Microsoft muss Netscape-Browser wieder ernst nehmen

31.10.2001
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Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Seit Ende Oktober gibt es den "Navigator 6.2". Bereits mit der Version 6.1 meldete sich die AOL-Tochter Netscape als ernst zu nehmender Konkurrent im Browser-Markt zurück. Die Software setzt einige schon länger bestehende Web-Standards getreu um. Microsoft nimmt dies für den Internet Explorer (IE) 6.0 ebenfalls in Anspruch. Für Web-Anwendungen der nächsten Generation eröffnen sich damit zahlreiche neue Möglichkeiten.

Nach dem Ausstieg von Netscape aus der aktiven Browser-Entwicklung und der Übergabe des Quellcodes an das Open-Source-Projekt "Mozilla" im Jahr 1998 fiel der Navigator 4.x nicht nur technisch immer mehr hinter Microsofts Internet Explorer zurück. Auch beim Marktanteil verlor Netscapes Web-Frontend gegenüber seinem Rivalen erheblich an Boden. So sieht die Zugriffsstatistik der Computerwoche-Website den IE mit rund 60 Prozent klar an der Spitze, während Netscape und damit kompatible Clients auf nur zirka die Hälfte davon kommen. Microsoft verdankt den Erfolg seines Browsers nicht nur dessen technischen Qualitäten, sondern natürlich auch dem umstrittenen Bundling mit Windows.

Voreiliges Update

Der Versuch der AOL-Tochter, die lange währende Update-Pause Ende letztes Jahres mit der voreiligen Freigabe des Navigator 6.0 zu beenden, erwies sich als grandioser Fehlschlag. Die Company wollte sich wohl nicht damit abfinden, dass die De-facto-Neuentwicklung des Browsers im Mozilla-Projekt länger dauerte als erwartet. Sie griff daher auf den Code von Mozilla 0.6 zurück, eine offenkundig noch nicht produktionsreife Ausführung des Open-Source-Browsers. Umso mehr überraschte nun die Stabilität und Darstellungsgeschwindigkeit des Browsers Netscape 6.1, der kürzlich freigegeben wurde. Die Software fußt auf Mozilla 0.9.2.1, der freie Browser selbst hat mittlerweile schon die Version 0.9.5 erreicht.

Neben der erfreulichen Tatsache, dass eine alltagstaugliche Version von Netscape/Mozilla wieder den Wettbewerb im Browser-Markt belebt, können Entwickler nun endlich auf erweiterte technische Möglichkeiten bei beiden führenden Web-Frontends bauen. Freilich handelt es sich dabei nicht um den letzten Schrei in puncto Web-Technik, sondern um Standards, die vom W3-Consortium teilweise schon vor Jahren verabschiedet wurden. Vor allem zu nennen sind in diesem Zusammenhang Cascading Style Sheets 1 (CSS1) und das Document Object Model Level 1 (DOM1). Netscape 6.1 setzt beide vollständig um, Microsoft leistet dies mit dem IE 6.