Hoher Erfolgsdruck für Windows CE 3.0

Microsoft unternimmt mit Pocket PC einen neuen Anlauf im Handheld-Markt

07.04.2000
MÜNCHEN (CW) - Am 19. April will Microsoft im Rahmen einer weltweiten Marketing-Kampagne seine dritte Version von Windows-CE unter dem Namen "Pocket PC" vorstellen. Zeitgleich wird die Handheld-Abteilung des Unternehmens einschneidend umstrukturiert.

Im Bereich der Handheld-PCs konnte Microsoft bisher nur bescheidene Erfolge verzeichnen. Die Rechner des übermächtigen Marktführers Palm belegen hier nach einer IDC-Studie einen Marktanteil von 70 Prozent. Die Hersteller von PDAs auf Windows-CE-Basis bringen es dabei auf lediglich zehn Prozent. Doch Microsoft will sich offenbar nicht geschlagen geben und unternimmt einen neuen Anlauf, um die Vorherrschaft des Palm-OS-Lagers zu brechen. Mit großen Premieren-Veranstaltungen in New York und London wird der Hersteller am 19. April Windows CE 3.0 unter dem offiziellen Namen "Pocket PC powered by Windows" vom Stapel lassen. Zeitgleich werden die führenden Hersteller von CE-Geräten - Casio, Compaq, Hewlett-Packard und Symbol - ihre neuen Pocket PCs in die Regale der Händler stellen. Die Redmonder touren anschließend zusammen mit Compaq, HP und Casio mit Veranstaltungen quer durch die USA.

Microsoft nimmt das Thema ernst. Einen weiter anhaltenden Misserfolg kann sich die Gates-Truppe im zunehmend wichtiger werdenden PDA-Segment nach Meinung von Analysten nicht erlauben. Dieser Erfolgsdruck dürfte auch der Grund sein, weshalb im Vorfeld der Premiere einschneidende personelle Umstrukturierungen stattfinden. Einige Mitglieder in der Führungsebene der CE-Abteilung sind ausgetauscht worden und haben neue Positionen in anderen Bereichen innerhalb des Konzerns angetreten.

Der bisher sehr bescheidene Erfolg des Mini-Windows liegt zum großen Teil an konzeptionellen Schwächen. So ist das System im Vergleich zum Palm-OS deutlich schwerfälliger und erfordert deshalb schnellere Prozessoren mit höherem Stromverbrauch. Auch die Benutzeroberfläche (GUI) war bisher kein Glanzstück. Charakteristische Merkmale, die auf dem Desktop den großen Erfolg von Windows mitgeprägt haben, wirken auf den kleinen Rechnern teilweise störend bis hinderlich.

Mit dem neuen CE will Microsoft alles besser machen. Die GUI soll stark überarbeitet worden sein, und die Hardwarehersteller versprechen auch bei den Akku-zehrenden Farb-PDAs Laufzeiten von zehn bis zwölf Stunden. Ein Schlüssel zum Erfolg könnten zwei Killerapplikationen sein, die mit der Version 3.0 ihre Premiere feiern. Mit dem "Microsoft Reader" soll bei den PDAs ein Standard für elektronische Bücher und Dokumentationen mit integriertem Rechte-Management geschaffen werden. Ein besonderes Schmankerl dürfte dabei die erstmals eingesetzte "Cleartype"-Technologie sein. Mit ihr sollen Texte auf LC-Displays in einer bisher nicht da gewesenen Schärfe dargestellt werden können.

Große Hoffnungen setzt Microsoft auch in den "Internet Explorer für Pocket PCs". Seine Stärke ist vor allem die automatische Formatierung von Web-Inhalten auf das Pocket-PC-typische Bildschirmformat von 320 x 240 Pixel.

Um für alle Entwicklungen gerüstet zu sein, hat Microsoft etliche Kooperationen im Bereich drahtloser Datenübertragung geschlossen. Der jüngste Pakt betrifft Texas Instruments. Demnach unterstützt Windows CE in Zukunft die digitalen Signalprozessoren (DSPs) des Halbleiterherstellers, um die Leistung bei drahtloser Datenübertragung und Multimedia-Anwendungen zu steigern. Siemens und Casio wollen ab Mitte des Jahres gemeinsam einen GSM-fähigen CE-PDA herausbringen.

In der Summe könnte die CE-Plattform durch diese Runderneuerung einen deutlichen Schub erfahren und den technisch allmählich ins Hintertreffen geratenden Platzhirsch Palm stärker bedrängen. Unterdessen hat Symbian, ein weiterer Palm-OS-Konkurrent, bereits viel versprechende Geräte auf "Epoc"-Basis angekündigt. GSM-fähige Palmtop-PDAs mit der Epoc-Variante "Quartz" sind noch für dieses Jahr geplant. Untätigkeit könnte sich in diesem schnellen Markt bald rächen.