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Thema des Tages

Microsoft schenkt Java auf dem Server kaum Beachtung

29.10.1999
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Windows 2000 und das integrierte Komponentenmodell COM+ sollen für Microsoft der Dreh- und Angelpunkt in der Anwendungsentwicklung werden. Für das Wissensmanagement hingegen stehen Office und Exchange im Vordergrund. Senior Vice-President Bob Muglia erläuterte im Gespräch mit CW-Redakeur Wolfgang Sommergut, welche Richtung Microsoft mit Windows 2000 und den damit verbundenen Produkt-Updates einschlägt.

CW: Microsofts Backoffice-Familie befindet sich in einem größeren Umbruch. Grund dafür ist natürlich Windows 2000. Aufgrund der engen Verknüpfung der Server-Produkte untereinander und wegen ihrer Integration mit dem Betriebssystem müssen Sie das ganze Paket möglichst bald nach Erscheinen von Windows 2000 auf einmal erneuern. Werden Sie diesmal ihre Zeitpläne einhalten können?

MUGLIA: Die Eckpfeiler von Backoffice waren immer Windows, Exchange und SQL Server. Deshalb werden wir letztere noch innerhalb des ersten Halbjahres 2000 auf den Markt bringen. Einen genauen Zeitplan für die anderen Server-Produkte kann ich derzeit noch nicht angeben. Das Bundle Backoffice 2000 - so wird es wahrscheinlich heißen - erscheint einen Monat nach Fertigstellung des letzten Programms.

CW: Sie bewerben Backoffice ständig damit, daß alle Bestandteile so eng integriert sind. Wenn nun die einzelnen Programme mit großem Zeitabstand auf Windows 2000 umgestellt werden, dann ergeben sich doch Probleme bei der Koexistenz dieser Komponenten. Beispielsweise könnte die etwas ältere Version von SMS den SQL Server 2000 außer Gefecht setzen, weil sie wichtige DLLs überschreibt?

MUGLIA: Unsere Kunden installieren jede Server-Anwendung typischerweise auf einen eigenen Rechner, nehmen also einen Computer für Exchange, einen für SQL-Server und einen weiteren für den SNA-Server. Deshalb ist die Gefahr der DLL-Konflikte dort nicht gegeben.

CW: Aber das Backoffice-Paket muß auf einem Rechner eingerichtet werden.

MUGLIA: Ja, Backoffice wird zumeist für Abteilungen oder Zweigstellen verwendet. Dort werden die Anwendungen im allgemeinen nicht einzeln, sondern alle auf einmal auf die neue Version umgestellt.

Die von Ihnen angesprochenen DLL-Konflikte rühren vor allem daher, daß Anwendungen Systemkomponenten verändern. Mit Windows 2000 wollen wir eine strenge Trennung zwischen den Applikationen und dem Betriebssystem durchsetzen. Unter dem NT-Nachfolger werden weder Server-Programme wie SQL Server oder Exchange noch Desktop-Anwendungen wie Office das Betriebssystem verändern.

CW: Office 97 und 2000 üben diesbezüglich aber keine Zurückhaltung.

MUGLIA: Es stimmt, Office nimmt massenhaft Änderungen am Betriebssystem vor. Dies gilt freilich nur für die aktuellen Versionen von Windows. Wir haben Office 2000 so konzipiert, daß es keine einzige Systemdatei anrührt, wenn es unter Windows 2000 installiert wird. Das gleiche gilt auch für Backoffice. Wenn eine Anwendung die Veränderung des Betriebssystems erfordert, dann werden wir diese nicht mehr über die Applikation, sondern über Service-Packs für Windows 2000 installieren.

CW: Mit Windows 2000 wird die Verflechtung zwischen dem Betriebssystem und den Backoffice-Programmen dennoch enger. Anwender legen sich stärker auf die Microsoft-Plattform fest, beispielsweise weil sie das Active Directory einsetzen müssen. Glauben Sie nicht, daß viele Firmen davor zurückschrecken?

MUGLIA: Ich glaube nicht, daß sich Anwender zukünftig stärker auf Microsoft einlassen müssen. Wenn Sie heute eine Datenbank benötigen, dann installieren Sie einfach den SQL Server auf einen NT-Rechner. Genau das Gleiche wird auch mit Windows 2000 und SQL-Server 2000 gehen - ohne weitere Verpflichtung auf andere Microsoft-Techniken. Wenn sich Anwender aber entschlossen haben, Exchange unternehmensweit für die Kommunikation zu nutzen, dann sind sie auch heute schon stark an unsere Plattform gebunden. Der Umstieg auf das Active Directory bedeutet für solche Unternehmen keine stärkere Festlegung auf Microsoft.

CW: Die meisten Analysten gehen davon aus, daß Linux einen erheblichen Teil des Server-Marktes erobern wird. Viele Hersteller portieren deshalb ihre Anwendungen auf das freie System. Beabsichtigt auch Microsoft, Backoffice für Linux anzubieten, oder sind Sie da dogmatisch auf Windows festgelegt?

MUGLIA: Wir haben momentan keine Pläne, unsere Backoffice-Applikationen auf andere Plattformen zu portieren. Ich glaube, daß wir unseren Kunden am besten dienen, wenn wir die optimalen Lösungen für Windows anbieten. Es gäbe durchaus einen Markt für den SQL Server unter Solaris, aber es ist besser, wenn wir die Möglichkeiten unserer Plattform gänzlich ausreizen.

CW: Für die Entwicklung von verteilten Anwendungen unterstützen fast alle maßgeblichen Hersteller Enterprise Javabeans (EJB) und Corba. Microsoft fährt weiter seinen einsamen COM-Kurs. Wie begründen Sie das gegenüber Ihren Kunden?

