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Microsoft gibt der HD-DVD-Fraktion Schub

28.06.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Toshiba und Microsoft haben ein "Memorandum of Understanding" unterzeichnet, bei der Entwicklung eines Standards für DVDs der nächsten Generation zusammenzuarbeiten. Teile des Embedded-Betriebssystems Windows CE sollen in HD-DVD-Player integriert werden, die das Format "iHD" für interaktive DVDs unterstützen. Die erste Generation von HD-DVD-Abspielgeräte soll rechtzeitig vor Weihnachten 2005 auf den Markt kommen, wird aber noch nicht iHD-fähig sein.

Das Abkommen basiert auf einem "Cross-Licensing Agreement" zur gegenseitigen Nutzung von Patenten, das beide Unternehmen im April dieses Jahres abgeschlossen haben. Die Nutzung von Windows-CE-Technik erspart Toshiba einige Entwicklungsarbeiten. Dadurch stärkt es die Position des Unternehmens im Gerangel um die nächste Generation von DVDs. Toshiba führt eine Industriegruppe an, die HD-DVD favorisiert. Kontrahent ist eine Fraktion um Sony, die für Blu-Ray-DVDs als Standard eintritt. Bill Gates betont, Microsoft bleibe in der Auseinandersetzung neutral. Aber der Softwareriese gehört nur der HD-DVD-Gruppe an und hat ihr durch das Abkommen mit Toshiba mehr Gewicht verliehen.

Kürzlich waren, wie hier berichtet, Verhandlungen zwischen Sony und Toshiba über einen einheitlichen Industriestandard für DVDs der zweiten Generation gescheitert. Damit geht die Konkurrenz zwischen den Techniken Blu-Ray und HD-DVD (High-Density Digital Versatile Disc) weiter. Beide Techniken verwenden DVDs mit einem Durchmesser von 120 Millimetern und einen blauen Laser mit einer Wellenlänge von 405 Nanometern, während heutige DVDs mit roten Lasern der Wellenlänge 650 Nanometer ausgestattet sind. Die kürzere Wellenlänge macht es möglich, die DVDs enger als bisher zu beschreiben, und führt so zu höheren Speicherkapazitäten. Damit aber enden die Gemeinsamkeiten.

Sony hat mit Matsushita Electric die Blu-Ray-DVD entwickelt. Sie hat auf einem Layer ein Speichervolumen von 25 GB und bei dem zu erwartenden Massenprodukt mit zwei Schichten 50 GB. Es gibt bereits Prototypen mit vier Layern und 100 GB Kapazität. Zum Blu-Ray-DVD-Lager zählen neben Sony die Unternehmen Panasonic, Pioneer, LG, Philips, die Filmstudios Walt Disney, MGM und 20th Century Fox sowie die PC-Spieleentwickler Electronic Arts und Vivendi Universal Games.

Ihnen gegenüber stehen Toshiba, NEC, Intel, IBM, Sanyo, Microsoft TDK sowie die Filmkonzerne Warner Bros., Paramount, Universal Studios und New Line Cinema. Diese unterstützen die Toshiba-Entwicklung der HD-DVD. Diese Scheibe fasst auf einem Layer 15 GB und beim Standard-Dual-Layer 30 GB. Auch Modelle mit drei Layern sind in der Entwicklung.

Das Scheitern der Gespräche zwischen Sony und Toshiba rückt einen Nachfolgestandard für die 4,7 GB fassende heutige DVD in weite Ferne. Dabei schien eine neue Norm längst gefunden zu sein. Das zuständige "DVD Forum" entschied sich am 19. November 2003 für HD-DVD. Allerdings fiel schon damals das Votum in dem Gremium mit acht zu sechs Stimmen knapp aus. Das Format Blu-Ray-Disc wurde dem DVD Forum bisher nicht zur Standardisierung vorgeschlagen. Blu-Ray- und HD-DVD sind nicht miteinander kompatibel. Das letztgenannte System hat den Vorteil, dass es keine neuen Presswerke für die Silberscheiben erfordern würde und früher auf den Markt kommen könnte. Blu-Ray ist hingegen das technisch fortschrittlichere System.

Ohne eine Einigung auf ein hybrides DVD-System dürften die Konsumenten beim Kauf zögern, um nicht zu einem System zu greifen, dass sich vielleicht nicht durchsetzen wird. Es droht ein Formatkampf wie in den 80er Jahren um die Videosysteme VHS, Video 2000 und Betamax, aus dem das qualitativ schlechteste Format, VHS, als Sieger hervorging. Die Anbieter können einen Markt nicht erschließen, den das Londoner Marktforschungsunternehmen Informa Telecom and Media Group auf ein Volumen von 49 Milliarden Dollar bis 2010 schätzt. (ls)