Finanzchef John Connors warnt vor einem 700-Millionen-Dollar-Loch

Microsofts Kunden streiken

06.02.2004
MÜNCHEN (CW) - Microsofts Finanzchef John Connors warnt vor einem Rückgang des Geschäfts mit langfristigen Lizenzverträgen. Im Sommer dieses Jahres laufen über 200 000 Verträge aus. Es wäre eine Überraschung, wenn mehr als 30 Prozent dieser Kunden neue längerfristige Abkommen eingehen würden, räumt Connors ein.

"Die Hürden im nächsten Finanzjahr werden höher liegen", prognostiziert Chief Financial Officer (CFO) Connors. Anlässlich eines Analystentreffens Ende Januar gab er zu, dass Microsoft künftig mit geringeren Einnahmen aus langfristigen Lizenzverträgen rechnen müsse. Im Finanzjahr 2003 hatte das Unternehmen noch 1,8 Milliarden Dollar mit dem "Upgrade-Advantage"-Programm verdient. Unternehmenskunden hatten sich auf das Übergangsangebot gestürzt, weil sie dem Nachfolgemodell "Software Assurance" (SA), das die Vermietung der Software vorsieht, nicht trauten.

Wegen der zögerlichen Resonanz auf das heute favorisierte Mietmodell hatte Microsoft seinen Kunden bis zum 31. Juli 2002 mit Upgrade Advantage die Möglichkeit eingeräumt, bestehende Altanwendungen über ein Update auf den neuesten Stand zu bringen. Außerdem sollte ein günstiges Update auf das neue "Office 2003", das im vergangenen Jahr herauskam, die Unternehmenskunden locken. Eine Verpflichtung zu Mietzahlungen für die neuen Lizenzen sahen die Verträge nicht vor.

Die Microsoft-Verantwortlichen integrierten die Abkommen in der Folge in ihr SA-Programm. Die Laufzeit der Upgrade-Advantage-Verträge wurde auf zwei Jahre festgesetzt. Daher ließ das Softwarehaus auch die Einnahmen aus diesen Verträgen über einen längeren Zeitraum hinweg unter dem Posten "Unearned revenue" in die Bilanzen einfließen. Nun laufen die alten Upgrade-Advantage-Verträge sukzessive aus. Für dieses Jahr erwartet Connors aus ihnen noch 1,1 Milliarden Dollar. Dies bedeute einen Rückgang von 700 Millionen Dollar.

"Das wird ein kritisches Jahr für Microsoft", glaubt Paul DeGroot, Analyst des Marktforschungsunternehmens Directions on Microsoft. Nach seiner Einschätzung besteht für die Kunden derzeit kein Anlass, die Verträge zu SA-Konditionen zu verlängern. Während Microsoft vor zwei Jahren mit Office 2003 noch einen lohnenden Anreiz zum Abschluss eines längerfristigen Lizenzvertrags geboten hatte, klaffe momentan eine Lücke in der Software-Roadmap. Die nächsten größeren Release-Wechsel stehen erst in einigen Jahren an.

Longhorn lässt auf sich warten

Die kommende Betriebssystem-Generation, die unter dem Codenamen "Longhorn" in den Redmonder Labors entwickelt wird, soll laut den Plänen der Microsoft-Verantwortlichen Ende 2005 auf den Markt gelangen. Experten gehen jedoch von einem Termin 2006, möglicherweise sogar erst 2007 aus. Wann ein neues Office-Paket herauskommen soll, ist ebenfalls nicht absehbar. "Ich erkenne beim Abschluss eines langfristigen Vertrags mit Microsoft keinen Vorteil für die Kunden", bilanziert DeGroot.

Unter den Lizenzbedingungen der SA erwerben die Kunden das Recht auf Programm-Updates, die während der Laufzeit des Vertrages herauskommen. Dafür müssen sie jährlich zwischen 25 und 29 Prozent des ursprünglichen Lizenzpreises an Microsoft zahlen. Gibt es keine Updates, fällt auch der Vorteil für die Kunden weg. Hinzu kommt, dass viele Anwender mit den bestehenden Produkten zufrieden sind und selbst die Update-Zyklen bestimmen wollen. Experten raten den Kunden daher, alle Möglichkeiten genau durchzurechnen. So könnte es beispielsweise günstiger kommen, in ein paar Jahren neue Microsoft-Softwarelizenzen zu kaufen, statt über Jahre hinweg Miete für sich kaum verändernde Versionen zu zahlen.

Kunden wollen keine Mietsoftware

Offenbar sehen das viele Microsoft-Kunden bereits so. Sie lassen alte Verträge auslaufen, ohne ein neues Softwareabkommen zu unterzeichnen. Deutlich wird dies an der Entwicklung der Bilanz: Nachdem Microsoft hier unter dem Posten Unearned revenue vom dritten Quartal des Geschäftsjahres 2002 bis zum ersten Quartal des Bilanzzeitraums 2003 eine Umsatzsteigerung von 6,9 auf 9,1 Milliarden Dollar verbuchte, ist seit Mitte des vergangenen Jahres ein deutlicher Rückgang zu bemerken. So standen im letzten Quartal des Finanzjahres 2003 noch etwa neun Milliarden Dollar an Unearned revenue zu Buche. Im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres 2004 waren es noch 8,2 Milliarden Dollar und im Ende Dezember 2003 abgelaufenen zweiten Quartal nur mehr 7,9 Milliarden Dollar.

Trotz dieser Entwicklung gibt sich Connors optimistisch. "Wir haben verschiedene Möglichkeiten, das Loch zu stopfen", erklärte er den Analysten. Microsoft werde die Ausfälle mit der steigenden Nachfrage im PC- und Server-Geschäft ausgleichen können. Außerdem registriere der Softwareanbieter eine starke Lizenznachfrage ohne langfristige Vertragsbindung der Kunden. Und letztendlich würden einige Kunden, deren Verträge ausliefen, neue Abkommen unterzeichnen.

Wie sich das Geschäft mit mehrjährigen Lizenzverträgen entwickeln wird, vermochte Microsofts Finanzchef dagegen nicht zu sagen. Während Kunden, die im Rahmen der SA ein Enterprise Agreement mit Microsoft vereinbart haben, in aller Regel zu etwa 66 bis 75 Prozent ihre Verträge verlängerten, sei im Falle der Upgrade-Advantage-Kunden mit einem deutlich kleineren Anteil zu rechnen. "Über weniger als zehn Prozent wären wir enttäuscht. Mehr als 30 Prozent würden uns überraschen." (ba)

Abb: Entwicklung von Microsofts Unearned revenue

Mit dem Auslaufen zahlreicher Upgrade-Advantage-Verträge gingen während der ersten beiden Quartale des laufenden Geschäftsjahres auch die länger-fristig verbuchten Einnahmen aus Softwarelizenzen deutlich zurück. Quelle: Microsoft