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Thema des Tages

Microsoft startet seine digitale Brieftasche

11.10.1999
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Microsoft startet heute offiziell seinen Dienst "Passport Wallet". Damit bietet der Softwareriese Online-Shoppern eine Möglichkeit, ihre persönlichen Daten (Kreditkartennummer(n), Liefer- und Rechnungsadresse etc.) zentral vorzuhalten und beim elektronischen Einkauf auf unterschiedlichen Seiten zu verwenden.

Vom Start weg hat die Gates-Company mehr als 50 prominente E-Commerce-Anbieter als Partner gewonnen, darunter anderem Barnesandnoble.com, Buy.com sowie Officemax Inc. Ziel ist es nach Aussagen der zuständigen Produkt-Managerin Margie Miller, Kunden das immer wiederkehrende Eintippen ihrer persönlichen Daten zu ersparen und damit das Online-Shopping kräftig anzukurbeln. Passport Wallet steht mit englischer, deutscher, französischer und japanischer Benutzerführung zur Verfügung. Bis Ende des Jahres will Microsoft sogar insgesamt 27 Sprachen unterstützen.

Technisch funktioniert die Sache folgendermaßen: Das Kundenprofil wird auf von Microsoft gehosteten Servern hinterlegt. Will ein Kunde eine Online-Bestellung aufgeben, klickt er auf der Site des jeweiligen Anbieters auf einen Link, der ihn zu seiner persönlichen Wallet-Seite führt. Dort wählt er diejenigen Informationen aus, die er übermitteln möchte. Microsoft überträgt die Informationen anschließend verschlüsselt an den betreffenden Online-Shop.

Für Online-Konsumenten ist die Nutzung der digitalen Brieftasche kostenlos. Shops, die das System in ihre Seiten integrieren wollen, müssen allerdings ab März 2000 eine Lizenzgebühr an Microsoft entrichten. Die soll laut Miller zwischen ein paar Hundert Dollar für kleine Sites und "niedrigen sechsstelligen Summen" für große Anbieter liegen. Passport Wallet setzt auf dem bereits seit Juli dieses Jahres verfügbaren "Passport"-Dienst auf, der den Zugang zu einer ganzen Reihe von Microsoft-Sites - von Hotmail über diverse MSN-Angebote - über ein zentrales Benutzerkonto ermöglicht. 40 Millionen Anwender haben sich nach Aussagen des Herstellers bereits für ein Passport-Konto angemeldet.

Damit Passport Wallet erfolgreich sein kann, muß Microsoft die Anwender davon überzeugen, daß ihre Daten sicher verwahrt und nicht mißbraucht werden. Die Gates-Company will die Kundenprofile auf ihren Hotmail-Servern in Kalifornien (die Systeme laufen übrigens unter dem freien Unix "Free BSD") lagern. Dort waren in der Vergangenheit schon mehrfach schwerwiegende Sicherheitslücken entdeckt worden, zuletzt im vergangenen August (CW Infonet berichtete). "Diese Attacke hatte nichts mit Passport zu tun", betont Produkt-Managerin Miller.

Die Sicherheit des Systems sei nochmals deutlich verbessert worden, erklärte die Microsoft-Frau gegenüber dem IDG News Service. Alle Daten würden bei der Übertragung zu den E-Commerce-Partnern via SSL (Secure Sockets Layer, eine Netscape-Erfindung übrigens) verschlüsselt. Die Kontrolle der Daten liege allein beim Benutzer, und auch die unterschiedlichen Partner müßten sich verpflichten, keine Kundendaten untereinander auszutauschen.

Mit seinem Angebot steht Microsoft nicht allein da. Novell hat auf der Internet World in der vergangenen Woche seine konkurrierende Technik "Digital Me" vorgestellt (CW Infonet berichtete), und auch IBM bietet mit seiner "Consumer Wallet" ein vergleichbares Produkt an (CW Infonet berichtete). Weitere Alternativen dürften sich in Kürze hinzugesellen, nachdem sich Anfang September alle wichtigen Hersteller auf ECML (Electronic Commerce Modelling Language) als zugrundeliegenden Standard geeinigt hatten (CW Infonet berichtete).