Microsoft revidiert Portalstrategie

01.12.2005
Von Wolfgang Sommergut 

Mehrere Portalanwendungen

Auf der Grundlage der WSS plant Microsoft eine Reihe von Anwendungen. Dieses Vorhaben ist in weiten Teilen vergleichbar mit IBMs "Workplace Collabo- ration Services". Die zwei Firmen setzen zwar auf unterschiedliche Plattformen (Java versus .NET) und verpacken ihre Funktionen auf je eigene Weise zu Produkten. In Bezug auf die Features und ihre Präsentation gegenüber dem Anwender überwiegen jedoch die Gemeinsamkeiten.

Microsoft möchte neben den Collaboration-Tools, die zum Lieferumfang von Windows gehören, solche für Business Intelligence und Enterprise-Content-Management (ECM) sowie eine Suchmaschine anbieten. Eine Zwischenposition nimmt derzeit noch der MS-Project-Server ein. Er beruht bisher noch auf einer eigenen Architektur und soll in der nächsten Version auf die Sharepoint Services aufsetzen.

Fahrplan steht noch nicht

Wie die geplanten Funktionen letztendlich auf bestimmte Produkte verteilt werden, hält sich Microsoft laut Mike Fitzmaurice, Senior Product Manager für WSS, noch offen. Im Gespräch mit der computerwoche deutete er an, dass die Zukunft des Sharepoint Portal Server in seiner jetzigen Form noch keineswegs gesichert sei. Es bestehe etwa die Möglichkeit, seine zwei Hauptaufgaben - die Aggregierung von WSS- Sites und die Suchmaschine - zu trennen.

Aufgrund der Konkurrenz mit Google und IBM misst Microsoft der Enterprise-Suche einen besonderen Stellenwert zu. Die auf den Entwicklungen von MSN beruhende Technik soll in verschiedene Produkte integriert werden. So müssen sich die WSS zukünftig nicht mehr mit dem Index-Server der relationalen Datenbank begnügen, sondern erhalten die gleiche Suchmaschine wie jene, die auch auf Anwendungsebene oder in Exchange E12 ihren Dienst verrichten wird. Allerdings beschränkt sie sich in den WSS auf die Recherche in einer einzigen Site. Die Enterprise-Suche soll in der nächsten Ausführung erheblich mehr Datenquellen indizieren können als bisher. Darunter fallen dann etwa auch kaufmännische Applikationen.

Neu in Sharepoint Services 3

  • Zweistufiger Papierkorb zur Wiederherstellung gelöschter Dokumente;

  • erweiterte Versionierung von Einträgen ("minor Versions");

  • stark erhöhte Speicher- kapazität;

  • Integration der Windows Workflow Foundation;

  • Sicherheitseinstellungen auf Dokumentenebene;

  • Check-in und Check-out;

  • Plug-in-Konzept für Authentifizierung;

  • rechteabhängige Benutzeroberfläche;

  • Topologien aus separaten Web-Frontends, Applikations-Servern und Datenbanken möglich;

  • zentrale Administration von Sharepoint-Farmen;

  • erweiterte E-Mail-Funktionen.

Basis für Office-Server

Neben den Funktionen, die Teil der WSS sind (Team-Collaboration) oder bisher vom SPS erbracht wurden, kommen solche hinzu, die von "Office-Servern" stammen. Bereits seit längerer Zeit gab es Gerüchte über derartige Software, unter anderem war in diversen Online-Diensten von einem "Excel-Server" die Rede. Obwohl Microsoft die geplanten Portalanwendungen noch nicht bestimmten Produkten zuordnen will, zeichnet sich ab, dass die Kalkulations-Engine von Excel Teil einer größeren Business-Intelligence-Komponente wird. Sie soll auch die analytischen Funktionen und Reporting-Möglichkeiten integrieren, die der SQL Server 2005 bereitstellt. Sie könnte als Gegenstück zu IBMs "Workplace Business Strategy Execution" gesehen werden, die erst kürzlich auf den Markt kam.

Enterprise-Content-Management

Ein Schwerpunkt des kommenden Portalportfolios liegt auf dem Enterprise-Content-Management (ECM). Microsoft verwendet diesen Begriff ähnlich unscharf wie viele andere Hersteller in diesem Segment. Auf Basis der Sharepoint-Services soll ein leichtgewichtiges Dokumenten-, Records- und Web-Content-Management entstehen. Business-Process-Management, das die großen ECM-Anbieter als Bestandteil ihres Portfolios betrachten, weist Microsoft als separates Feature aus.

Im Fall des Dokumenten-Managements lässt sich derzeit noch nicht absehen, wie weit Microsofts Ambitionen reichen und ob sie den vielen mittelständischen Anbietern gefährlich werden. Deren Domänen, nämlich die Erfassung von papierenen Dokumenten, Eingangspostverarbeitung und Archivierung, stehen vorerst nicht auf der Feature-Liste von Microsoft. Sanjay Manchanda, Director of Portals, erklärte auf dem IT-Forum gegenüber der computerwoche, dass Partner das Input-Management abdecken würden. So verhandle das Unternehmen etwa mit Kofax oder Captiva, das kürzlich von EMC übernommen wurde.