Microsoft erwirkt einstweilige Verfuegung gegen Werbung der Provo- Company Novell zieht den Know-how-Kauf eigener Entwicklungsarbeit vor

01.04.1994

MUENCHEN/HANNOVER (hi) - Der Kampf um die Vorherrschaft im lukrativen PC-Softwaremarkt ist voll entbrannt. Praktisch ueber Nacht bekam Microsoft mit Novell einen ernst zu nehmenden Gegner. Durch die Akquisition von Wordperfect und Quattro Pro formierte sich die Netware-Company zum Applikationsanbieter Nummer zwei. Nur eine Frage der Zeit ist vermutlich die komplette Uebernahme von Borland.

Im Ringen um Marktanteile scheint auch hierzulande der Wettbewerb haerter zu werden. So erwirkte die Microsoft GmbH waehrend der CeBIT eine einstweilige Verfuegung gegen Novell wegen wettbewerbswidriger Werbung fuer das DOS-Betriebssystem der Networking-Company. Damit tappte die Unterschleissheimer Niederlassung des Softwaregiganten prompt in die Public-Relations-Falle der Duesseldorfer und bescherte diesen die eingeplante Publicity. Denn hinter vorgehaltener Hand erzaehlten Mitarbeiter des DOS-Emporkoemmlings schon fuenf Tage vorher jedem stolz, man habe den Branchenfuehrer so weit provoziert, dass dieser mit gerichtlichen Schritten drohe.

Unter anderem Vorzeichen steht dagegen die Situation in den USA. Dort versucht Novell, die Justizbehoerden zu einer Ermittlung gegen Microsoft zu bewegen. Das Unternehmen aus Provo wirft Microsoft vor, die hauseigenen Anwendungsprogrammierer frueher als die Wettbewerber ueber neue Betriebssystem-Entwicklungen zu informieren. Ein Problem, das fuer die Netware-Company nach dem Erwerb von Wordperfect und Quattro Pro zur existentiellen Frage wird, da sich das Unternehmen vom Netz- zum Applikationsanbieter wandelt.

Die neuerliche Shopping-Tour ist, wie es in Provo heisst, eine Reaktion auf die Marktbeduerfnisse, die eine engere Verknuepfung von Netzstruktur und Applikationen noetig machen. Im Gegensatz zum Wettbewerber Microsoft, der laut Novell bisher mit wenig Erfolg den eigenstaendigen Einstieg in das Networking-Business sucht, glauben die Netzwerker an einen anderen Weg: Statt kostenintensiver Eigenentwicklung sei die Partnerschaft mit etablierten Marktfuehrern wie Wordperfect erfolgversprechender.

Bleibt nur abzuwarten, wann Novell den Rest von Borland kauft. Eine geplante vollstaendige Uebernahme von Borland wollte das Unternehmen nicht bestaetigen - aber auch nicht dementieren. Moegliche Akquisitionen diskutiere man nicht oeffentlich.

Novell greift Microsoft im Groupware-Sektor an

Neben Microsoft sieht Novell Lotus als kuenftigen Konkurrenten im Bereich Groupware. Hier wollen die Roten mit einer Groupware- Familie, bestehend aus Wordperfect Office, Wordperfect Informs sowie Softsolutions, gegen Lotus Notes antreten.

Insider bezweifeln, dass die Company die verschiedenen Unternehmensgruppen sinnvoll integrieren kann. Eine Skepsis, die durch eine Novell-Presseerklaerung noch genaehrt wird: Das Quattro- Pro-Entwicklungsteam soll demnach ins Novell-Stammhaus ziehen, waehrend der Produktsupport bei Wordperfect erfolgt, das als eigenstaendige Novell-Tochter weiterexistiert.

Ebenso wirft das Unix-Engagement Fragen auf. So heisst es mittlerweile bei Novell, dass man die Vorteile von Unixware und Netware in einem neuen Betriebssystem verschmelze, das als Plattform fuer Netzwerkdienste und -applikationen diene.