Microsoft runderneuert Dynamics NAV

24.11.2008
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Version 2009 des Navision-Nachfolgers soll vor allem mit der neuen Oberfläche glänzen.

Mit einjähriger Verspätung bringt Microsoft "Dynamics NAV 2009" Anfang Dezember auf den Markt. Wegen "technischer Herausforderungen" hatte die Entwicklung länger gedauert. Im Unterschied zur bisherigen Navision-Software, bei der viele Funktionen auf dem Client ausgeführt werden, liegt die Geschäftslogik auf einem .NET-Applikations-Server. Augenfälliger für den Nutzer ist hingegen das neue Frontend ("Role Tailored Client"). Anwender erhalten darüber eine Startseite, die ihnen aufgabenspezifische Funktionen, Berichte und Informationen, per Outlook eingegangene E-Mails sowie Termine präsentiert. Ein Einkaufssachbearbeiter beispielsweise erhält so einen Überblick über anstehende Bestellungen, Einkaufsanfragen, Reklamationen und -gutschriften sowie eine Kreditorenübersicht nebst Berichten. Andere Funktionsbereiche blendet die Oberfläche dagegen aus. Über Menüs lässt sich das Interface anpassen.

Einstieg für ERP-Neulinge

Darüber hinaus unterstützt Dynamics NAV 2009 Web-Services. Firmen können damit ERP-Funktionen leichter mit Drittsoftware koppeln. Ferner lassen sich darüber Internet-Dienste wie etwa Online-Auktionen oder Straßenkarten in Geschäftsabläufe einbinden.

Softwarenutzer sollen mit Hilfe der neuen Benutzeroberfläche gezielter arbeiten können, ohne sich in umfänglichen Menüs zu verlieren. Ferner erwartet Microsoft, dass ERP-Neulinge sich rasch einarbeiten können. Pilotkunden, die den Role Tailored Client unter dem bereits verfügbaren ERP-Release "Dynamics AX 2009" (vormals Axapta) nutzen, bestätigen dies.

Beim neuen Release hat sich Microsoft auf die Technikplattform konzentriert. Neue Geschäftsfunktionen bietet die Software gegenüber dem Vorgänger Dynamics NAV 5.0 hingegen nicht. "Wer schon Dynamics NAV 5 nutzt, muss sich überlegen, ob er den Role Tailored Client benötigt", erläutert Christian Hestermann, Research Director ERP beim Beratungshaus Gartner. Oft sind es mittelständische Unternehmen, die das Microsoft-Produkt nutzen. Gartner zufolge liegt die durchschnittliche Anzahl der NAV-Benutzer pro Anwenderfirma bei zirka 25. Nicht alle Firmen sind indes bereits auf dem Versionsstand 5.0, sondern manche verwenden ältere Releases. Neue ERP-Funktionen sind für das nächste NAV-Release vorgesehen, mit dem frühestens in zwei Jahren zu rechnen ist.

Partner müssen Software anpassen

Microsoft-Partner haben eigene Applikationen auf Basis von Navision entwickelt und müssen diese nun umstellen. "Microsoft modernisiert beherzt, aber es migriert sich nicht leicht auf die neue Lösung", so Helmuth Gümbel, ERP-Analyst bei Strategy Partners. Es komme jetzt darauf an, was die Partner daraus machten. "Ohne Partner läuft bei Microsoft gar nichts."

Die Migration vollzogen hat bereits das Partnerunternehmen Tectura aus Münster. Die Firma hatte im Rahmen des Technical-Adaption-Programms, einer Art Betaprogramm, die eigene NAV-Lösung "Tectura Prozessfertigung" für die Chemiebranche nebst einem Zusatzbaustein für das Qualitäts-Management auf die neue Applikation konvertiert und bei dem Anwenderunternehmen D.M. Ingredients GmbH aus Ibbenbüren erfolgreich zum Laufen gebracht. Der größte Teil des Quellcodes ließ sich über Tools automatisch umsetzen, an manchen Stellen war Handarbeit erforderlich. Modifikationen waren auch bei den vordefinierten Benutzerrollen vonnöten. Beispielsweise mussten Tectura-Spezialisten ein Frontend der Chemiebranchensoftware für einen Labormitarbeiter erzeugen. Andere vorgegebene Rollen waren an die speziellen Bedürfnisse des Anwenders anzupassen.

Tectura wurde bei dem Projekt intensiv von Microsoft betreut. Andere Partner werden bei ihren Vorhaben mit weniger Unterstützung auskommen müssen.

Dynamics NAV 2009 in Kürze

Architektur:

Ablösung der veralteten Zwei-Schichten-Architektur mit "fettem" Client zugunsten einer Drei-Schichten-Umgebung mit neuem .NET-Applikations-Server. Voraussetzung dafür ist der SQL Server. Die native Datenbank C/Side wird jedoch noch unterstützt.

Role Tailored Client:

Anwender erhalten je nach Rolle und Aufgabe im Unternehmen eine Startseite, die nur die erforderlichen Funktionen und Inhalte bereithält. Den alten Navision-Client gibt es weiterhin.

Berichtswesen:

Über den Client bekommen Nutzer vorgefertigte, auf ihre Rolle zugeschnittene Berichte. Zudem lassen sich eigene Reports viel leichter als bisher erzeugen.

Web-Services:

Jede Tabelle und Codebox kann als Web-Service beschrieben und so anderen Programmen bereitgestellt werden. Dies soll die Anwendungsintegration sowie die Kopplung von Internet-Diensten vereinfachen.

Partnerlösungen:

Microsoft-Partner müssen ihre auf Navision aufsetzenden Programme umwandeln und Benutzerrollen anlegen, die zu den jeweiligen branchenspezifischen Lösungen passen. Bei der Programmumstellung sind unter anderem alle Formulare ("Forms") von Navision in "Pages" von Dynamics NAV 2009 zu überführen. Forms beinhalten Benutzerdialoge und Darstellungen von Geschäftsinformationen; Pages sind das Pendant zu den Forms unter der neuen Oberfläche. Transformationswerkzeuge konvertieren zwar Forms in Pages. Die Tools versagen indes, wenn Partner in den Forms Codezeilen hinterlegt haben, was nicht selten der Fall ist. Solche Anweisungen müssen Entwickler manuell aus den Forms entfernen und in dafür vorgesehenen Containern ("Codeunits") speichern.

Was bringt der Umstieg?

Wer bereits NAV 5.0 einsetzt, erhält keine zusätzlichen Funktionen, sondern eine neue Technikplattform und das modernere Frontend. Pilotkunden berichten aber, dass Anwender die Benutzeroberfläche akzeptieren, sich besser zurechtfinden und die neuen Reporting-Möglichkeiten schätzen. Wer neue ERP-Funktionen erwartet, muss mindestens noch zwei Jahre auf die Folgeversion warten.

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