Microsoft und Sun: Die Zwischenbilanz fällt mager aus

07.12.2004
Acht Monate nach der überraschenden Bekanntgabe ihrer Kooperation können die Partner nur wenige Fortschritte vermelden.

Im April dieses Jahres haben die ehemaligen Streithähne Microsoft und Sun Microsystems für viele unerwartet das Kriegsbeil begraben. Microsoft ließ sich die Beilegung juristischer Konflikte und die gegenseitige Nutzung von Patenten rund 1,95 Milliarden Dollar kosten, was das Geschäftsergebnis von Sun deutlich aufbesserte (siehe www.computerwoche.de/go/152285).

Noch größer war die Überraschung, als beide Unternehmen außerdem einen zehnjährigen Kooperationsvertrag abschlossen. Als die Verantwortlichen nun im Rahmen einer Telefonkonferenz den Zwischenstand der gemeinsamen Bemühungen erläuterten, machte sich bei Beobachtern, die mit schnellen Fortschritten gerechnet hatten, Ernüchterung breit. Den Ankündigungen vom April hatten die Verantwortlichen auf beiden Seiten wenig Konkretes hinzuzufügen. Es habe in den vergangenen Monaten 15 Treffen auf Management-Ebene gegeben, außerdem säßen allmonatlich 24 Entwickler bilateral beisammen.

"Früher haben wir uns die Reifen aufgeschlitzt"

Vertreter beider Unternehmen verwiesen darauf, dass die Zusammenarbeit erst begonnen habe und Zeit brauche, um sich zu entwickeln. Suns Chief Technology Officer (CTO) Greg Papadopoulos brachte es so auf den Punkt: "Vor neun Monaten haben wir uns noch die Reifen aufgeschlitzt, heute helfen wir uns gegenseitig, die Plattfüße zu reparieren." Auf der Gegenseite äußerte sich Hank Vigil, Vice President of Consumer Strategy and Partnerships bei Microsoft, weniger drastisch, aber in der Sache ähnlich: "Wenn man sich die frühere, streitsüchtige Beziehung von Microsoft und Sun betrachtet, war es nicht selbstverständlich, dass wir vernünftig miteinander reden können."

Konkretere Formen hat die Zusammenarbeit im Bereich Federated Identity angenommen. Anwender sollen in die Lage versetzt werden, Single-Sign-on-Technik über die Frameworks von Sun ("Liberty") und Microsoft ("Passport") hinweg zu nutzen. Damit beschäftigen sich die Entwickler beider Firmen laut Papadopoulos eifrig, es sei aber noch zu früh, um eine Lösung zu präsentieren.

Ein weiteres Feld der Kooperation sind Standards im Bereich Web-Services. Hier gab es, nachdem beide Firmen in der Vergangenheit konkurrierende Ansätze unterstützt hatten, bei einigen Ansätzen - "WS-Management", "WS-Addressing" sowie "WS-Eventing" - gemeinsame Arbeiten an Spezifikationen. Im Bereich System-Management soll die gemeinsame Unterstützung des vorgeschlagenen Standards "Web Services Management" ermöglichen, dass die Produkte beider Anbieter Informationen untereinander austauschen können. Denkbar sei auch eine Erweiterung der Lösungen, so dass Anwender ein gemischtes Windows-Solaris-Netz von einer zentralen Konsole aus verwalten könnten, sagte Papadopoulos.

Dazu kommen kleinere Projekte wie die erfolgreiche Zertifizierung von Suns Intel-basierenden Servern für Windows. Außerdem haben beide Unternehmen sichergestellt, dass Suns Software wie "Star Office" und Java Runtime Environment (JRE) mit dem Service Pack 2 (SP2) für Windows XP zusammenspielt.

Keinerlei Brückenschlag ist dagegen bei den konkurrierenden Techniken beider Anbieter zur Programmierung von Web-Services und -Applikationen in Sicht. Es gebe weder Pläne, .NET und Java zusammenzuführen, noch die Architekturen gemeinsam zu vermarkten. "Wir stehen hier weiter in energischem Wettbewerb", erklärte Microsofts Vice President Vigil.

Analysten glauben nicht an den großen Wurf

Analysten zeigten sich von den Verlautbarungen mehrheitlich enttäuscht. "Was konkrete Fortschritte angeht, muss man schon sehr lange suchen, bis man überhaupt etwas findet", kommentiert Rob Enderle, Analyst der Enderle Group. Er bezweifelt, dass die Kooperation wesentlich über das hinausgehen wird, was bereits im April angekündigt wurde. Michael Cherry, Analyst vom Marktforschungsunternehmen Directions, denkt ebenfalls, dass die Beilegung der juristischen Streitigkeiten im Vordergrund des Abkommens stand. "Egal was Sun und Microsoft wirklich auf die Beine stellen wollen, sie müssten es schnell umsetzen", gibt Cherry außerdem zu bedenken. Ansonsten ticke die Uhr, Technologien änderten sich so schnell, dass die Zusammenarbeit irrelevant werden könnte. Auch Frank Gillett, Analyst bei Forrester Research, ist vom Kooperationswillen der Beteiligten nicht ganz überzeugt. Er glaubt allerdings, dass die gemeinsamen Experimente wesentlich tiefer gehen, als allgemein angenommen werde.

Suns CTO Papadopoulos gab zu Protokoll, er und Bill Gates hätten sich auch mit gemeinsamen Kunden getroffen. Die wünschten sich vor allem eine bessere Interoperabilität der Software beider Firmen in den Bereichen Sicherheit, Identity-Management und Web-Services. So wie es derzeit aussieht, müssen die Anwender auf wirkliche Fortschritte noch eine Weile warten. (rg)