Microsoft setzt auf Portale und Dokumenten-Management

23.11.2005
Die bisher auf Team-Collaboration beschränkten Sharepoint-Services sollen zukünftig das Fundament zahlreicher Portalanwendungen bilden.

Bei Microsoft spielen Portale als zentraler Einstiegspunkt für verschiedene Anwendungen bisher eine untergeordnete Rolle. In Redmond setzte man lange auf Office als Gegenstück zu solchen Browser-basierenden Frontends. So beruhte das anfangs favorisierte und mittlerweile ad acta gelegte "Digital Dashboard" auf dem Büropaket. Konkurrenten aus dem Java-Lager wie die IBM oder Bea hingegen sehen in Portalen die bevorzugte Präsentationstechnik. Im Gegensatz zu Microsoft haben bei ihnen Rich-Client-Alternativen keine große Bedeutung.

Auch die "Sharepoint"-Software, die Microsoft den Anbietern von Java-Middleware entgegensetzt, litt längere Zeit unter unklarer Positionierung und mangelhafter Abstimmung der Produkte. So wurden die "Windows Sharepoint Services" (WSS) nicht nur umbenannt, sondern auch zwischen Office und Windows hin- und hergeschoben. Der Sharepoint Portal Server (SPS) zur Aggregierung von WSS-Sites unterscheidet sich teilweise in seinen Konzepten von den WSS und beruhte in früheren Versionen auf einer anderen Architektur.

Microsoft reagiert nun auf die steigende Nachfrage von Unternehmen nach Web-basierenden Anwendungen, indem es seine Portalsoftware in der Version 3 gründlich überarbeitet. Der bisherige Bottom-up-Ansatz, bei dem Abteilungen oder Niederlassungen ihre eigenen Team-Sites erstellen, die dann ein Portal-Server unter einer Oberfläche zusammenführt, soll indes beibehalten werden. Allerdings mausern sich die WSS zu einer funktionsreichen und mächtigen Basis für weitere Dienste, die im Portal verfügbar sind. Dazu zählen sowohl solche aus Redmond als auch von Drittanbietern.

Die schwer verständliche Arbeitsteilung zwischen Betriebssystem, WSS und darauf beruhenden Anwendungen bleibt auch in Zukunft erhalten. Sie ist im Wesentlichen durch Marketing geprägt. So sind etwa die Workflow-Funktionen ("Windows Workflow Foundation") Teil von Windows, das System vererbbarer Schablonen ("Master Templates") steuert ASP.NET bei. Zur WSS-Infrastruktur zählen Speicher-, Sicherheits- und Management-Funktionen.

Wer einen Windows Server 2003 erwirbt, erhält jedoch nicht nur diese Basistechnologie, sondern auch eine Komponente aus der Anwendungsschicht. Es handelt sich wie bisher um Tools für die elektronische Teamarbeit. Dazu zählen Diskussionsforen, Kalender, Dokumentenablagen oder die Anzeige des Online-Status. In Zukunft sollen dort auch Weblogs und Wikis hinzukommen sowie eine erweiterte Mail-Unterstützung. So wird Outlook in der Version 12 Diskussionen aus dem WSS als Mail-Ordner darstellen können.

Sharepoint auch für das Internet

Mit der Version 3 positioniert Microsoft seine Sharepoint-Services nicht nur für die interne Nutzung in Unternehmen, sondern auch als Basis für Internet-Sites. Um diesen Anforderungen zu genügen, entfallen in der kommenden Ausführung bisherige Beschränkungen bei der Topologie von WSS-Installationen. Zukünftig können die Aufgaben des Web-, Applikations- und Datenbank-Servers auf verschiedene Maschinen verteilt werden. Jede Schicht kann zur Verbesserung der Ausfallssicherheit auf Cluster-Systemen laufen.

