Microsoft kämpft gegen Gebrauchtsoftware

05.08.2008
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Nachdem ein Münchner Gericht Usedsoft den Handel mit gebrauchten Oracle-Lizenzen untersagt hat, will nun auch Microsoft Profit aus dem Urteil schlagen.

Die Microsoft-Verantwortlichen hoffen, zum entscheidenden Schlag gegen die Geschäfte mit gebrauchten Lizenzen ausholen zu können. Seit etwa zwei Jahren hat sich hierzulande ein schwunghafter Handel mit gebrauchter Software etabliert. Das ist den Herstellern allerdings ein Dorn im Auge, weil der Second-Hand-Markt die eigenen Lizenzeinnahmen schmälert, auch wenn der Effekt heute noch gering ist. Deshalb versuchen die Softwareanbieter, den Markt so gut es geht klein zu halten.

Dieser Konflikt hat in den vergangenen Jahren zu einer Reihe von Gerichtsverfahren geführt - zum Teil mit widersprüchlichen Urteilen. Mit dem jüngsten Richterspruch glaubt Microsoft - obwohl nicht selbst am Verfahren beteiligt -, dass nun eine klare Entscheidung den Second-Hand-Handel reglementiert. Dabei bezieht sich der Konzern auf ein Urteil des Oberlandesgericht München (Aktenzeichen: 6 U 2759/07). Dort hatten die Richter Anfang Juli dem Münchner Lizenzhändler Usedsoft den Weiterverkauf von gebrauchter Oracle-Software untersagt.

Mit dem Urteil endet vorerst ein über zwei Jahre währender Streit. Oracle hatte eine einstweilige Verfügung gegen Usedsoft erwirkt, weil der Händler für online vertriebene Oracle-Lizenzen geworben hatte, verbunden mit der Aufforderung, die entsprechende Software von der Website der Herstellers herunter zu laden. Damit sahen die Oracle-Verantwortlichen ihre Urheberrechte verletzt, speziell das Recht auf Vervielfältigung. Dieser Auffassung folgten auch die Richter in München. Sie bestätigten die einstweilige Verfügung durch alle Instanzen, auch im Hauptsacheverfahren, das am 3. Juli mit dem Urteil des OLG München endete.

Microsoft: Das Urteil schafft Klarheit

Mit dem Gerichtsentscheid sehen nun auch die Microsoft-Verantwortlichen ihren Standpunkt bestätigt. "Das Urteil schafft endlich Klarheit", behauptet Dorothee Belz, Director Law & Corporate Affairs von Microsoft. Die Entscheidung bestätige die Auffassung des Softwarekonzerns, dass die Rechteinhaber selbst entscheiden könnten, ob Nutzungsrechte an ihrer Software weiter lizenziert werden könnten. Der Konzern sieht in dem Urteil weit reichende Auswirkungen auf die gesamte Branche der Gebrauchtsoftwarehändler und deren Kunden. Der Richterspruch bilde einen Schlusspunkt in der Diskussion um gebrauchte Software zugunsten der Softwarehersteller, heißt es in einer offiziellen Mitteilung.

Dass es in dem Verfahren explizit um Oracle-Software ging, stört die Microsoft-Justiziare nicht. Sie berufen sich darauf, dass das OLG München in der schriftlichen Urteilsbegründung ausgeführt habe, dass der Vertrieb gebrauchter Software generell einer Zustimmung der jeweiligen Rechteinhaber bedürfe. Dies gelte nicht nur für Software, die per Download in den Verkehr gebracht werde, sondern auch für den Handel mit gebrauchten Original-Datenträgern. Demnach ist aus Sicht Microsofts der An- und Verkauf von Vervielfältigungsrechten ohne die Zustimmung des Unternehmens unwirksam und damit urheberrechtswidrig.

Auf Seiten der Lizenzhändler stieß diese Interpretation heftigen Widerspruch. "Die Microsoft-Darstellung ignoriert in eklatanter Weise die Sachlage", kritisierten Usedsoft-Vertreter. Das aktuelle Urteil beziehe sich ausschließlich auf Oracle-Software, nicht auf Produkte anderer Anbieter. Laut der COMPUTERWOCHE vorliegenden Unterlagen hatten selbst Oracle-Vertreter im Laufe des Verfahrens explizit darauf hingewiesen, dass der eigene Fall anders gelagert sei, als der Handel mit Microsoft-Lizenzen. Offenbar fürchtete der Datenbank- und Middleware-Spezialist einen negativen Ausgang des Verfahrens, sollten Lizenzaspekte aus dem Microsoft-Umfeld mit einbezogen werden. Der Grund: In den zurückliegenden Monaten hatte es eine Reihe von Verfahren mit Beteiligung Usedsofts gegeben, in denen die Richter in ihren Urteilsbegründungen die Rechtmäßigkeit des Second-Hand-Handels mit Microsoft-Produkten ausdrücklich bestätigt hatten.

Usedsoft verweist auf Erschöpfungsgrundsatz

Einhelliger Tenor der Richter aus Sicht von Usedsoft: Der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz, wonach der Rechteinhaber den weiteren Vertrieb eines Produktes nicht weiter reglementieren darf, wenn es einmal in Umlauf gebrachte worden ist, dürfe nicht durch die Lizenzbestimmungen der Softwarehersteller eingeschränkt werden.

