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"Microsofts Gewinnmarge ist obszön"

12.12.2002
Im Gespräch mit der CW erläutert Peoplesoft-Chef Craig Conway, warum er in Europa zukaufen will, wieso Siebel in Schwierigkeiten ist und warum er Konkurrenz schätzt.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Craig Conway hat in jüngster Zeit von sich reden gemacht: Durch eine Akquisition will er Peoplesoft in Europa stärken. Im Gespräch mit CW-Redakteur Martin Ottomeier erläutert der Firmenchef, warum er zukaufen will, wieso Siebel Systems in Schwierigkeiten ist und warum er Konkurrenz schätzt.

CW: SAP und Siebel nehmen beide für sich in Anspruch, in einem schwachen wirtschaftlichen Umfeld Marktanteile zu gewinnen. Gehört auch Peoplesoft zu den Gewinnern?

CONWAY: Marktanteile werden mathematisch berechnet. Sie sind nicht interpretierbar. Ich finde es amüsant, dass Tom Siebel behauptet, dass er Marktanteile gewinnt, obwohl die Umsätze von Siebel Systems rückläufig sind. Wir gewinnen Marktanteile, und zwar auf Kosten der Anbieter, bei denen es nicht so gut läuft. Siebel ist dafür ein Beispiel.

CW: SAP hat vor allem in den USA Probleme, Peoplesoft macht dagegen nur 25 Prozent seines Umsatzes in Europa. Wird sich dieser Trend fortsetzen?

CONWAY: Wir befinden uns in einem globalen Markt. Der Beweis ist SAPs früher Erfolg in den USA. Vor ein paar Jahren hatten wir Schwierigkeiten, in Europa Fuß zu fassen, aber heute haben wir hier rund 1000 Kunden. Auch europäische Firmen machen ihre Kaufentscheidung ausschließlich davon abhängig, wer das beste Produkt und den besten Service hat. Der Peoplesoft-Umsatz in Europa beschleunigte sich in den vergangenen Quartalen. 2002 hat unserer Industrie einen starken Einnahmenrückgang beschert, aber selbst in diesem Jahr steigt unser europäischer Umsatz.

CW: Sie haben vor einigen Wochen angekündigt, in Europa ein oder zwei Unternehmen übernehmen zu wollen. In der Vergangenheit haben Sie vor allem Technologie gekauft. Wollen Sie diesmal auch Marktanteile akquirieren?

CONWAY: Ich glaube nicht, dass man im Unternehmenssoftware-Geschäft Kunden kaufen kann. Unsere Akquisitionen sind technologiegetrieben. Wir werden in Europa also kein Unternehmen übernehmen, um Kunden zu kaufen, sondern um europäische Funktionalität zu erwerben. Deutschland zum Beispiel ist das Land mit den vielschichtigsten Anforderungen an Personalverwaltung. Die Lohnbuchhaltung ist nicht nur extrem komplex, die Gesetze ändern sich auch sehr häufig. Eine Akquisition in diesem Bereich würde uns also zusätzliches lokales Wissen einbringen.

CW: Tom Siebel, der CEO von Siebel Systems, bezeichnet Peoplesoft als schärfsten Konkurrenten. Ist Customer Relationship Management (CRM) für Sie mittlerweile wichtiger als das angestammte Geschäft mit Personalsoftware?

CONWAY: Ich habe CRM nie als eigenständiges Produkt gesehen, und ich habe nie verstanden, wie CRM-Software als eigenständige Software angeboten werden konnte. Per definitionem muss es an die Rechnungswesensysteme, die Produktionssysteme und natürlich die Personalverwaltungssysteme der Unternehmen angebunden werden.

CW: Interessant, dass Siebel trotzdem diesen Erfolg hat.

CONWAY: Siebel Systems hat in den vergangenen fünf Jahren sehr aggressiv CRM angepriesen - ich glaube zu stark. Siebel hat in seiner Werbung dargestellt, dass Unternehmen, die Siebels CRM-Produkte eingeführt haben, ihre Marktkapitalisierung um 20 Prozent erhöht haben. Das ist, als wenn ich nach der Einführung einer Software feststelle, das regelmäßig morgens die Sonne aufgeht. 1999 und 2000 hat die Marktkapitalisierung aller Unternehmen im Schnitt um 20 Prozent zugelegt. Das zeigt, wie irrational CRM-Systeme vermarktet wurden. Die Unternehmen denken heute in Geschäftsprozessen, die über Abteilungsgrenzen hinweggehen. Das hat positive Auswirkungen auf Anbieter wie Peoplesoft und SAP, und es hat keine so guten Auswirkungen auf Ein-Produkt-Unternehmen.

