Hohe Rabatte und kostenlose Dienstleistungen für 16000 PC-Arbeitsplätze

Microsoft lockt Stadt München mit Gratisleistungen

23.05.2003
MÜNCHEN (wh) - Im Rennen um die IT-Ausstattung der Stadt München zieht Microsoft alle Register. Nachdem eine Studie zunächst Linux präferiert hatte, machte der Softwarekonzern nun weitreichende Zugeständnisse. Der von der Stadt beauftragte Berater Unilog Integrata änderte daraufhin seine Empfehlung zugunsten einer reinen Microsoft-Lösung.

Wie aus gut unterrichteten Quellen der Stadt München zu erfahren ist, hat das zuständige Amt für Informations- und Datenverarbeitung (Afid) eine Beschlussvorlage erarbeitet, über die der Stadtrat am 28. Mai abstimmen soll. Darin empfehlen die IT-Experten für die rund 16000 PC-Arbeitsplätze der Stadt eine Konfiguration aus Microsoft-Produkten.

Das Afid stützt sich auf einen Ergänzungsbericht der Unilog Integrata Unternehmensberatung GmbH, die in ihrer Ende letzten Jahres vorgelegten Client-Studie ursprünglich dem quelloffenen Betriebssystem Linux mit Open-Source-Anwendungen den Vorzug gegeben hatte. In dem Ergänzungsbericht, der der COMPUTERWOCHE vorliegt, schreibt Unilog Integrata nun, es sei Microsoft gelungen, "die Empfehlung für die künftige Client-Konfiguration zu ,drehen''".

Der kürzlich geschlossene Rahmenvertrag zwischen dem Bundesinnenministerium (BMI) und dem US-Konzern habe dazu wesentlich beigetragen (siehe CW 16/03, Seite 8). Diese Regelungen gelten grundsätzlich für alle Anwender in der öffentlichen Verwaltung. Darüber hinaus macht Microsoft der Landeshauptstadt individuelle Zugeständnisse.

Microsoft-Chef Steve Ballmer hatte Anfang April einen Schiurlaub in der Schweiz unterbrochen und Oberbürgermeister Christian Ude besucht. In dem Gespräch sagte Ballmer günstigere Konditionen für die Landeshauptstadt zu, die laut dem Unilog-Bericht anschließend in mehreren "Workshops" und "Informationsgesprächen" konkretisiert wurden. Ende April legte Microsoft demzufolge ein neues "Gesamtangebot für die Stadt München" vor.

45 Prozent Rabatt

Der BMI-Vertrag sieht unter anderem für alle Behörden Rabatte von 45 Prozent auf den Listenpreis für einzelne Produkte aus Microsofts Office-Suite vor. Über flexiblere Lizenzmodelle könnten einzelne Organisationsbereiche gestaffelt dem Vertrag beitreten und so Kosten sparen. Unilog Integrata führt zudem "Absichtserklärungen" an, denen zufolge Microsoft in Sicherheitsfragen enger mit dem Amt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zusammenarbeiten werde. Ebenso habe der Hersteller zugesagt, "in Fragen offener Standards sowie der Offenlegung von Schnittstellen, Protokollen und Datenformaten" stärker mit dem Bundesinnenministerium zu kooperieren.

Darüber hinaus führt der Ergänzungsbericht Vorteile im Zusammenhang mit dem neuen Anwendungspaket "Office 2003" an, die in der ursprünglichen Studie nicht berücksichtigt worden seien. Dazu zähle etwa die durchgängige XML-Unterstützung, aber auch eine im Vergleich zu Office XP längere Nutzungsdauer: Microsoft unterstütze das Paket nach der Markteinführung im Mai bis zum Jahr 2010. Gegen eine einmalige Zahlung von 250000 Euro bietet der Hersteller der Stadt München an, die Unterstützung für Windows XP von Juni 2008 auf Ende 2009 zu verlängern.

Neu bewertet wird zudem der Einsatz der PC-Emulationssoftware "Virtual PC", die Microsoft im Zuge der Übernahme der Firma Connectix erworben hat.

Zu den individuellen Angeboten für die Stadt München zählen unter anderem die kostenlose Bereitstellung von Sicherheitsfixes für alte Windows-NT-Systeme während der Migration, daneben eine kostenlose Einführungsunterstützung und vergünstigte Schulungssoftware (Computer-based Training = CBT). Berücksichtige man alle veränderten Punkte, so Unilog Integrata, könne die Stadt unterm Strich umfangreiche haushaltswirksame Leistungen einsparen.

Neues Angebot von Suse Linux

Die Berater beschreiben auch ein neues Angebot der Suse Linux AG, das unter anderem eine Kooperation mit der TU München, den Abschluss eines Wartungsvertrags und kostenlose Linux-Distributionen für alle städtischen Mitarbeiter beinhaltet. Eine ähnlich ausführliche finanzielle Betrachtung dieser Faktoren wie im Fall Microsoft findet sich jedoch nicht durchgängig. Vielmehr wird die Linux-Lösung mit der gleichen Gesamtsumme angesetzt wie in der ursprünglichen Studie. "Die neue Empfehlung von Unilog Integrata hat uns doch sehr überrascht", sagt Karl Aigner dazu, Vertriebsbeauftrager für die Stadt München bei der Suse Linux AG. Er kenne den Bericht bislang nur aus Pressemeldungen. "Eine monetäre Bewertung unseres Angebots wurde anscheinend komplett außen vor gelassen."

Als problematisch wertet Unilog Integrata zumindest einen Aspekt des Microsoft-"Gesamtangebots": Der Hersteller schaffe "eine sehr enge Verbindung" zwischen der Entscheidung für die Stadtverwaltung und den Zusagen zur Unterstützung der städtischen Schulen, dem so genannten Schulprojekt. "Dadurch entsteht der Eindruck, dass Microsoft versuchen könnte, über Investitionen in das Münchner Schulprojekt Einfluss auf die Entscheidungen im Verwaltungsbereich zu nehmen." Zwar habe der auf Europa-Ebene verantwortliche Manager auf Nachfrage erklärt, "dass zentrale Zusagen von Microsoft für eine Beteiligung am Münchner Schulprojekt grundsätzlich auch dann gelten, wenn im Verwaltungsbereich eine Entscheidung gegen Microsoft getroffen wird". Allerdings müsse sich die Landeshauptstadt laut Unilog Integrata generell die Frage stellen, "ob Microsoft überhaupt ein möglicher Partner für das Schulprojekt sein kann, wenn die Entscheidung über das Engagement an wirtschaftliche Bedingungen gekoppelt wird".