Abhängigkeit durch proprietäre Technik

Microsoft will mit Office 2000 Web-Publishing dominieren

11.06.1999
MÜNCHEN (ws) - Microsoft versah schon die Vorgängerversion seines Büropakets mit einzelnen Internet-Funktionen. Mit Office 2000 verfolgt der Windows-Hersteller jedoch ein ehrgeizigeres Vorhaben: Er möchte die Tools für die persönliche Produktivität untrennbar mit dem Web-Publishing verschmelzen.

Im fast schon gewohnten Rhythmus bringt Microsoft nach zwei Jahren wieder eine neue Ausführung seines Büropakets auf den Markt. Bereits bei den letzten Versionen stand der Hersteller unter Rechtfertigungsdruck, weil viele Anwender und Marktbeobachter nicht einsehen wollten, warum sie die ohnehin funktionsüberladenen Büroprogramme schon wieder erneuern sollten.

Entsprechend bewarb Microsoft schon seit längerem nicht mehr die Menge neuer Funktionen, sondern versuchte die überforderten Anwender von der einfachen Bedienung oder Installation der jeweils neuen Version zu überzeugen. Während "Office 95" noch im Zuge der Umstellung auf 32-Bit-Software auf viele Desktops gelangte, stand bei "Office 97" das überarbeitete Hilfesystem mit seinen animierten Assistenten im Vordergrund.

Mittlerweile scheinen die Möglichkeiten zur Verbesserung der persönlichen Produktivität ausgereizt. Die Fortschritte von Office 2000 beschränken sich daher auf die Installation, auf Änderungen in der Benutzerführung und die Produktpflege im allgemeinen (siehe Kasten). Damit sich das Update-Karussell für Microsoft weiter dreht, will der Windows-Hersteller für seine Bürosoftware neue Einsatzgebiete erschließen. Office 2000 stellt deswegen den energischen Versuch dar, das PC-Paradigma der persönlichen Produktivität mit der Kultur der vernetzten Arbeitsweise zu verschmelzen. Von den Widersprüchen zwischen diesen beiden Welten bleibt Office 2000 allerdings nicht verschont. Sie machen sich in Form von technischen Unzulänglichkeiten und proprietären Veränderungen von Internet-Standards bemerkbar.

Der Erfolg der Office-Suiten beruht auf ihrer Fähigkeit, typische Bürotätigkeiten wie das Verfassen von Korrespondenz, Kalkulation von Budgets oder die Erstellung von Vortragsfolien zu rationalisieren. In den letzten Jahren bestand der Ehrgeiz der Hersteller vor allem darin, die Formatierungsmöglichkeiten ihrer Office-Pakete an jene von Desktop-Publishing-Systeme anzunähern. Die immer neuen Funktionen und das Beipacken von Mail-Clients änderten aber nichts daran, daß Office-Anwender weiterhin Büro-Einzelkämpfer blieben und anstelle von unternehmensweit abrufbarem Wissen bis heute zumeist Papier-Output produzieren.

Im Gegensatz dazu richten Unternehmen Intranets ein, um in der Firma vorhandenes Wissen den Mitarbeitern zugänglich zu machen. Solche Vorhaben verlangen sowohl in puncto Gestaltung als auch beim Management des Inhalts eine zentrale Koordination. Die Nutzung von Standardformaten wie HTML oder zunehmend XML versetzt Firmen in die Lage, Informationen bei Bedarf auch extern zugänglich zu machen, beispielsweise für Kunden oder Kooperationspartner.

In diesem Fall ist es wünschenswert, daß Dokumente einheitlich dem Corporate Design entsprechen, und daß sich der Zugriff über eine möglichst fein abgestufte Rechtevergabe regeln läßt. Zusätzlich bieten Standardformate eine gewisse Sicherheit, daß solcherart gespeicherte Inhalte auch in einigen Jahren noch mit gängiger Client-Software lesbar sind oder zumindest relativ leicht in neue Formate überführt werden können.

Mit der Positionierung von Office 2000 als Web-Publishing-Tool steht Microsoft vor der Aufgabe, die über die Jahre entstandenen komplexen Formatierungsmöglichkeiten beizubehalten und gleichzeitig solche Dokumente in offenen Formaten abspeichern zu können.

