Microsoft rät zu Suse Linux

06.11.2006
Eine enge Kooperation mit Novell weckt größte Befürchtungen im Linux-Lager.

Bis zum Jahr 2012 sind Microsoft und Novell Verbündete - und zwar ausgerechnet in Sachen Linux, das der Softwareriese aus Redmond bisher als "Krebsgeschwür" bekämpft hat. Microsoft-Chef Steve Ballmer kommentierte das Abkommen damit, dass man die Verbreitung des quelloffenen Betriebssystems nicht länger ignorieren könne: "Unsere Kunden wollen, dass sich Windows und Linux vertragen."

Das Abkommen sieht vor, dass Microsoft seinen Kunden, sofern sie sich gegen Windows-Produkte entscheiden, Novells Suse Linux empfiehlt. Dafür zahlt Novell dem Partner einen festen Prozentsatz seiner Linux-Lizenzeinnahmen. Umgekehrt kauft Microsoft von Novell in jedem Jahr der Vertragslaufzeit 70 000 Coupons, mit denen Microsoft-Kunden jeweils ein Jahr kostenlosen Support von Novell für das Betriebssystem bekommen. Beide Unternehmen wollen ferner darauf verzichten, die Anwender und Entwickler der Systemumgebungen des jeweiligen Partners wegen Patentverletzungen zu verklagen.

Außerdem vereinbarten die Partner, ein gemeinsames Entwicklungszentrum einzurichten, das sich auf drei Bereiche konzentrieren wird: Erstens soll Linux in virtuellen Maschinen in Microsoft-Umgebungen und umgekehrt ein virtuelles Windows auf Linux laufen können.

Zweitens sollen die Verzeichnisdienste Active Directory und eDirectory harmonisiert werden. Drittens wollen die Partner eine Interoperabilität der Dokumentenformate von Office und Open Document schaffen.

Das Abkommen rief unterschiedliche Reaktionen hervor. Laut Tim Jennings von der Butler Group bringt es beiden Seiten bessere Verkaufsargumente für heterogene Umgebungen. Mehrere IDC-Analysten erklären in einem Dokument: "Dies ist eine folgenschwere Beziehung mit dem Potenzial, die IT-Landschaft massiv zu verändern." Die von beiden Seiten angestrebte Interoperabilität der Systeme sei "von größter Wichtigkeit für die Anwender".

Führende und besonnene Köpfe aus dem Open-Source-Lager - aber auch etliche Analysten - haben Bedenken gegen einen juristischen Aspekt des Abkommens. Darin heißt es, Entwickler seien vor Patentklagen geschützt, wenn ihre Arbeit Suse Linux zugute kommt oder nicht mit beruflichen Tätigkeiten zusammen hängt. Weil aber die überwältigende Mehrheit der Linux-Entwickler dieser Arbeit nicht nach Feierabend, sondern hauptberuflich nachgeht, sind im Umkehrschluss alle Beiträger zu Red Hat, Debian oder anderen Distributionen bedroht.

Entwickler in Aufregung

Vor Microsofts gewaltiger Kriegskasse sicher wäre nur noch eine Linux-Entwicklung über Novells Suse - und hier säße die Gates-Company als Wachhund vor der Tür. Das steht im Widerspruch zur Präambel der GNU General Public License (GPL). Die stellt unter anderem fest, dass "jedes Patent jedermann zur freien Verwendung überlassen werden muss oder überhaupt nicht lizenziert werden darf".

Indirekt hat Novell auch der alten Redmonder Behauptung zugestimmt, Linux verletze Microsoft-Patente. Dies und die kaum verhaltene Drohung gegen den Großteil der Open-Source-Gemeinde sind auf massive Kritik gestoßen. Novells Zentraleuropa-Chef, Volker Smid, bestätigte gegenüber der computerwoche erhebliche Widerstände seitens der Entwickler. Um sie auszuräumen, war er eigens ins Suse-Zentrum nach Nürnberg geeilt. Er gehe allerdings davon aus, dass die Vertragspraxis die Kritiker verstummen lassen werde. (ls)