Web

Microsoft wird vorerst nicht zerschlagen

29.06.2001
Gestern hob ein Berufungsgericht in Washington das Urteil des Bezirksgerichts in Washington auf. Microsoft muss sich nun vorerst nicht in zwei getrennte Unternehmen aufteilen. Jedoch wird der Fall erneut vor dem Bezirksgericht verhandelt werden.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Im Kartellrechtsstreit zwischen Microsoft und dem Amerikanischen Justizministerium hat der Softwareriese einen Teilerfolg erzielt. Ein Berufungsgericht in Washington hob gestern das Urteil des Bezirksgerichts in Washington vom Juni vergangenen Jahres auf, wonach sich der Konzern in zwei getrennte Unternehmen aufteilen muss. Der Fall wurde an das Bezirksgericht zurückgewiesen, wo er nun neu verhandelt werden muss.

"Wir glauben, dass einige, aber nicht alle Vorwürfe gegen Microsoft gerechtfertigt sind", heißt es in der 125-seitigen Begründung. Das siebenköpfige Gremium wies zwar das Zerschlagungsurteil der Vorinstanz zurück, stimmte aber dem darin geäußerten Vorwurf gegen Microsoft zu, der Konzern habe seine Marktdominanz im Bereich der Desktop-Betriebssysteme wettbewerbswidrig ausgenutzt. Nach amerikanischem Recht ist es nicht illegal, wenn eine Firma eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Ein Unternehmen verstößt jedoch gegen das US-Kartellrecht wenn es versucht, sein Monopol durch wettbewerbswidrige Geschäftspraktiken aufrecht zu erhalten.

Die Richter bemängelten insbesondere, dass die Vorinstanz keine adäquaten Begründungen für das angeordnete Strafmaß geliefert habe. Scharfe Kritik ging auch an die Adresse von Bezirksrichter Thomas Jackson, der seinerzeit das Zerschlagungsurteil gegen Microsoft gefällt hatte. Jackson habe sich während des Prozesses unprofessionell verhalten, indem er sich in Interviews abfällig über Microsoft geäußert habe. Dadurch sei der Eindruck der Befangenheit erweckt worden, so die Richter.

Das US-Justizministerium reagierte positiv auf die Entscheidung. "Wir begrüßen, dass das Berufungsgericht zu dem Schluss gekommen ist, dass Microsoft durch illegales Verhalten sein Monopol bei Betriebssystemen aufrecht zu erhalten versucht", teilte die Behörde nach der Urteilsverkündung mit.

Auch Microsoft-Chef Bill Gates zeigte sich mit dem Richterspruch zufrieden. Nun sei klar, dass es nicht zu einer Zerschlagung seines Konzerns kommen werde. Zudem habe das Urteil keinen Einfluss auf die Entwicklung der künftigen Produktlinien, einschließlich Windows XP.

Der Microsoft-freundliche Industrieverband Association for Competitive Technology (ACT) begrüßte die Entscheidung ebenfalls. Man stimme mit dem Gericht überein, “dass das Recht eines Unternehmens, seinen Produkten Eigenschaften hinzufügen zu dürfen”, im Mittelpunkt des Falles stehe.

Auch Microsoft-Rivale Red Hat kann dem Urteil durchaus Positives abgewinnen. Es bedeute einen Sieg für die Open-Source-Bewegung; Microsoft sei als Monopolist gebrandmarkt worden. “Viele Leute sehen nur die Aufhebung der Zerschlagungsanordnung”, so Marketing-Chef James Nieser. “Der Kern des Urteils liegt aber in der Bestätigung, dass Microsoft sich wie ein Monopolist verhalten hat. Es trifft Aussagen darüber was geschehen ist und das etwas dagegen getan werden muss.”

Die von Microsoft-Gegnern unterstützte Vereinigung Computer & Communications Industry Association (CCIA) kommt zu einer ähnlichen Einschätzung: Die Entscheidung zeige, dass “gesetzes- und wettbewerbswidriges Verhalten” im Technologiesektor nicht hingenommen werde. Zu den Mitgliedern der CCIA zählen unter anderem Oracle, Sun Microsystems und AOL.

Schon seit zehn Jahren beschäftigt sich die US-Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC) mit Microsoft. Im Mai 1998 schließlich reichten das US-Justizministerium und 20 Bundesstaaten eine Antitrust-Klage gegen den Softwarekonzern ein. Begründung: Microsoft versuche nicht nur, mit wettbewerbswidrigen Praktiken seine Monopolstellung zu erhalten, sondern strebe durch die Verknüpfung seines Web-Browsers Internet Explorer mit dem Betriebssystem Windows 95, auch auf illegale Weise eine Ausweitung seiner Monopolstellung an.

Nach der Berufungsentscheidung halten einige Experten eine außergerichtliche Einigung wieder für möglich. Darüber hatten die Prozessparteien bereits im Vorfeld der Urteilsverkündung durch Richter Jackson verhandelt. Ein Kompromiss scheiterte jedoch in letzter Minute. In Betracht kommt auch, dass eine oder beide Parteien das Urteil des Berfungsgerichts ganz oder teilweise anfechten und eine Verhandlung vor dem obersten Gericht der USA (Supreme Court) beantragen.