Die bisherigen proprietären Dateiformate von Office wurden fast bei jedem Update verändert, um die neu hinzugekommenen Funktionen abzubilden. Für Anwender bedeutet dies zwar jedesmal ein Ärgernis, reflektiert aber den relativ kurzlebigen Charakter von Informationen, die mit den papierorientieren Büro-Tools erstellt wurden. Mit dem Umstieg auf HTML als bevorzugtes Speicherformat sollen Office-Dokumente nicht nur im Web-Browser darstellbar sein. Vielmehr sollen Anwender wie gewohnt ihre Dateien später wieder öffnen und weiterverarbeiten können, ohne daß dabei Formatierungsverluste auftreten.

Allerdings ist HTML inklusive Style Sheets nicht in der Lage, alle Informationen der Office-Boliden adequat abzuspeichern. Eingebettete Makros, Fußnotenverwaltung, Formeln, Kopf- und Fußzeilen, Inhaltsverzeichnisse und dergleichen überschreiten die Möglichkeiten der Web-Auszeichnungssprache. Microsoft wählte daher für seine Dateiformate eine Mixtur aus HTML, XML und der Vector Markup Language (VML).

Gängige HTML-Editoren, aber auch Office 97 inklusive des dort beigepackten "Frontpage" können mit solchen Dateien aber nicht umgehen. Bei einer Weiterverarbeitung mit solchen HTML-Tools gehen Meta-Informationen verloren, beispielsweise von welcher Anwendung das Dokument erzeugt wurde. Die unter Win- dows übliche Zuordnung über die Dateiendung funktioniert bei Web-Seiten ja nicht mehr, Microsoft verwendet zu diesem Zweck eine eigene HTML-Markierung. Für die Darstellung von Powerpoint-Präsentationen, die als Web-Seiten gespeichert wurden, muß der Browser auf Active X Controls zurückgreifen, ebenso für die Möglichkeit, Zellen in Excel-Tabellen zu editieren. Deshalb gehört zum Lieferumfang von Office 2000 der Internet Explorer 5 (IE), der zwar nicht installiert werden muß, aber als einziger Browser viele der Web- Features von Office 2000 nutzen kann. Tests der CW-Schwesterpublikation "Infoworld" erga- ben, daß Netscapes "Navigator" ebenso wie ältere Versionen des IE die nicht standardkon- formen Office-Dokumente häufig verstümmelt darstellen. Es ist absehbar, daß sich dieses MS-HTML wie die bisherigen proprietären Office-Dateiformate mit der nächsten Version wieder ändern wird.

Die angemessene Speicherung von Dokumenten in offenen Web-Formaten wäre nur ein erster Schritt, um MS Office in Richtung Web-Publishing zu verändern. Den im Büropaket enthaltenen Werkeugen fehlte bisher die direkte Anbindung an Web-Sites. Sie legten Dokumente zumeist auf der lokalen Festplatte oder auf gemeinsam genutzten Server-Verzeichnissen ab.

Mit Office 2000 können Anwender ihre Dateien unmittelbar auf dem Web-Server speichern. Dazu müssen aber dort die "Office Server Extensions" (OSE) installiert werden. Diese arbeiten freilich nur mit Microsofts eigenem Internet Information Server zusammen. Sollten sich Firmen entschließen, mit Office 2000 Web-Seiten nicht nur für das Intranet, sondern auch für das Internet zu erstellen, müssen sie einen Internet Service Provider (ISP) finden, der diese OSE für sie einrichtet. Die Bereitschaft dazu könnte gering sein, weil sich schon in der Vergangenheit die ähnlichen "Frontpage Extensions" als Sicherheitsrisiko erwiesen.

Ganz offensichtlich tritt der gegensatz zum Web-Publishing zutage, wenn es um die Gestaltung und Verwaltung von Inhalten geht. Gehört die individuelle Formatierung von Dokumenten zum typischen Arbeiten mit Büroanwendungen, sollen Intranets und Internet-Auftritte hingegen möglichst ein einheitliches Erscheinungsbild bieten. Publishing-Systeme wie "Hyperwave" trennen aus diesem Grund häufig zwischen Layout und Inhalt, um Anwender vom Web-Design fernzuhalten.

