Oracle-GUI: Innovativ, aber zu komplex

Meta Group testet vier ERP-Benutzeroberflächen

10.12.1999
MÜNCHEN (CW) - Kein Hersteller versäumt es, die intuitive Bedienbarkeit seines Produkts als entscheidenden Wettbewerbsvorteil herauszustellen. Die Meta Group hat jetzt die Benutzeroberflächen von vier ERP-Systemen getestet und attestiert SAP ein gutes Ergebnis.

Sowohl Intuitivität als auch die einfache Bedienung (Usability) einer Benutzeroberfläche gehören zu den relevanten Größen eines ERP-Systems. Die Intuitivität ist wichtig, um die Bereitschaft der Anwender zur Nutzung und Einarbeitung in das jeweilige Programm zu gewährleisten. Die Usability ermöglicht den Benutzern, ihre Aufgaben effizient und damit schnell zu bearbeiten.

Insbesondere bei sehr häufigen Geschäftsvorfällen wie der Eingabe einer Bestellung hat die Usability einer Standardsoftware erheblichen Einfluß auf die Prozeßkosten. Für die seltener anfallenden Aufgaben wie die Anlage eines neuen Materialstamms ist ein intuitives User Interface entscheidend, weil die Lernkurve für derartige Vorgänge vergleichsweise hoch ausfällt.

Als ERP-Prüflinge wählten die Analysten der Meta Group die Pakete Oneworld B73.2.2 von J.D. Edwards, die Oracle Applications 11.0.2 sowie die SAP-Versionen R/3 4.0B und 4.6A. Der Test bestand darin, daß Personen ohne spezifische Erfahrungen mit den ERP-Systemen, wohl aber mit fundierten betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, bestimmte Aufgaben an den jeweiligen Produkten lösen mußten. Die dazu benötigte Zeit wurde gemessen, wobei sich signifikante Unterschiede bei der Ausführung der Standardprozesse auf den einzelnen Systemen herausstellten (siehe Grafik).

Anhand von zwei Beispielen, Anlage eines Materialstamms und Auftragserfassung, kommt die Meta Group zu folgenden Ergebnissen. R/3 4.6 ist wesentlich intuitiver als 4.0 und in vielen Fällen auch effizienter zu bedienen. Insbesondere der neue, Explorer-ähnliche "SAP Tree" erleichtert die Navigation entscheidend. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Shortcuts auf häufig benutzte Funktionen zu definieren. J.D. Edwards liegt klar hinter dem neueren R/3-Release. Meta kritisiert vor allem den umständlichen Suchmechanismus, der in den nächsten Releases verbessert werden sollte. Oracle Applications war das einzige System im Test, das mit einem Browser-Frontend ausgestattet war. Dies sei technologisch zwar sehr innovativ, aber nicht besonders praktisch: Die zahlreichen Popup-Fenster verwirren den Anwender nicht nur während der Einarbeitungsphase, sondern auch bei der täglichen Arbeit.

Beide Beispiele zeigen zudem, daß sich die für einen Prozeß benötigten Zeiten nach einer relativ kurzen Lernphase auf niedrigem Niveau stabilisieren. Dennoch gibt es hier deutliche Unterschiede zwischen den Systemen - Oracle schneidet am schlechtesten ab. Als Zusammenfassung der Tests konstatiert Meta, daß R/3 4.6 bezüglich der Usability der Benutzeroberfläche gegenüber J.D. Edwards einen Entwicklungsvorsprung von sechs bis acht Monaten vorweisen kann. Der Bedienbarkeit des Oracle-Applications-GUI sei SAP gar um neun bis zwölf Monate voraus.

Zeitschema für GU

SAP scheint die Benutzeroberfläche von R/3 4.6 gelungen zu sein. Die für einen Arbeitsschritt benötigte Zeit fällt mit dem GUI sowohl in der Lernphase als auch im täglichen Umgang kürzer aus als bei den anderen ERP-Paketen. Zu berücksichtigen ist, daß die Anlage eines Materialstamms zu den seltener anfallenden Arbeiten gehört und in der Regel länger dauert als die alltägliche Auftragserfassung. Quelle: Meta Group/CW