Windows-Hersteller gegen Migration von Unix auf Linux

Microsoft macht Druck auf Anwender

30.11.2001
MÜNCHEN (CW) - Dass immer mehr Anwender von Unix-Systemen auf Intel-Rechner mit Linux statt Windows migrieren, macht Microsoft nervös. Die Vertriebsmannschaft wurde angewiesen, die Anwender auszuforschen und aggressiv zu bearbeiten.

Microsoft-Manager schäumen vor Wut angesichts sich häufender Meldungen über Linux-Erfolge in großen DV-Umgebungen. So hat Amazon im letzten Geschäftsquartal durch eine Migration auf Linux seine IT-Kosten um 25 Prozent gesenkt. Bei Intel belaufen sich die Ersparnisse in diesem Jahr gar auf 200 Millionen Dollar. In beiden Fällen waren Unix-Systeme von Sun durch Intel-basierende Server mit Linux ersetzt worden (siehe CW 46/01, Seite 46).

Dass bei solchen Migrationen nicht Microsoft zum Zuge kommt, hat weniger finanzielle als vielmehr technische Ursachen. Der Umstieg von Unix auf Linux ist relativ einfach, so dass in Open-Source-Kreisen bereits der Spruch kursiert: "Unix ist ein Linux-ähnliches Betriebssystem." Die Folge ist auch, dass sich Unix-gewohntes IT-Personal nach sehr kurzer Zeit in der quelloffenen Umgebung zurechtfindet.

Das bestätigt selbst Brian Valentine, Microsofts Senior Vice President der Windows-Division, in einer internen Mail an die Sales-, Marketing- und Services-Group seines Unternehmens. Die Kunden "haben von teuren Unix-Risc-Lösungen die Nase voll" und wollten "auf Intel-Plattformen migrieren". Doch allzu häufig komme dabei nicht Microsoft mit Windows 2000 zum Zuge. "Weil Linux Unix sehr ähnlich und die Portierung von Unix-Applikationen auf Linux nicht schwer ist, müssen wir jetzt leider die Erfahrung machen, dass die Kunden ihre Anwendungen auf Intel-Plattformen mit Linux bringen."

Anscheinend hat Valentine solche Entscheidungen so oft beobachtet, dass er Linux zum größten Microsoft-Rivalen ernannt hat. In dem Memo, das dem britischen News-Dienst "The Register" zugespielt wurde, formuliert Valentine einen denkwürdigen Satz: "Linux ist langfristig die Bedrohung für unser Kerngeschäft. Vergesst das niemals!"

Valentine fordert von den Mitarbeitern aggressiveres Auftreten bei den Anwendern: "Ihr solltet eure Kunden aus jeder Richtung in die Mangel nehmen, und wenn ihr bei ihnen Linux und/oder IBM seht, dann räumt es aus dem Weg. Lasst Linux keinen einzigen Erfolg." Valentine empfiehlt, die Anwender auszuforschen: "Wenn ihr das bei euren Kunden noch nicht getan habt, geht durch ihre Rechenzentren, nehmt ein Inventar der Rechner von Sun, IBM etc. auf und fragt, was auf denen läuft."

Derlei mag noch zum Grundrepertoire eines Vertriebsbeauftragten in der DV-Branche gehören, doch Valentine will mehr, wie seine weiteren aggressiven Forderungen zum Umgang mit den Anwendern belegen: "Bringt in Erfahrung, was sie mit diesen Systemen machen, notiert es euch - tätowiert es euch notfalls auf den Arsch - und bearbeitet sie. Macht sie nieder - eine Maschine, eine Applikation, eine Abteilung nach der anderen."

Demgegenüber ist eine andere Anti-Linux-Initiative Microsofts von erfrischender Harmlosigkeit. Anwender, die bis zum 15. Dezember dieses Jahres von Linux auf Windows 2000 Server umgestellt haben, sind aufgerufen, sich bei Microsoft zu melden. Den schönsten Beispielen winken Gewinne, bezeichnenderweise unter anderem ein Gutschein für ein PR-Seminar. Die Open-Source-Community diskutiert derweil, ob und wie man die Preisträger für überragende Dummheit auszeichnen sollte. (ls)