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Microsoft gerät zunehmend unter Druck

29.05.2000
Forum 2000 auf Ende Juni verschoben

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Eigentlich wollte Microsoft am kommenden Donnerstag, dem 1. Juni, im Rahmen seines "Forum 2000" Details der Initiative "Next Generation Windows Services" (NGWS) vorstellen. Auf Grund der aktuellen Entwicklung im Kartellprozess hat der Softwareriese die Veranstaltung auf den 22. Juni vertagt.

Grund sind offenbar Bedenken, die Situation im Antitrust-Verfahren - eine Entscheidung soll noch in dieser Woche fallen - könnte die wichtige strategische Ankündigung in den Schatten stellen. Microsofts PR-Agentur Waggener Edstrom erklärte in einer E-Mail an Pressevertreter, der Konzern habe sich auf Grund der Aussagen von Richter Jackson zu der Verschiebung des Forum 2000 entschlossen, auf dem Microsoft-Chef Steve Ballmer rund 400 geladenen Journalisten die "Vision, Strategie und technische Roadmap" des Unternehmens erläutern wollte. "Eine Urteilsverkündung in dieser Woche würde Interesse und Konzentration von unserem Event ablenken", hieß es.

Bei NGWS handelt es sich um Microsofts Vision einer Verschmelzung seiner Anwendungen mit dem Internet. Offenbar handelt es sich dabei um eine Softwareplattform, mit der sich Clients, Server und Websites integrieren lassen. Details der Pläne sind allerdings noch nicht bekannt. Eines aber ist klar: Vor dem Hintergrund der bisherigen Argumentation im Kartellprozess kann eine entsprechende Ankündigung nur neues Wasser auf die Mühlen der Kläger bedeuten.

DOJ und Bundesstaaten fordern weiterhin Zweiteilung

Am Freitag hatten die Kläger im Antitrust-Prozess, das US-Justizministerium (Department of Justice = DOJ) und 17 von ursprünglich 19 Bundesstaaten, ihren Plan für eine Aufteilung von Microsoft (Computerwoche.de berichtete) nur geringfügig modifiziert und Richter Jackson wie gefordert vorgelegt. Der Richter hatte zuvor angedeutet, dass aus seiner Sicht eine Dreiteilung des Konzerns (Betriebssysteme, Anwendungen und Internet-Software) sinnvoller sei als die von der Anklage vorgesehene Teilung in nur zwei Unternehmensteile, die sich jeweils auf Betriebssysteme und Anwendungssoftware konzentrieren sollen.

Geändert haben sich gegenüber dem ersten Entwurf nur Kleinigkeiten. Zum einen wurde der Personenkreis von Microsoft-Mitarbeitern, die künftig nur noch Anteile an einer der beiden Teilfirmen halten dürften, auf Manager beschränkt, denen mindestens fünf Prozent der Microsoft-Aktien gehören. Ausgenommen wurde allerdings ausdrücklich Microsoft-Mitgründer Paul "Cable Guy" Allen, der mit dem operativen Geschäft seit Jahren nichts mehr zu tun hat. Ferner wurde die Frist, nach der die im endgültigen Urteil verhängten Strafen wirksam werden sollen, von zuvor 30 nun auf 90 Tage verlängert. Außerdem haben sich die Kläger bemüht, der von Richter Jackson geforderten klareren Trennung von Begriffen wie "Technologie" und "Produkt" Rechnung zu tragen.

Microsoft-Sprecher Jim Cullinan erklärte, die revidierten Forderungen der Anklage enthielten "keinerlei Überraschungen" und seien wie gehabt "übertrieben und unbefugt". Es habe sich nichts an der Tatsache geändert, dass eines der erfolgreichsten Unternehmen der USA zerschlagen werden solle, so Cullinan weiter. "Sie wollen weiterhin geistiges Eigentum im Wert von Milliarden von Dollar konfiszieren und sicher stellen, dass Microsoft als einziges Unternehmen nicht mehr am freien Wettbewerb teilnehmen kann", klagte der Firmensprecher. Die Microsoft-Anwälte kritisierten draüber hinaus Richter Jackson scharf, weil er nach einer mündlichen Anhörung beider Seiten am vergangenen Mittwoch sämtliche Anträge auf Ladung von Sachverständigen abgelehnt hatte.

Klare Sache: Microsoft geht in die Berufung

Microsoft hat nun bis zum Mittwochnachmittag Zeit, seine letzte Erwiderung auf die Pläne der Regierung einzureichen. Diese dürfte genauso wenig neue Argumente enthalten wie der von Cullinan kritisierte DOJ-Vorschlag. Bereits im Vorfeld hatten Microsoft-Verantwortliche klar gemacht, dass der Konzern gegen eine wie auch immer geartete Entscheidung von Richter Jackson in die Berufung gehen wird.

Sobald das Unternehmen einen entsprechenden Antrag vorlegt, hat die Regierung 15 Tage Zeit, um zu entscheiden, ob die Angelegenheit direkt an den Supreme Court, das höchste Gericht der Vereinigte Staaten, weitergeleitet wird. Diese Entscheidung obliegt dem Generalbundesanwalt (Solicitor General) in Absprache mit dem Chef der Kartellbehörde, Joel Klein, sowie dem Oberstaatsanwalt. Es gilt als sicher, dass diese Troika aus Zeitgründen eine Weiterleitung an den Supreme Court befürworten wird.

Ob dieser allerdings die Aufgabe annimmt, ist keineswegs sicher. Im Allgemeinen fordert das Höchste Gericht im Vorfeld möglichst viele niedrigere Instanzen, bevor es sich einer heiklen Sache widmet. Sollte der Supreme Court den Fall übernehmen, dürfte mindestens ein weiteres Jahr ins Land gehen, bevor das endgültige Urteil fällt.