Supreme Court soll Monopolurteil aufheben

Microsoft spielt im Kartellprozess auf Zeit

17.08.2001
MÜNCHEN (CW) - Im laufenden Kartellverfahren greift Microsoft zum potenziell stärksten Rechtsmittel. Das Oberste Gericht der USA, der Supreme Court, soll klären, ob der Konzern sein Monopol missbraucht hat. Prozessbeobachter sehen darin eine Verzögerungstaktik, die die Marktfreigabe von Windows XP sichern soll.

Das Urteil des Washingtoner Berufungsgerichts Ende Juni war eindeutig: Microsoft hält ein Monopol im Markt für PC-Betriebssysteme und hat seine Marktmacht gesetzeswidrig ausgenutzt. Zwar hob die siebenköpfige Jury die von Richter Thomas Jackson angeordnete Zerschlagung des Unternehmens auf und verwies den Fall zur Neuverhandlung an die Vorinstanz. Doch das Verdikt birgt ernste Gefahren für die Gates-Company: Weil die Richter die "Vermischung" von Programmcode des "Internet Explorer" mit dem des Windows-Betriebssystems als illegal klassifizierten, muss Microsoft mit ähnlichen Vorwürfen auch im Hinblick auf Windows XP rechnen. Nicht nur die Klägervertreter, sondern auch mehrere Verbraucherschutzorganisationen haben dies deutlich gemacht; sie erwägen, Windows XP im Wege einer einstweiligen Verfügung zu stoppen.

Diese Bedrohung vor Augen haben die Juristen des Unternehmens den Supreme Court angerufen. Wegen des kritisierten Fehlverhaltens von Bezirksrichter Jackson - er hatte während des ersten Verfahrens in Interviews den Eindruck der Befangenheit vermittelt - verlangt Microsoft eine vollständige Aufhebung des Bezirksgerichtsurteils. Damit müsse auch der Spruch der Berufungsinstanz revidiert werden, so die Verteidiger. Außerdem fordert Microsoft, die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Bezirksgericht so lange aufzuschieben, bis eine Entscheidung des Obersten Gerichts vorliege.

Zwar bescheinigen Rechtsexperten dem Konzern wenig Chancen, dass der Supreme Court den Fall annimmt. Er wird sich aber voraussichtlich erst nach der Sitzungspause im November mit der Sache befassen. Die Auslieferung von Windows XP am 25. Oktober wäre dann bereits geschafft.

Einige große PC-Hersteller haben zudem angekündigt, Rechner mit Windows XP schon im September auszuliefern. Unbestätigten Meldungen in US-Medien zufolge habe Microsoft dies ausdrücklich erlaubt. Compaq-Sprecher David Albritton erklärte, man werde Windows-XP-Rechner bereits einen Monat vor dem offiziellen Launch über das Internet anbieten.

Offiziell hält Microsoft am ursprünglich vorgesehenen Termin im Oktober fest: "Unser Zeitplan hat sich nicht geändert", so Unternehmenssprecher Jim Cullinan.

Gartner-Analysten haben unterdessen darauf hingewiesen, die Bündelung von Anwendungen und Betriebssystem sei von entscheidender Bedeutung für Microsofts langfristige Strategie, künftig Umsätze über Transaktionsgebühren zu generieren. Bereits mit Windows XP liefert der Hersteller etwa eine Lösung für Digital Rigths Management (DRM) innerhalb des Windows Media Player sowie das proprietäre Medienformat WMF. Ziel ist es nach Ansicht von Gartner, von Inhalteanbietern jedes Mal eine Gebühr einzuziehen, wenn Anwender auf entsprechenden Content zugreifen. Ähnlich ließe sich mit der ebenfalls integrierten "Passport"-Software verfahren: Für jeden Kunden, der sich vor einer Internet-Transaktion durch den Dienst authentifizieren lässt, könnte Microsoft einen Obulus vom jeweiligen Anbieter verlangen.