MUGLIA: Viele Hersteller reden zwar von EJB, ihre Umsetzung in Produkte ist sehr unterschiedlich. Es sieht nicht danach aus, als bestünde Kompatibilität zwischen Anwendungen, die auf dieser Basis entwickelt werden. Sie können zwar untereinander Daten austauschen, aber dazu sind wir auch in der Lage. Aus diesem Grund versehen wir viele unserer Produkte mit XML-Unterstützung.

CW: Wird Anwendern, die schon Corba nutzen, das bloße Angebot zum Datenaustausch reichen?

MUGLIA: COM und Corba beruhen auf der synchronen Ausführung entfernter Funktionen via RPC. Der Trend geht aber klar zu Messaging Queuing. Dabei erweitern wir unser Objektmodell um die Fähigkeit zur asynchronen Kommunikation über Internet-Standards wie HTTP. Auf diese Weise vereinfacht sich auch das Problem der Interoperabilität zwischen COM und Corba.

CW: Auch für Message Oriented Middleware (MOM) zeichnet sich mit dem Java Messaging Service (JMS) eine Standard-Schnittstelle ab. Die unterstützen Sie auch nicht?

MUGLIA: Wenn ein Unternehmen sich strategisch beispielsweise auf MQ Series festgelegt hat, dann kommen wir ihm entgegen, indem wir für Interoperabilität zwischen der IBM-Software und der in Windows 2000 eingebauten MOM sorgen.

CW: Java-Programmierer können mittels JMS für MOM aller möglichen Anbieter entwicklen, nur nicht für Microsoft Message Queueing (MSMQ). Ist Ihnen die Java-Gemeinde egal?

MUGLIA: Wir ignorieren die Java-Entwickler nicht. Unsere Java-Version unterstützt alle unsere APIs. Java bietet zahlreiche Enterprise-Schnittstellen. Sie sind aber nur der kleinste gemeinsame Nenner. In der Praxis schreiben auch Java-Entwickler unterschiedlichen Code, wenn sie für CICS oder für Tuxedo programmieren.

CW: Insgesamt gilt Microsofts Unterstützung für Server-seitiges Java als eher mäßig.

MUGLIA: Sun hat den Rechtsweg gewählt, um Microsoft daran zu hindern, die Java-Plattform um Innovationen zu bereichern. Wir investieren immer noch in Java, aber es ist für uns wegen Suns Politik schwieriger geworden.

CW: Microsoft hat sich nun auch des Themas Wissens-Management angenommen. In diesem Zusammenhang gibt es eine Reihe von Ankündigungen und Codenamen, aber eine klare Ausrichtung ist nicht zu erkennen. Könnten Sie kurz Ihre Strategie in diesem Bereich darlegen?

MUGLIA: Das ist relativ einfach. Am Client positionieren wir dafür Office, die meisten Backend-Dienste übernimmt Exchange. Wenn es um Business Intelligence geht, kommt auch der SQL Server ins Spiel.

CW: Für Unklarheit hat auch die Ankündigung des Digital Dashboard gesorgt. Nun kristallisiert sich heraus, daß es sich dabei um ein Portal auf Basis von Office handelt. Wer will in Zeiten Web-basierter Portale auf proprietäre Technik zurückgreifen?

MUGLIA: Ich halte das Digital Dashboard nicht für ein weiteres Portal. Es bietet mir die Möglichkeit zu personalisierbaren Ansichten, sei es auf Kalender, Mail oder eben Portale. Mein Digital Dashboard enthält zum Beispiel eine Sicht auf die Portale unserer Geschäftseinheiten. Bei Portalen handelt es sich um Server-seitige Funktionen, die Informationen als HTML-Seiten zum Client bringen. Wir bieten selbst Software an, mit denen sich Portale einfach erstellen lassen. Das Digital Dashboard bringt Informationen aus allen möglichen Quellen auf dem Client zusammen. Deswegen läßt es sich auch offline nutzen.

CW: In Ihrem Bemühen, Exchange für das Knowledge Management aufzuwerten, bewerben sie die Version 2000 als Speicherort für alle schwach strukturierten Daten. Zusätzlich soll das neue Release eine Workflow Engine und Funktionen für das Dokumenten-Management umfassen. Welche Ziele verfolgen Sie mit Exchange 2000 im Workflow- und DMS-Markt?

MUGLIA: Wenn wir bei Exchange über Workflow reden, meinen wir nicht die Abläufe innerhalb von Geschäftsprozessen. Diese werden durch ERP-Systemen wie SAP R/3 abgedeckt. Uns geht es mehr um den Knowledge Management Workflow. Wir haben erst kürzlich ein Update für Office Developer (Codename "Grizzly") ausgeliefert, das dafür einige Funktionen bietet, beispielsweise für die Vorgangsverfolgung. Es setzt im Backend auf den SQL Server auf. Eine zukünftige Version wird sich für diese Zwecke Exchange zunutze machen.

Exchange 2000 wird den sogenannten Webstore umfassen, ein Speichersystem, das sich besonders für Dokumente eignet. Wir wissen aber noch nicht, ob wir zusätzliche DMS-Funktionen, die wir unter dem Codenamen "Tahoe" angekündigt haben, in Exchange integrieren oder als separates Produkt verkaufen. DMS-Anbieter verwenden heute meistens eine SQL-Datenbank für die Verwaltung der Dokumente, speichern diese aber im Dateisystem. Wir sehen bei vielen Firmen in dieser Branche großes Interesse, zukünftig als Dokumentablage den Webstore zu nutzen.