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Microsofts Pocket PC soll Palm das Fürchten lehren

20.04.2000
Analysten: Kein Palm-Killer

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Microsoft hat gestern unter großem Presserummel und mit einer begleitenden aggressiven Werbekampagne ["Can your palm do that? - Not unless it´s holding a Pocket PC"] im New Yorker Hauptbahnhof die dritte Version seines Handheld-Betriebssystem vorgestellt, die mittlerweile unter der Flagge "Pocket PC" segelt. Nachdem dessen Vorgänger Windows CE bislang relativ erfolglos war, will der Softwareriese aus Redmond mit dem neuen System endlich dem Marktführer Palm Marktanteile abjagen. "Wir hatten zwar mit CE einigen Erfolg, konnten aber unsere Kunden nicht so inspirieren, wie wir es gern getan hätten", räumte Microsoft-Chef Steve Ballmer ein. "Mit Pocket PC machen wir einen Riesenschritt nach vorn."

Neben einer komplett runderneuerten Benutzerschnittstelle verfügt Pocket PC über folgenden Ausstattungsmerkmale:

TFT-Bildschirm mit einer Auflösung von 320 x 240 Pixel, 65 000 Farben (Palm: 160 x 160 Pixel, nur beim IIIc 256 Farben)

16 bis 32 MB Speicher, 32-Bit-CPU mit teilweise mehr als 200 Megahertz Taktfrequenz, Speichererweiterung über Compact-Flash-Karten (Palm: max. 8 MB Speicher, CPU-Takt 20 Megahertz)

Lernfähige Handschrifterkennung (Palm: Einheitseingabe über "Graffiti)

Vollwertiger E-Mail-Client "Pocket Inbox" (POP3/IMAP4) mit Unterstützung für Word-, Excel- und HTML-Dateianhänge (Palm: nur über Drittanbieter)

Vollwertiger Web-Browser "Pocket Internet Explorer" (Palm: "Web-Clipping" beim Palm VII, vornehmlich textbasierte Browser von Drittanbietern)

Abgespeckte "Pocket"-Versionen von Word, Excel, Outlook, Money, Streets (Palm: Teilweise ähnliche Funktionalität über Drittanbieter)

Windows Media Player für die Wiedergabe mutimedialer Daten (Audio, Video)

Microsoft Reader mit optimierter "Cleartype"-Schriftdarstellung [Bild siehe Druckvorschau!]

Integrierter "AvantGo"-Client (für Palm kostenlos erhältlich)

Automatische, dauerhafte Datensnychronisierung während Verbindung zum Host-PC (Palm: Auf Knopfdruck, dafür auch mit Macintosh-Rechnern)

USB-Anschluss (Palm: optional)

Ende Juni will Microsoft gar die erste Testversion einer mobilen Datenbank veröffentlichen. Der "SQL Server 2000 Windows CE Edition" soll dann im dritten Quartal auf den Markt kommen und auch für Set-Top-Boxen und Industrierechner geeignet sein. Die klassischen Datenbankanbieter (Oracle, IBM, Sybase, Informix) haben ebenfalls seit geraumer Zeit abgespeckte Portable-Versionen ihrer Produkte im Angebot - auch für Palm-PDAs (Personal Digital Assistants).

Die entsprechende Hardware kommt wie gehabt nicht von Microsoft selbst. Zum Start haben zunächst Casio, Compaq, Hewlett-Packard sowie Symbol Technologies entsprechende Geräte vorgestellt. Die Preise liegen derzeit um 500 Dollar.

Analysten, die gestern erste Geräte in die Finger bekamen, zeigten sich durchaus beeindruckt von der Weiterentwicklung. Kevin Dulaney von der Gartner Group nannte das Produkt angesichts früherer CE-Versionen "angemessen". Seiner Ansicht nach hat der Pocket PC auch endlich das Zeug zum Unternehmens-Tool. Allerdings, da ist Dulaney sich sicher: "Ein Palm-Killer wird das nicht." Dieser Ansicht ist auch Jack Gold von der Meta Group. Seiner Meinung nach wird der Pocket PC die Führung von Palm nicht umkehren können, aber zumindest die "Gehirnblutungen" [O-Ton: "hemorrhaging"] von Windows CE beenden.