Microsoft stellt sich dem Kampf ums Internet

04.11.2005
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Doch nicht nur den neuen Geschäftsbereichen soll Dampf gemacht werden, auch bei den traditionellen Gewinnbringern Windows und Office ist Sand im Getriebe. Allem Anschein nach tun sich die Microsoft-Entwickler schwer, die bereits heute mit einer Unzahl von Funktionen überfrachteten Softwareprodukte weiterzuentwickeln. Nie zuvor in seiner Firmengeschichte hatte sich Microsoft mehr Zeit für neue Releases seiner wichtigsten Produktlinien gelassen. Kommt Vista nächsten Sommer auf den Markt, steht der Vorgänger Windows XP bereits seit fünf Jahren in den Regalen. Microsofts Windows-Verantwortlicher Jim Allchin soll im vergangenen Jahr beinahe das Handtuch geworfen haben. "So wird das nicht funktionieren", zog er schon einen Schlussstrich unter die Vista-Entwicklung. Die Komplexität sei so groß, dass die Programmierer nie einen brauchbaren Windows-XP-Nachfolger stricken könnten. Erst auf gutes Zureden von Bill Gates machte Allchin weiter. Mit dem Marktauftritt von Vista im nächsten Jahr beendet der Microsoft-Manager allerdings seine Karriere.

Viele Anwender, die in Erwartung neuer Versionen einen Software-Assurance-Vertrag mit Microsoft geschlossen hatten, der ein kostenloses Upgrade auf die jeweils aktuelle Version erlaubt, fühlten sich über den Tisch gezogen. Paul DeGroot, Analyst bei Directions on Microsoft, rechnet aufgrund der schlechten Erfahrungen vieler Kunden, die keinen Gegenwert für ihre jährlichen Maintenance-Gebühren erhalten hatten, bereits mit dem Ende dieses Lizenzprogramms.

"Wir dürfen unsere Kunden nicht mehr so lange warten lassen", räumte auch Ballmer ein. Künftig werde es mehr Versionen in kürzeren Zeitabständen geben. Offenbar versuche Microsoft, die Anwender an ein regelmäßiges Wechselspiel von "Minor"- und "Major"-Releases zu gewöhnen, mutmaßt DeGroot. Die Kunst dabei sei es jedoch, auch genug neue Funktionen zu implementieren, die ein neues Release rechtfertigen.

Ballmer will von einem Mangel an Innovationsfähigkeit indes nichts wissen. Der Microsoft-Chef hat bereits die künftigen Herausforderungen ausgemacht. Aus seiner Sicht gilt es, gegen Internet-Stars wie Google und Yahoo anzutreten. "In den nächsten Jahren erobern wir das Internet", kündigte er großspurig an. Microsoft versucht seit geraumer Zeit, mit seiner Sparte MSN ein eigenes Portal- und Suchmaschinenangebot zu etablieren - bis dato mit überschaubarem Erfolg. Das Segment verbuchte im abgelaufenen Quartal einen Umsatz von 564 Millionen Dollar, gerade einmal fünf Millionen Dollar mehr als vor Jahresfrist. Der operative Gewinn von MSN verbesserte sich von 80 auf 83 Millionen Dollar.

Auch wenn viele Ankündigungen der Shooting-Stars aus der Internet-Branche weniger von konkreten Produkten und Angeboten, sondern vielmehr von den Phantasien der Analysten getragen werden, werden die Microsoft-Verantwortlichen immer nervöser. Als ein hochrangiger Microsoft-Mitarbeiter Ballmer informierte, er werde zu Google wechseln, soll dieser in einem Wutanfall Google-CEO Eric Schmidt wüst beschimpft und Stühle durch das Zimmer geschleudert haben.