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Thema des Tages

Microsoft: Das Imperium schlägt zurück

03.09.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Sun Microsystems´ Kauf des Softwareherstellers Star Division hat Microsoft offensichtlich doch nicht so kalt gelassen, wie anfangs proklamiert. Nur zwei Tage nach der Ankündigung des Konkurrenten, die Star-Software kostenlos im Web zur Verfügung zu stellen (CW Infonet berichtete), lud die Gates-Company gestern zur Pressekonferenz, um nun ihrerseits neue Strategien in Richtung Web-basierter Office-Software bekanntzugeben. Microsoft-President Steve Ballmer verkündete: "Wir werden mit Sicherheit Internet-basierte Office-Pakete anbieten, daran besteht kein Zweifel." Nähere Einzelheiten oder Termine zu den Produkten wollte er jedoch nicht nennen.

Nach wochenlangen Gerüchten hatte Sun am Dienstag die Akquisition der in Hamburg gegründeten Star Division bestätigt und die Bereitstellung des Softwarepaketes Star-Office zum Nulltarif angekündigt. In Kürze soll eine Web-Anwendung namens "Star Portal" folgen, die auf Star Office aufbaut. Analysten erwarten nun erhebliche Einbrüche für Microsoft, das im vergangenen Jahr 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus den Einnahmen seiner Office-Suite generierte. Ballmer spielte diese Bedrohung auf der Konferenz jedoch herunter: "Seit Jahren schon konkurrieren wir mit Star Division. Aber die Kunden interessieren sich für zwei Dinge: Funktionalität und Kompatibilität. Star Office ist auf keinem der beiden Gebiete gut. Ob Star Office im Internet ankommt, müssen wir erst einmal abwarten." Er stellte ferner in Frage, ob die Kunden tatsächlich sämtliche Anwendungen über das Internet beziehen wollen. Viele Benutzer würden nach wie vor lieber ihre

eigene Software auf ihrem PC installieren, statt die Anwendungen via Server im Netz zu verwenden. Zudem würden die Kunden die Kompatibilität ihrer Dokumente und Tabellenkalkulationen, die sie über lange Zeit aufgebaut haben, nicht einfach aufgeben. Ob dieses Argument zieht, ist fraglich, denn mit Star Office können auch Microsoft-Word-Dokumente problemlos geöffnet und bearbeitet werden. Im übrigen laufen die Star-Anwendungen auch auf dem offenen Betriebssystem Linux, das zunehmend an Popularität gewinnt.

Einige Analysten vermuten hinter dieser Produkt-Ankündigung eine oft praktizierte Finte der Gates-Company: Um die Käufer zu verwirren und Marktentscheidungen zu verzögern, werden Produktneuerungen bereits verkündet, bevor an ihnen entwickelt wird.

Auf der Pressekonferenz bestätigte Ballmer außerdem die anhaltenden Spekulationen um die Besetzung des Chefsessels in der Microsoft Internet-Gruppe. Wie erwartet wird Richard Belluzzo, der vor kurzem überraschend seine Position als CEO (Chief Executive Officer) von Silicon Graphics aufgab, Group Vice President der Consumer and Commerce Group. Er wird direkt an Ballmer berichten. Belluzzo soll diese schwächelnde Division des Softwareriesen auf Vordermann bringen und AOL und Yahoo von den ersten beiden Plätzen im Internet-Markt verdrängen. Eine weitere Aufgabe wird im Rahmen einer einheitlichen Internet-Strategie die Integration der bislang getrennt voneinander operierenden Einheiten MSN-Internet und Web-TV sein, die sich einerseits überlappen und andererseits gegenseitig Konkurrenz machen. Brad Chase und Jon DeVaan, die bis dato gemeinschaftlich die Internet-Division von Microsoft geleitet haben, wurden zu Senior Vice Presidents befördert und unterstehen

künftig Belluzzo.

Die Suche nach einem geeigneten Kopf für die Consumer and Commerce Group hatte sich als schwierig gestaltet. Informierte Kreise berichten, daß verschiedene Kandidaten den Posten abgelehnt hatten, darunter der seit langem pausierende Microsoft-Executive Brad Silverberg und Mark Booth, Ex-Chef der British Sky Broadcasting.