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Microsoft legt 385 Protokolle und APIs offen

05.08.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Microsoft hat heute im Rahmen einer Telefonkonferenz Stellung zum Stand des vorgeschlagenen Vergleichs mit dem US-Justizministerium und neun einzelnen Bundesstaaten genommen. Der im November vergangenen Jahres vereinbarte Entwurf ist bislang noch nicht genehmigt. Trotzdem wird Microsoft einige der Vereinbarungen bereits umsetzen. Im Detail geht es um Folgendes:

Mit dem für Ende August bis Mitte September angekündigten Service Pack 1 (SP1) für Windows XP können Endnutzer und PC-Hersteller den Zugriff auf Internet Explorer, Windows Media Player, Outlook Express, Windows Messenger und Java Virtual Machine (JVM) - im Prozess als "Middleware" bezeichnet - ausblenden und alternativ andere Software installieren (dies war bereits bekannt). Für Windows 2000 ist dies bereits mit dem in der letzten Woche veröffentlichten SP3 implementiert;

Windows APIs: Am 28. August wird Microsoft insgesamt 272 interne Schnittstellen zwischen Betriebssystem und seiner Middleware dokumentieren und auf MSDN veröffentlichen;

"Communications Protocol Licensing Program": Am morgigen Dienstag, dem 6. August, will das Unternehmen 113 neue (= bislang nicht öffentliche) Protokolle offen legen, die bei der Kommunikation zwischen Windows Desktop und Server verwendet werden. Diese waren zuvor teilweise noch nicht einmal über Shared Source zugänglich. Die Protokolle sind auf rund 5000 Seiten dokumentiert und können von Third Parties in Lizenz genommen werden. Preise und Details können interessierte Unternehmen nach Unterzeichnung eines Stillschweigeabkommens einsehen;

Die OEM-Windows-Lizenzen für die 20 größten PC-Hersteller werden vereinheitlicht und flexibler (bereits Ende vergangenen Jahres vorläufig eingeführt).

Der Konzern legt mit seinen "August Milestones" insgesamt 385 Protokolle und Programmierschnittstelle offen. Eine einzige aus dem Bereich Desktop-Server-Kommunikation bleibt auch weiterhin geheim - die für "Windows File Protection" nämlich (und an deren Veröffentlichung kann wirklich niemand interessiert sein). Zunächst nicht publiziert wird außerdem die Spec für Secure RPC (Remote Procedure Calls) - allerdings nur deswegen, weil diese ein Sicherheitsloch enthält; die korrigierte Version wird anschließend öffentlich. Richterin Kollar-Kotelly muss weiterhin die endgültige Entscheidung darüber treffen, ob der von Microsoft proaktiv befolgte Vergleichsvorschlag im öffentlichen Interesse ist und damit Bestand haben kann. Mit der EU, die ebenfalls gegen Microsoft ermittelt, hat Microsoft seine neuen Maßnahmen noch nicht besprochen. Insbesondere die Veröffentlichung der Kommunikationsprotokolle zwischen Desktop und Server dürfte aber auf

die Brüsseler Ermittlungen entscheidenden Einfluss haben.

Für Erheiterung sorgten am Rande der Telefonkonferenz die Rechenkünste von Generaljustiziar Brad Smith, der während der Telefonkonferenz die ganze Zeit von 395 veröffentlichten Schnittstellen und Protokollen sprach. Erst auf Nachfrage eines Reuters-Journalisten zählte Smith 272 und 113 noch einmal zusammen und kam dann selbst auf 385. "I just can't add up", scherzte der General Counsel. (tc)