Anhörungen im EU-Kartellprozess

Microsoft kämpft gegen Sanktionen

08.10.2004
MÜNCHEN (CW) - Microsoft ist weiter bemüht, die von der EU-Kommission verhängten Auflagen bis zu einer Entscheidung des Berufungsverfahrens aussetzen zu lassen. In einer zweitägigen Anhörung vor dem Gericht erster Instanz des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verteidigte der Softwarekonzern einmal mehr die Kopplung des "Media Player" mit dem Windows-Betriebssystem.

Der Markt für Digital-Media-Software werde keineswegs von Microsoft beherrscht, wie von den EU-Kartellwächtern dargestellt, argumentierten Firmenanwälte. So belege beispielsweise der Einstieg von Apple und Sony in den Download-Musikmarkt, dass Anwender durchaus zwischen unterschiedlichen Medienformaten wählen könnten. Sollte Microsoft gezwungen werden, den Media Player von Windows zu entkoppeln, würde das Geschäftsmodell des Unternehmens nachhaltig beschädigt. Zudem entständen Entwicklern und Nutzern zusätzliche Kosten.

Wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht hatte die EU-Kommission Microsoft im März zu einem Bußgeld von 497 Millionen Euro verurteilt und gleichzeitig harte Sanktionen verhängt. Der Konzern soll in Europa eine Windows-Version ohne den Media Player auf den Markt bringen und zugleich Konkurrenten im Server-Markt Schnittstelleninformationen für Windows-Clients zur Verfügung stellen. Microsoft hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und zudem per einstweilige Verfügung gefordert, die Auflagen bis zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung auszusetzen. Letzteres käme im dynamischen Softwaremarkt fast einem Freispruch gleich, da das Verfahren mehrere Jahre dauern könnte.

In der Anhörung vor dem Richter Bo Vesterdorf führte EU-Jurist Per Hellstrom das Beispiel des Browser-Anbieters Netscape ins Feld, dessen Marktanteil von 80 auf weniger als zehn Prozent gefallen sei, nachdem Microsoft den "Internet Explorer" mit dem Windows-Betriebssystem gekoppelt habe. "Wenn sich Microsofts Produkte einmal im Markt etabliert haben, ist diese Entwicklung nicht mehr rückgängig zu machen", warnte Hellstrom. Vor sechs Jahren habe Real Networks für seinen "Real Player" noch doppelt so viele Nutzer verzeichnet wie Microsoft mit dem Media Player. Inzwischen habe sich das Verhältnis umgekehrt.

An diesem Punkt mussten sich die EU-Kommissionsvertreter indes auch Kritik von Vesterdorf gefallen lassen. Ausdrücklich erkundigte er sich nach dem Sinn von Sanktionen, deren Wirksamkeit man gar nicht beurteilen könne. Der Richter bezog sich dabei auf die Frage, ob eine Entkoppelung von Windows und dem Media Player tatsächlich zu mehr Wettbewerb im Markt führen würde.

Umstritten blieb auch die Forderung zur Offenlegung von Windows-Schnittstelleninformationen. Microsofts Konkurrenten soll es damit erleichtert werden, Server-Software für Netze mit Windows-Clients zu erstellen. Andernfalls drohe auch im Server-Segment eine Dominanz des Softwaremultis, argumentieren die Wettbewerbshüter. Microsoft lehnt das Verlangen mit der Begründung ab, die Herausgabe geistigen Eigentums würde ebenfalls einen nicht wieder gutzumachenden Schaden bedeuten. Vesterdorf fragte dazu Vertreter der EU-Kommission, ob es nicht möglich sei, die Offenlegung der Informationen zeitlich zu befristen.

Eine gütliche Einigung der Parteien, wie sie Vesterdorf noch vor der Anhörung angeregt hatte, scheint vor diesem Hintergrund eher unwahrscheinlich. Der Jurist muss nun abwägen zwischen der unternehmerischen Autonomie einerseits und Auflagen zur Sicherung des Wettbewerbs andererseits. Eine Entscheidung soll nach Angaben aus EU-Kreisen binnen zwei Monaten fallen. (wh)