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Microsoft übernimmt ERP-Anbieter Great Plains

22.12.2000
Durch die Übernahme von Great Plains Software betritt Microsoft die Bühne für Backend-Anwendungssoftware - und dürfte damit eine Reihe von Geschäftspartnern überraschen. Kurzfristige Auswirkungen auf den deutschen Markt sind aber nicht zu erwarten.

Von CW-Mitarbeiter Martin Ottomeier

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Durch die Übernahme von Great Plains Software betritt Microsoft die Bühne für Backend-Anwendungssoftware - und dürfte damit eine Reihe von Geschäftspartnern überraschen. Kurzfristige Auswirkungen auf den deutschen Markt sind aber nicht zu erwarten.

Für 1,1 Milliarden Dollar kauft Microsoft Great Plains, einen US-Hersteller von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware. Great Plains konzentriert sich mit seinen Produkten vor allem auf kleine und mittelständische Unternehmen. Zu den Mitbewerbern zählen in Europa vor allem Navision-Damgaard und Sage KHK. Great Plains ist in Deutschland primär über die Apertum-Produkte präsent, die das Unternehmen vor rund einem Jahr mit der Übernahme von BTK erworben hat. Weltweit hat Great Plains 2000 Mitarbeiter und rund 130.000 Kunden. Mit einem Umsatz von rund 160 Millionen Dollar im Kalenderjahr 1999 liegt das Unternehmen laut der Top-500-Liste des "Software Magazine" deutlich hinter wichtigen US-Mitbewerbern wie Lawson Software und J. D. Edwards.

Kurzfristig soll sich an der Ausrichtung von Great Plains nichts ändern. Mittelfristig, so vermuten Insider, ist aber die Integration der Produkte in Microsofts Online-Service B-Central geplant. Damit würde die ERP-Software im Application Service Providing (ASP) angeboten. Basis dafür bildet die .NET-Strategy von Microsoft, in die sich die Great-Plains-Produkte gut einpassen, da das Unternehmen sehr stark auf Microsoft-Technologien setzt. Great Plains wird aber als eigenständige Business Unit fortgeführt, die an Microsofts Productivity and Business Server Group aufgehängt ist. Der bisherige CEO von Great Plains, Doug Burgum, wird als Chef der Business Unit an Jeff Raikes, Chef der Productivity and Business Server Group, und David Vaskevitch, als Senior Vice President für Business Applications zuständig, berichten.

"Dass Microsoft nun in die Anwendungs-Arena geht, wird vielfach als Überschreiten einer Anstandsgrenze empfunden, da der Softwarehersteller damit die Neutralität gegenüber den Anwendungsherstellern verliert", beschreibt Helmuth Gümbel, Managing Partner beim Beratungsunternehmen Strategy Partners, die Auswirkungen auf den ERP-Markt. Es müsse sich erst zeigen, ob Microsoft seine Technologie und die Anwendungen auseinanderhalten kann.

Trotzdem geben sich die betroffenen ERP-Anbieter, die nun zugleich mit Microsoft kooperieren und konkurrieren müssen, gelassen. "Die Internationalisierung bei mittelstandsorientierten ERP-Anbietern hat sich als schwierig erwiesen. Daher bleibt abzuwarten, wie gut sich Great-Plains-Software in Deutschland etablieren kann - auch mit Microsoft-Unterstützung", sieht Harald Witte, Vorstandsvorsitzender der AP Automation und Productivity AG, Karlsruhe, keine Bedrohung durch die Übernahme. Auch im Mittelstand sei Lösungskompetenz gefordert. Die hauseigene .NET-Strategie stellt er daher nicht in Frage.

"In den USA wird unser Wettbewerb mit Great Plains sicher schärfer", vermutet Lars Damsgaard-Andersen, Geschäftsführer bei Navision-Damgaard in Deutschland. Mit Blick auf Europa gibt er sich aber gelassen. Die Übernahme zeige allerdings, dass die Konsolidierung im ERP-Markt fortschreite. Daher fühlt sich Damsgaard-Andersen darin bestätigt, dass der erst kürzlich erfolgte Merger zwischen Navision und Damgaard notwendig und richtig gewesen sei.

Keine Sorgen bereitet die Übernahme Sage KHK und J.D. Edwards. So sieht sich der Sage-Deutschland-Geschäftsführer Peter Dewald mit seinen Produkten unterhalb des Marktsegments positioniert, das Great Plains adressiert. Auch auf Apertum als Mitbewerber würde das Unternehmen kaum treffen. So findet auch J.D. Edwards in Deutschland den Markt vor. Mit Great Plains sei der ERP-Anbieter hierzulande praktisch nicht kollidiert, erläutert Presseprecher Stephan Vanberg.

Das dürfte sich kurzfristig nicht ändern. Bei Great Plains Deutschland geht man davon aus, dass die Microsoft-Übernahme vorerst keine Auswirkungen auf das Geschäft und die Produktstrategie hat. Das Hauptgeschäft macht Great Plains hierzulande mit den Apertum-Produkten, und diese Produktlinie soll zunächst wie bisher fortgeführt werden. Pressesprecherin Sabine Deitz will aber nicht ausschließen, dass sich die Basistechnik mittelfristig stärker an Microsoft-Technologien orientieren wird.

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Ob das für die Anwender so positiv ist, muss sich aber erst noch zeigen. "Wenn die Anwendungssoftware von Great Plains genauso viele seltsame Probleme zeigt wie die sonstigen Microsoft-Produkte, dann können sich die Anwender nicht freuen", warnt ERP-Experte Gümbel.