.

Gerade die Ankündigung einiger Großaufträge hatte das Unternehmen in den letzten Quartalen immer wieder Umsatzzuwächse von 100 Prozent melden lassen. Die unsachgemäße Bilanzierung könnte rechtliche Folgen haben. Bereits am Montag gingen zumindest erste Klagen ein. Darin wird das Unternehmen beschuldigt, durch falsche oder irreführende Geschäftsberichte in der Zeit vom 11. Juni 1998 bis zum 27. März 2000 die Regeln des Securities Exchange Act von 1934 missachtet zu haben.

KorrekturIm Dezember 1999 veröffentlichte die US-Börsenaufsicht SEC die neuesten Bestimmungen zur Bilanzierung. Ziel war es, insbesondere die Buchungspraktiken von Online-Unternehmen transparenter zu machen. Laut Microstrategy hängt die Korrektur der eigenen Ergebnisse mit diesen Verordnungen zusammen. Die Umsätze für 1999 werden sich voraussichtlich von bisher 205,3 Millionen auf 150 bis 155 Millionen Dollar verringern. Der bisherige Gewinn von 15 Cent pro Aktie wird auf einen Verlust von 43 bis 51 Cent pro Anteil korrigiert. Die Umsätze für 1998 sinken von 106,4 Millionen Dollar auf 95,9 bis 100,9 Millionen Dollar, was einem Gewinn von einem bis vier Cent statt bisher acht Cent pro Aktie entspricht. Analysten erwarten, dass auch die Gewinne des ersten Quartals 2000 bei unter einem Cent pro Aktie liegen werden.