Triumph-Adler entwickelt Software-Engineering-Environment-System:

Methodenbank öffnet sich für Enduser-Kommunikation

25.09.1981

NÜRNBERG - Ziel jeder industriellen Software-Entwicklung ist die Erreichung einer hohen Produktivität und Qualität unter Einhaltung geplanter Termine und Kosten. Diese Ziele können nur dann optimal erreicht werden, wenn das "magische Viereck" des Software-Engineering mit den "Kern-Gebieten" Produktion, Qualitätssicherung, Management und Produktpflege unter Berücksichtigung der gegenseitigen Wechselwirkungen wirkungsvoll durch allgemeine Software-Engineering-Environment-Systeme (SEES) unterstützt wird.

Bei den Software-Engineering-Umgebungen handelt es sich noch um ein junges Forschungsgebiet. Wird die Entwicklung mit dem Gebiet der Programmiersprachen verglichen, dann steht man vor der Aufgabe, von einer "special purpose language" zu einer "general purpose language" zu gelangen. Zur Zeit befindet sich dieses Forschungsgebiet etwa in der Mitte der 50er Jahre, kurz vor dem Erscheinen von Fortran.

Das seit zwei Jahren bei Triumph-Adler in Entwicklung befindliche "Plasma"-System versucht durch neue Konzepte die oben aufgeführten Schwerpunkte zu unterstützen und eine allgemeine Software-Engineering-Umgebung bereitzustellen.

Das klassische Phasenkonzept wurde um eine projektbegleitende und eine projektübergreifende Dimension erweitert. In "Plasma" ist die Projektführung und Projektüberwachung in das Gesamtmodell unter Berücksichtigung aller Steuer- und Informationsflüsse integriert.

Um zu überprüfbaren Teilprodukt-Einheiten mit einem Zeitraster von ein bis zwei Mannwochen zu kommen, müssen Produkte in entsprechend viele Teilprodukte gegliedert werden. Die Verwaltung und Überwachung der dadurch entstehenden großen Anzahl von Teilprodukten muß dann automatisch erfolgen.

Um die Erfahrungen aus abgeschlossenen Projekten systematisch in neuen Projekten nutzen zu können, enthält das System vier projektübergreifende Archive:

1. Produktarchiv

2. Planungsarchiv

3. Qualitätssicherungs-Archiv

4. Produktvermessungs-Archiv.

In dem Produktarchiv werden systematisch fertiggestellte Produkte und Teilprodukte gesammelt und klassifiziert aufbewahrt.

In neuen Projekten kann das Produktarchiv

- als Informationspool dienen, das die Projektmitarbeiter bei der Einarbeitung in neue Problemstellungen unterstützt,

- die Wiederverwendung von vorhandenen Teilprodukten ermöglichen,

- als Basis zur schnellen Prototyperstellung (rapid prototyping) dienen.

Das Planungsarchiv stellt eine Grundlage für eine bessere Projektplanung und -kalkulation dar, indem es empirisch gewonnene Ist-Werte für die Planung neuer Projekte zur Verfügung stellt. Gleichzeitig unterstützt es das Information Retrieval des Projekt-Managements.

Das Qualitätssicherungs-Archiv dient dazu, quantitative Werte zum Aufwand und zur Effizienz eingesetzter Werkzeuge für konstruktive und analytische Qualitätssicherungs-Maßnahmen zu liefern.

Das Produktvermessungs-Archiv enthält Vermessungsdaten über Produkte wie Anzahl der Moduln, durchschnittliche Länge und Parameterzahl von Moduln, Daten über die Zerlegungsstruktur des Systems. Durch die Verwertung solcher aufbereiteten Daten sollen Qualitäts- und Quantitätsvergleiche mit bereits entwickelten Produkten ermöglicht werden.

Der Nutzen dieser Archive liegt vor allem darin, daß ihre Informationen individuell auf Anwendungsbereiche und Entwicklungsumgebungen abgestimmt sind.

Die Verwendung von Archiven erfordert eine systematische Produktentwicklung nach einem einheitlichen zugrundeliegenden Schema.

Der bisher fast ausschließende Anwendungsbereich von Methodenbanken im sozioökonomischen und statistischen Bereich wird in "Plasma" auf den Software-Engineering-Bereich ausgedehnt (siehe Abbildung).

Der Endbenutzer (EB) greift über eine einheitliche Schnittstelle auf die Methodenbank zu. Alle zur Verfügung stehenden Werkzeuge lagern in der Methodenbasis, die Bibliothek dient sowohl zur projektspezifischen als auch zur projektübergreifenden Verwaltung von Teilprodukten. Um den Komfort einer Datenbank nutzen zu können, muß die Methodenbank über einen geeigneten Anschluß verfügen. In der Datenbank befinden sich neben projektspezifischen Daten auch die Daten von Planungs-, Qualitätssicherungs- und Produktvermessungs-Archiv.

Die zentrale Steuerung der Methodenbank ist das Steuersystem beziehungsweise das Methodenbank-Management-System (MBMS). Neben seiner Aufgabe, dem Endbenutzer die Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, informiert es ihn mittels des Auskunftssystems und überprüft alle Zugriffsrechte anhand des Schutzsystems. Neben der Endbenutzer-Schnittstelle verfügt die Methodenbank über eine Schnittstelle zu einem Spezialisten (S), dem die Verwaltung der Methodenbank selbst obliegt. Dafür stehen ihm eine Reihe von Funktionen (Methodenverwaltung), wie zum Beispiel Hinzufügen und Entfernen von Methoden zur Verfügung.

Neben dem allgemeinen organisatorischen Rahmen des "Plasma"-Software-Engineering-Environment-Modells und seiner Realisierung durch eine Methodenbank stellt das System Werkzeuge zur Unterstützung der Definitions- und Entwurfsphase zur Verfügung.

Das SEES-"Plasma" wird auf einem Triumph-Adler-Rechner TA1630 implementiert. Die "Plasma"-Maschine kann sowohl mit anderen TA1630 als auch mit Rechnern anderer Hersteller kommunizieren. Das gesamte SEES-"Plasma" soll Ende 1983 einsatzbereit sein.

*Dr. Helmut Balzert ist Leiter der Abteilung Software-Engineering bei der Triumph-Adler AG, Nürnberg.

Dipl.-Inform. Heidemarie Willmer ist Projektleiterin Methodenbanken und Qualitätssicherung in dem Nürnberger Unternehmen.