CW: Siebel hat 380 Produkte in 25 Sprachen.

CONWAY: Und es ist alles CRM. Das ist, als wenn ich 380 verschiedene Messer und Gabeln anbiete, aber keine Teller, Tassen, Gläser und Schüsseln bereitstelle.

CW: Tom Siebel sagt, dass Unternehmen niemals eine integrierte Suite kaufen. Ist die Integration nicht doch nur ein gutes Verkaufsargument für die Suite-Anbieter?

CONWAY: Natürlich werden die Systeme Stück für Stück und nicht auf einmal eingeführt. Daraus aber zu schließen, dass Kunden nicht ganzheitlich denken und die Integration vernachlässigen, zeugt von geringer Achtung vor ihnen. Wer argumentiert, es sei von Vorteil, auf Integration zu verzichten, pfeift im dunklen Wald. Er tut es nur, um allen zu zeigen, dass er keine Angst hat.

CW: Was erwarten Sie sich wirtschaftlich vom Jahr 2003?

CONWAY: Im Januar geben wir eine Prognose für das Gesamtjahr 2003. Ich bin stolz darauf, dass wir 2002 vermutlich im Rahmen der Prognosen abschneiden werden. Wir haben seit drei Jahren keine Gewinnwarnung mehr herausgegeben. Vergleichen Sie das mit Oracle oder SAP. Beide haben in den letzten sechs Quartalen vier Gewinnwarnungen herausbringen müssen.

CW: SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann will sein Unternehmen künftig vor allem an der Steigerung des Marktanteils und der operativen Marge messen. Sind das auch für Sie die wichtigsten Kennzahlen?

CONWAY: Wir beschäftigen uns nicht primär mit der operativen Marge, sondern mit dem absoluten Gewinn. Wenn man die operative Marge schützen will, dann kommt Forschung und Entwicklung (F&E) an zweiter Stelle. Aber für uns steht F&E an erster Stelle. Der beste Garant für Erfolg ist, die beste Technologie zu haben. Hätten wir nicht unsere Internet-Architektur entwickelt, wären wir heute nicht der zweitgrößte Unternehmenssoftwarehersteller der Welt. Wenn es eine Schwäche bei SAP gibt, dann ist es ihr Vertrauen auf die Kundenbasis.

CW: Mich wundert, dass die Kunden sich nicht über so hohe Gewinnmargen beschweren. Viele Firmen kämpfen hart um Profitabilität, aber die Softwarehersteller verbuchen 20, 30, Microsoft teilweise fast 50 Prozent operativen Gewinn.

CONWAY: Microsofts Gewinnmarge umweht der Beigeschmack eines Monopols und ist obszön. Das ist mit nichts vergleichbar. Oracles 30 bis 35 Prozent sind eine Folge der an diesen Hersteller gefesselten Datenbankkunden. Wir haben eine operative Marge von 13 Prozent, das entspricht einer Gewinnmarge von rund sieben Prozent. Unsere Kunden werden das als Zeichen dafür werten, dass unser Unternehmen gut geführt ist, nicht aufwändig oder opulent wirtschaftet, aber langfristig vital und lebensfähig ist.

CW: SAP hat eine neue strategische Initiative bei der Personalsoftware gestartet. Wie bewerten Sie das?

CONWAY: Das ist normal. In dem Maße, in dem SAP ihre Aufmerksamkeit auf Human Resources (HR) richtet, weil wir dort erfolgreich sind, organisieren wir uns im Bereich der Produktionsplanung, weil SAP dort sehr erfolgreich ist. Wenn DaimlerChrysler ein kleines Cabrio herausbringt, dann denkt auch BMW darüber nach. So ist das Business.

CW: Das macht Ihnen also keine Sorgen?

CONWAY: Ich habe viel Vertrauen in Peoplesoft, aber auch großen Respekt vor SAP. Das ist ein Unternehmen mit starken Ressourcen. Ich glaube, dass wir einen Vorsprung von mehreren Jahren vor SAP im HR-Bereich haben. Die Tatsache, dass SAP in dieses Geschäftsfeld stärker einsteigt, sorgt dafür, dass wir dort führend bleiben werden. Ein französischer Philosoph hat einmal gesagt: Man kann ohne Freunde auskommen, aber nicht ohne einen Feind. SAP stellt eine Herausforderung dar, und davon profitieren alle unsere Kunden, weil wir jedem einzelnen nachweisen müssen, dass wir besser als SAP sind.