"Hier geht es auch ums Prinzip", erklärte Peter Schneider, Geschäftsführer des Münchner Händlers. "Wir werden es nicht hinnehmen, dass ein deutsches Gericht fundamentale Rechtsgrundsätze dermaßen missachtet. Wir werden vor dem Bundesgerichtshof (BGH) für einen in vollem Umfang liberalisierten Softwaremarkt kämpfen." Vorerst muss der Händler allerdings den Weg vor das höchste deutsche Gericht über eine "Nichtzulassungsbeschwerde" erzwingen. Das OLG hatte in seiner Urteilsbegründung die Möglichkeit einer Revision ausgeschlossen. "Für die Zulassung der Revision gibt es keine Gründe", heißt es in dem Schriftstück. "Die Rechtslage ist klar und eindeutig und bedarf weder einer Bestätigung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) noch durch den BGH." Angesichts der widersprüchlichen Urteilsbegründungen ist diese Einschätzung für viele Rechtsexperten jedoch nur schwer nachzuvollziehen. Usedsoft geht davon aus, dass es ein Jahr dauern könnte, bis die Revision zugelassen wird, und weitere zwei bis drei Jahre, bis ein Urteil des BGH vorliegt.

"Das Urteil hat besondere Auswirkungen vor allem für solche Anwender, die gebrauchte Microsoft-Volumenlizenzen im Einsatz haben oder diese gerade erwerben", lässt der Softwarekonzern durchblicken.

Dabei steht für den Konzern in erster Linie die Frage nach der Zustimmung im Mittelpunkt. Microsoft fordert, dass Händler und die beteiligten Verkäufer und Käufer für jede Lizenzübertragung das Einverständnis des Herstellers erfragen. Werde diese nicht eingeholt, sei der Deal nicht rechtens, stellten die Microsoft-Vertreter klar. Welche Konsequenzen das für die Kunden hat, ist noch nicht abzusehen. In der Vergangenheit habe man über 90 Prozent der Anfragen auf Lizenzübertragung zugestimmt, behaupten Microsoft-Vertreter. Außerdem werde man mit betroffenen Kunden in Dialog treten, um eine rechtmäßige Lizenzierung sicherzustellen.

Das könnte sich in Zukunft allerdings ändern. Die härtere Gangart Microsofts macht sich bereits bemerkbar. War in den alten Verträgen ein Widerspruch gegen die Übertragung der Lizenz nur aus triftigen Gründen möglich, schließen die Klauseln der aktuellen Verträge einen Weiterverkauf von vornherein aus. Versuche von Kunden, diesen Passus aus den Verträgen zu streichen, waren bis in die Konzernzentrale nach Redmond eskaliert worden.

Händler in der Zwickmühle

Für die Lizenzhändler bedeutet dies einen Balanceakt. Sie müssen versuchen, Kunden- wie Herstellerbedürfnissen gerecht zu werden, und alle Beteiligten zu informieren, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Die Preo Software AG aus Hamburg verweist auf ihren eigenen Angaben zufolge klar strukturierten und ISO-zertifizierten Übertragungsprozess. Oberste Priorität habe die Transparenz bei den Lizenzübertragungen. Damit will der Händler gewährleisten, dass alle beteiligten Parteien, Käufer, Verkäufer und Hersteller nachvollziehen können, woher die entsprechenden Lizenzen kommen und an wen sie verkauft werden. Die Übertragung in Übereinstimmung mit den Transferprozessen der Hersteller garantiere eine hohe Rechtssicherheit.

Die jüngsten Entwicklungen sieht Boris Vöge, Vorstand von Preo, allerdings mit gemischten Gefühlen. Eigentlich sollten die Interessen der Kunden im Mittelpunkt aller Handlungen stehen. Diese würden jedoch nur unzureichend thematisiert.

Auch der Münchner Händler USC zeigt sich irritiert: "Für einen Nichtjuristen ist es schon etwas verwunderlich, wie Richter in München zu diesem Thema fast völlig entgegengesetzt urteilen", meint Walter Lang, Geschäftsführer von USC. Es sei schon fast Glück, welchen Richter man zu diesem Thema erwische. Der Münchner Händler sieht sein Geschäft jedoch nicht durch die jüngsten Entscheidungen bedroht. Man habe schon in der Vergangenheit wiederholt vor den Stolperfallen gewarnt. Die USC-Verantwortlichen verweisen darauf, dass sie eng mit den Softwareherstellern kooperieren. Um als Kunde Rechtssicherheit zu haben, sei bei der Übertragung von Volumenlizenzen grundsätzlich das Einverständnis des Herstellers einzuholen, betont der Lizenzhändler. Die Zurückhaltung und das vorsichtige Agieren setze sich durch, lautet das Fazit der Geschäftsführung.

Allerdings sei dieser Kurs in der Vergangenheit nicht immer einfach gewesen, räumt USC-Geschäftsführer Peter Reiner ein. Man habe den Kunden manche Lizenzen nicht in der gewünschten Stückelung anbieten können, da Microsoft dem Herauslösen aus Volumenverträgen nie zugestimmt habe. Das sei ein klarer Wettbewerbsnachteil gewesen.