Web

Thema des Tages

Michael Capellas wird neuer Compaq-Chef

23.07.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Ein Mann aus den eigenen Reihen leitet künftig die Geschicke von Compaq. Chairman Benjamin Rosen gab gestern bekannt, daß Michael Capellas (44) die Nachfolge des geschaßten Eckhard Pfeiffer als President und CEO (Chief Executive Officer) antritt.

Die Wahl eines internen Kandidaten kam für die meisten Beobachter überraschend. Bei der seit April andauernden Suche nach einem geeigneten externen Bewerber, mit der Compaq den Headhunter-Veteranen Gerard Roche von Heidrick & Struggles beauftragt hatte, zeigte sich rasch, daß etliche potentielle Anwärter - unter anderem Gregory Brenneman von Continental Airlines - Angst vor Chairman Rosen hatten. Viele sehen in Rosen den "heimlichen Herrscher" über Compaq, der auch die beiden vorigen CEOs Rod Canion und Eckhard Pfeiffer persönlich auf dem Gewissen hat. Das "Wall Street Journal" zitiert in diesem Zusammenhang den Paine-Webber-Analysten Don Young mit der Aussage: "Es gibt eine Menge Leute, die nicht in Bens großem Schatten arbeiten würden."

Nicht so Capellas, der auf die Frage von Journalisten, was für Zusicherungen Rosen ihm gegenüber gemacht habe, erklärte: "Ich würde diesen Job nicht annehmen, wenn ich das Gefühl hätte, eine Versicherung zu brauchen." Der Manager war im August vergangenen Jahres zunächst als CIO (Chief Information Officer) zu Compaq gestoßen. Nach dem Abgang Pfeiffers hatte ihn das Unternehmen Anfang Juni zum kommissarischen COO (Chief Operating Officer) ernannt. Seine Karriere begann der Manager mit einer 18jährigen Tätigkeit beim Ölunternehmen Schlumberger Ltd., bevor er bei SAP America und Oracle IT-Know-how sammelte. Capellas ist außerdem Mitbegründer von Benchmarking Partners, einer auf Supply-Chain-Management spezialisierten Unternehmensberatung mit Sitz in Cambridge, Massachusetts. Bei Compaq war er bislang maßgeblich an der Entwicklung der E-Commerce-Strategie beteiligt.

Capellas steht nun vor der unzweifelhaft schwierigen Aufgabe, Compaq nach der offensichtlich noch immer nicht verdauten Übernahme von Digital Equipment wieder auf Kurs zu bringen. Das ist auch dringend notwendig, denn nach einer Reihe defizitärer Quartale wird das Unternehmen in der kommenden Woche vermutlich auch für den zweiten Dreimonatszeitraum des laufenden Geschäftsjahres einen Verlust von 230 Millionen Dollar oder elf Cent pro Aktie ausweisen. Am 15. August will der neue Mann deswegen einen detaillierten Restrukturierungsplan präsentieren, der vor allem die dringend nötige Bereinigung des Produktportfolios enthalten soll. Weitere erklärte Ziele des neuen Compaq-Chefs sind der Ausbau des direkten Vertriebs mit einer Steigerung des Internet-Umsatzes auf 40 Prozent der Gesamteinnahmen und die generell stärkere Ausrichtung der gesamten Produktlinien auf das Internet, das zum "integrierenden Faktor" aller Aktivitäten werden soll.

Die Analysten sind angesichts der Neubesetzung uneins. Rob Enderle von der Giga Information Group hält die Wahl eines Insiders für die richtige Entscheidung. Die Kunden erwarteten Stabilität von Compaq, und der Konzern brauche einen CEO mit High-Tech-Kenntnissen. Oracles CFO Ray Lane, selbst immer wieder als Kandidat gehandelt, pflichtet bei: "Eine clevere Wahl - Michael versteht den Kunden, und das ist lebenswichtig." Aber obwohl kaum jemand Michael Capellas die Fachkompetenz abspricht, zweifelt so mancher, ob er auch über das nötige Charisma verfügt. "Hat er die Statur für diesen Job?" fragt James Gruener von der Aberdeen Group. "Kann er die Kunden bei der Stange halten?" Roger Kay von der International Data Corp. (IDC) ergänzt: "Es wird immer wichtiger, einen Charakterkopf an der Spitze zu haben. Wenn man schon keinen Gründer wie Steve Jobs oder Bill Gates vorweisen kann, dann braucht man jemanden mit entsprechender Biografie und Star-Qualitäten."