Neben erhöhter Leistung macht auch eine neue Architektur für Authentifizierungsmodule die WSS Internet-tauglich. In der aktuellen Ausführung muss jedes Benutzerkonto im Active Directory angelegt werden. Unternehmen möchten aber in der Regel externe Besucher einer Website, die sich etwa für reservierte Bereiche registrieren müssen, nicht in ihr internes Verzeichnis aufnehmen. Über so genannte Provider lassen sich Benutzer über beliebige andere Systeme authentifizieren, beispielsweise über LDAP oder eine einfache Benutzerdatenbank. Ironischerweise stellt Microsoft damit wieder einen Zustand her, den es bereits gab, als die WSS noch "Team Services" hießen. Diese Ausführung verfügte noch über ein eigenes Nutzerverzeichnis, das aber dann zugunsten des Active Directory aufgegeben wurde.

Als weitere Neuerungen, die Sites unter den WSS 3 für das Internet befähigen, nennt Microsoft eine stark erhöhte Zahl von möglichen Einträgen in Dokumentenbibliotheken, die Unterstützung für eine fein abgestufte Versionierung sowie das Check-in und Check-out. Sie sind Voraussetzung für reich bestückte Websites, die von mehreren Redakteuren betreut werden. Schließlich kommt noch ein neues Synchronisierungsverfahren hinzu, mit dessen Hilfe die WSS ihren Content auf mehrere Server verteilen können. Dieses Verfahren funktioniert als Push nur in eine Richtung, erlaubt aber die Einrichtung von separaten Staging- und Entwickler-Maschinen. Dies zählt zu den wesentlichen Anforderungen im Enterprise-Einsatz.

Neu in Sharepoint Services 3

  • Zweistufiger Papierkorb zur Wiederherstellung gelöschter Dokumente;

  • erweiterte Versionierung von Einträgen ("minor Versions");

  • stark erhöhte Speicherkapazität;

  • Integration der Windows Workflow Foundation;

  • Sicherheitseinstellungen auf Dokumentenebene;

  • Check-in und Check-out;

  • Plug-in-Konzept für Authentifizierung;

  • rechteabhängige Benutzeroberfläche;

  • Topologien aus separaten Web-Frontends, Applikations-Servern und Datenbanken möglich;

  • zentrale Administration von Sharepoint-Farmen;

  • erweiterte E-Mail-Funktionen.

Mehrere Portalanwendungen geplant

Auf der Grundlage der WSS plant Microsoft eine Reihe von Anwendungen. Dieses Vorhaben ist in weiten Teilen vergleichbar mit IBMs "Workplace Collaboration Services". Die zwei Firmen setzen zwar auf unterschiedliche Plattformen (Java versus .NET) und verpacken ihre Funktionen auf je eigene Weise zu Produkten. In Bezug auf die Features und ihre Präsentation gegenüber dem Anwender überwiegen jedoch die Gemeinsamkeiten.

Microsoft möchte neben den Collaboration-Tools, die zum Lieferumfang von Windows gehören, solche für Business Intelligence, Business-Process- und Enterprise-Content-Management (ECM) sowie eine Enterprise-Suchmaschine anbieten. Eine Zwischenposition nimmt derzeit noch der MS-Project-Server ein. Er beruht bisher noch auf einer eigenen Architektur und soll in der nächsten Version auf die Sharepoint Services aufsetzen.

Wie die geplanten Funktionen letztendlich auf bestimmte Produkte verteilt werden, hält sich Microsoft laut Mike Fitzmaurice, Senior Product Manager für WSS, noch offen. Im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE deutete er an, dass die Zukunft des Sharepoint Portal Server in seiner jetzigen Form noch keineswegs gesichert sei. Es bestehe etwa die Möglichkeit, seine zwei Hauptaufgaben - die Aggregierung von WSS-Sites und die Suchmaschine - zu trennen.

Aufgrund der Konkurrenz mit Google und IBM misst Microsoft der Enterprise-Suche einen besonderen Stellenwert zu. Die auf den Entwicklungen von MSN beruhende Technologie soll in verschiedene Produkte integriert werden. So müssen sich die WSS zukünftig nicht mehr mit dem Index-Server der relationalen Datenbank begnügen, sondern erhalten die gleiche Suchmaschine wie jene, die auch auf Anwendungsebene oder in Exchange E12 ihren Dienst verrichten wird. Allerdings beschränkt sie sich in den WSS auf die Recherche in einer einzigen Site. Die Enterprise-Suche soll in der nächsten Ausführung erheblich mehr Datenquellen indizieren können als bisher. Darunter fallen dann etwa auch kaufmännische Applikationen.