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Microsoft-Partner schießt Eigentor

28.03.2007
Der Grevener Microsoft-Partner Neutrasoft hat sich mit seiner Software für die Energiewirtschaft auf der CeBIT als Testsieger feiern lassen. Doch die Studie, auf die sich Neutrasoft bezog, hat es nie gegeben.

"Jetzt ist es schwarz auf weiß: Was die Integrations- und Zukunftsfähigkeit sowie die Innovationssicherheit im liberalisierten Markt anbelangt, sind die Softwarelösungen von Neutrasoft aktuell die beste Alternative zu SAP" - so tönte Microsofts Gold Certified Partner in einer Pressemitteilung, die rechtzeitig zur CeBIT am 13. März 2007 veröffentlicht wurde. Das Unternehmen bezog sich auf eine Studie der Novoris Consultants GmbH, Haltern.

In dem Report seien die Produkte von Schleupen, Wilken, SIV und Neutrasoft auf Herz und Nieren geprüft worden. Im Mittelpunkt der Untersuchung habe die Umsetzung der Vorgaben der Bundesnetzagentur für die Energiewirtschaft gestanden (2-Vertragsmodell). De facto wurde diese Studie nie fertig gestellt. Auf eine Abmahnung des Ulmer Rivalen Wilken GmbH hin unterschrieb Neutrasoft eine Unterlassungserklärung und versprach, nicht mehr mit der Studie zu werben.

Auch die RWE Systems, die laut Neutrasoft an der Studie beteiligt gewesen sein soll, bestreitet jede Mitwirkung. Sie habe Novoris im Vorfeld lediglich ihre Einschätzung zu den aufgestellten Testkriterien gegeben. Novoris-Chef Dietmar Hütter gab sich auf Anfrage der COMPUTERWOCHE kurz angebunden: "Die Studie gibt es nicht, sie wurde wieder eingestellt." Auf die Frage, warum, sagte Hütter: "Kein Kommentar!"

Einen aggressiven Werbeauftritt hatte Neutrasoft auf der CeBIT.
Einen aggressiven Werbeauftritt hatte Neutrasoft auf der CeBIT.

Neutrasoft-Geschäftsführer Petr Bradatsch rätselt selbst, warum die Studie nicht erschienen ist. Er vermutet, dass sie aufgrund von Klagen einiger Konkurrenten zurückgezogen worden ist. Sein Unternehmen habe selbst, ebenso wie einige andere Häuser, den umfangreichen Fragebogen und sämtliche Feature-Listen ausgefüllt. "Wir haben locker einen Tag Software präsentiert", so Bradatsch. Zur CeBIT habe dann bereits eine Kurzzusammenfassung vorgelegen, aus der Neutrasoft als Sieger hervorgegangen sei. Sein Unternehmen sei davon ausgegangen, dass die Studie planmäßig vorliegen würde und habe deshalb damit geworben und in der Pressemitteilung auch darauf verlinkt.

Beim Rivalen Wilken ist derweil der Ärger groß, zumal Neutrasoft mit der vermeintlichen Studie aktiv auf die Energieversorger zugegangen war und sich als Testsieger präsentiert hatte. "Falsch zu informieren und sich grundlos feiern zu lassen, ist ein in der Branche bislang einzigartiger Skandal", ereifert sich Geschäftsführer Andreas Lied in einer Presseerklärung. "Das ist eine Nepper-, Schlepper-, Bauernfängermentalität, die nur ein Anbieter hat, der mit dem Rücken zur Wand steht", so der Wilken-Chef.

Nach Darstellung der Ulmer hatten die Initiatoren der Wilken GmbH im Vorfeld der Erhebung am Telefon vorgegaukelt, die Untersuchung finde im Interesse von RWE Systems statt. Schnell habe sich gezeigt, dass das nicht stimmte. Deshalb habe das Softwarehaus wesentliche Aussagen zum Datenmodell verweigert. "Wie will man Marktneuheiten von Wilken wie den Regulierungsmanager bewerten, ohne sie jemals gesehen zu haben", fragt Prokurist Olaf Strathmann. (hv)