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Metcalfe contra Carr: "Ich fühle mich wie LizTaylors neunter Ehemann"

11.03.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Argumente waren nicht neu. Trotzdem geriet eine Podiumsdiskussion zwischen dem Autor des "Havard Business Review" (HBR), Nicholas Carr, und Bob Metcalfe, dem "Erfinder" des Ethernet und längst Ikone der IT-Szene, zum kurzweiligen und heftigen Schlagabtausch über den Sinn heutiger IT in Unternehmen.

Eingeladen hatte die Schwesterpublikation der COMPUTERWOCHE, die US-amerikanische Computerworld, zur diesjährigen Computerworld's Premier 100 IT Leaders Conference. Den ersten Tag beendete die Diskussion zwischen Carr und Metcalfe. Carr wurde vergangenen Mai bekannt durch seinen im HBR erschienen Artikel "IT doesn't matter anymore". Darin argumentierte Carr, die IT sei mittlerweile zu einem Allerweltsgut verkommen und deshalb schaffe sie Unternehmen auch keinen Wettbewerbsvorteil mehr. Konzerne sollten also mit Investitionen in IT sehr vorsichtig und zurückhaltend sein.

Eine Ressource, so Carr erklärend, sei nur dann von strategischer Bedeutung, wenn sie knapp ist. Schließlich habe man im Wettbewerb allein dann die Nase vorn, wenn man etwas besitze oder beherrsche, das sonst niemand hat oder kann. Die wesentlichen Funktionen von IT seien heutzutage aber jedem verfügbar, jeder könne sie sich auch leisten.

IT lasse sich, so Carrs Fazit, vergleichen mit anderen Technologien, die bei ihrem Aufkommen die Industrie verändert hätten, die in Wirtschaftsabläufe integriert und von weitsichtigen Unternehmen schnell zu ihrem eigenen Vorteil eingesetzt wurden: zum Beispiel Dampfmaschine, Eisenbahn, Telegraf, Telefon.

Je verfügbarer und billiger diese Erfindungen wurden, desto mehr verkamen sie zum Allerweltsgut. Sie mutierten in Bezug auf ihre strategische Bedeutung mit den Worten Carrs zu einem "unsichtbaren" Faktor, und damit verlören sie ihre Bedeutung. Genau diese Entwicklung widerfahre nunmehr auch der IT. Diese Argumentation verfolgte Carr nun auch auf der Computerworld-Konferenz wieder - und hatte praktisch den gesamten Saal gegen sich.

Metcalfe konterte mit Blick auf die Konferenzteilnehmer und Zuhörer: "Herr Carr nennt Euch zwar Geldvernichter, Verschwender und kontraproduktiv in Passivität verharrend. Aber mittlerweile gibt es so dermaßen viele Leute, die Herrn Carr seine Argumente um die Ohren gehauen haben, dass ich mich heute fühle wie Elizabeth Taylors neunter Ehemann: Ich weiß zwar ganz genau, was ich tun muss, aber wie kann ich es auch noch einmal interessant erscheinen lassen?" Metcalfes Witz reflektierte darauf, dass bereits die gesamte IT-Industrie Carrs Argumente in der Luft zerrissen hatte. Insbesondere wurde Carr auch während der Diskussion immer wieder gefragt, ob es denn nicht so sei, dass es auf die intelligente Nutzung von in der Tat verbreiteter Technik ankomme, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Dann fuhr Metcalfe noch größere Geschütze auf: Carr irre sich nicht nur mit seinen Thesen. Er sei vielmehr geradezu gefährlich mit seiner Argumentation. "Er hat nämlich mit seinem Artikel die große Mehrheit der Leser des Harvard Business Review in die Irre geführt" - insbesondere diejenigen, die ohnehin nur die Schlagzeile gelesen hätten. Wenn man Carrs Thesen nicht energisch in der Öffentlichkeit widerspreche und diese auch widerlege, würde das Amerikas Einfallsreichtum "förmlich in die Tonne treten". (jm)