Dokumentvorlagen in Office bieten zwar ebenfalls gewisse Möglichkeiten zur Standardisierung, haben aber keinen verbindlichen Charakter - Nutzer können die dort getätigten Vorgaben überschreiben. Im Gegensatz zu einschlägigen Web-Tools kennt Office auch keine Mechanismen zur Versionierung von Dokumenten und Verwaltung des Workflows. Bei größeren Web-Sites ist es meist erwünscht, neue Seiten erst nach ihrer Abnahme durch die Online-Abteilung freizuschalten. Mangelnde Möglichkeiten zu einer fein abgestuften Rechtevergabe leisten zudem dem unkontrollierten Löschen und Ändern in Web-Folders Vorschub. Im Kontext eines Hypermediums mit zahlreichen untereinander verknüpften Dokumenten freilich führt diese Arbeitsweise schnell zu zahlreichen toten Links.

Wie sehr der Office-Suite Web-Funktionen nachträglich aufgepfropft sind, zeigt auch das neue Feature der Word-basierten Diskussionsforen. Sie machen sich die Kommentierungsfunktion der Textverarbeitung zunutze. Im Gegensatz zu Group-Web-Produkten wie Lotus Notes oder News-Servern auf Basis des bewährten Net News Transfer Protocol (NNTP) kann aber bei Office 2000 nur ein Benutzer zu einem Zeitpunkt einen Beitrag eingeben - auf ein solches Forum haben Anwender bestimmt schon lange gewartet.

Neuerungen in den Kernanwendungen

Access

Die neue Ausführung der Desktop-Datenbank erhält ein neues Dateiformat. Im Gegensatz dazu sollen die anderen Office-Anwendungen mit ihren Vorgängerversionen kompatibel bleiben.

Bessere Anbindung an den SQL Server über die "Microsoft Database Engine" (MSDE), die alternativ zur "Jet"-Datenbank genutzt werden kann.

Unterdatenblätter: Diese hierarchische Ansicht zeigt mehrere Tabellen an. Damit ist es einfacher, 1:N-Beziehungen zu erkennen.

Auto-Korrektur für Namen. Access 2000 gibt Namensänderungen von Feldern an die gesamte Datenbank weiter, die manuelle Anpassung entfällt.

Bedingte Formatierung. Der Wert der Daten in einer Access 2000-Datenbank kann das Erscheinungsbild der Daten in einem Formular bestimmen.

Auto-Komprimieren. Wenn eine Komprimierung zu deutlichen Plattenplatzeinsparungen führt, verdichtet Access 2000 eine Datenbank automatisch beim Schließen.

Excel

Transparentmarkierung. Neue Cursor machen auch markierte Zellinhalte sichtbar.

Auto-Ausfüllen für Listen. Wenn ein Benutzer Daten am unteren Ende einer Liste hinzufügt, erweitert Excel automatisch die Formatierung und die Formeln der Liste.

Bessere Diagramme. Neben neuen Typen wie Stufendiagramme, Pivot-Chart und 3D-Kombinationsdiagramme wurden auch die Formatierungsmöglichkeiten überarbeitet (Datenbeschriftungen, mehrstufige Kategorieachsen- und Zeitachsenbeschriftung sowie benutzerdefinierbare Werte für Achseneinheiten).

Tabellen-Web-Komponente. Active X Control, mit dem HTML-Tabellen im Internet-Explorer bearbeitet werden können.

Powerpoint

Ansicht mit drei Ausschnitten. Powerpoint 2000 zeigt Folien, Gliederungen und Notizen in einer Ansicht an.

Automatisches Anpassen. Text wird automatisch an die Größe eines Platzhalters angepaßt, so daß er nicht über die Folie hinausgeht.

Deaktivierung des Windows-Bildschirmschoners und des Stromsparmodus während einer Präsentation, um unerwünschte Unterbrechungen zu vermeiden.

Tabellen im Originalformat. Powerpoint kann Tabellen erstellen, ohne daß Word oder Excel installiert sein müssen.

Grafische Aufzählungszeichen und automatische Numerierungen.

Word

Klicken und eingeben. In Word 2000 kann der Benutzer auf einer leeren Seite den Cursor an eine beliebige Stelle setzen, klicken und mit der Eingabe vom Text beginnen. Er muß nicht mehr in der oberen linken Ecke anfangen.

Zoomen beim Drucken. Damit läßt sich auf unterschiedliche Papiergrößen drucken. Zudem kann auf diese Weise mehr als eine Dokumentseite pro Blatt ausgegeben werden.

Frames-Unterstützung. Word 2000 als HTML-Editor kann Frame-Seiten erstellen und darstellen.

Automatische Spracherkennung. Word nutzt je nach Sprache die jeweils richtige Rechtschreib- und Grammatikprüfung.