Web

Merkel wird ihre Fördergelder nicht los

15.06.2007
Die Hightech-Initiative der Bundesregierung will nicht so recht greifen. Für einen Großteil der zur Verfügung stehenden Gelder findet sich offenbar keine Verwendung.

Die im vergangenen Jahr gestartete Hightech-Initiative der Bundesregierung sei ein einziger PR-Gag, kritisiert Anna Lührmann, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des Haushaltsauschusses. Laut ihren Berechnungen seien von den im Haushalt 2006 zusätzlich eingeplanten 615 Millionen Euro für die Forschungsförderung lediglich knapp 60 Prozent abgerufen worden. Lührmann beruft sich dabei auf einen Bericht der Ministerien für Finanzen sowie Bildung und Forschung an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags.

Bundesbildungs- und -forschungsministerin Annette Schavan wies den Vorwurf zurück, es würden nicht genügend Geld für Forschung und Entwicklung abfließen. Neben dem Hochschulpakt und der Exzellenz-Initiative seien die Hightech-Strategie sowie das Sechs-Milliarden-Euro-Programm zukunftsweisende Vorhaben, um Deutschland in Wissenschaft und Forschung einen Platz an der Weltspitze zu sichern. "Im vergangenen Jahr sind seitens des Bundesforschungsministeriums von geplanten rund 8,8 Milliarden Euro mehr als 8,5 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert worden", betonte die Politikerin. "Das sind 97 Prozent der veranschlagten Mittel."

"Es kommt immer darauf an, wie man das rechnet", beharrt Lührmann auf ihrer Kritik. Die Regierung rechne sämtliche Technologie- und Forschungsmittel, die es vor der Initiative auch schon gab, mit ein. Bei dem Sechs-Milliarden-Programm habe der Bund jedoch versprochen, diesen Betrag zusätzlich zum bereits veranschlagten Haushalt für Forschung und Technologie bereit zu stellen.

In dem Finanzbericht, der der COMPUTERWOCHE vorliegt, ist für das Jahr 2006 eine Forschungsförderung in Höhe von insgesamt 8,79 Milliarden Euro veranschlagt – davon stammen 615 Millionen Euro aus dem Sechs-Milliarden-Programm der Regierung. Daraus errechnet sich eine Basisförderung ohne Sonderprogramm von 8,175 Milliarden Euro. Abgerufen wurden im vergangenen Jahr Mittel in Höhe von 8,54 Milliarden Euro. Das ergibt eine Differenz von 365 Millionen Euro. Das macht jedoch lediglich knapp 60 Prozent der zusätzlich veranschlagten 615 Millionen Euro aus, so die Rechnung der Oppositions-Politikerin. "Man muss genau sehen, wie viel zusätzlich draufgelegt wurde, und wie viel davon abgeflossen ist."

Diese Rechnung taucht im Bericht der Bundesministerien nicht auf. Sie betonen wie auch die Forschungsministerin die Gesamtabflussquote von 97 Prozent. Allerdings sprechen die Berichterstatter in diesem Zusammenhang durchaus von einem "Minderabfluss". Diesen erklären sie damit, dass die Gelder teilweise erst ab Juli 2006 zur Verfügung gestanden hätten. Daher hätten sich bereits geplante Projekte verzögert. "Dies ist für den Start von großen, komplexen Maßnahmen nicht ungewöhnlich", heißt es. Lührmann will dies als Ausrede aber nicht gelten lassen. Das Sechs-Milliarden-Programm sei schon zuvor bekannt gewesen. Alle Beteiligten hätten sich im Vorfeld darauf einstellen und Pläne machen können, wie das Geld sinnvoll einzusetzen sei.

Offenbar will die Politik künftig besser über einen effizienten Einsatz der Fördermittel wachen. "Die Bundesregierung wird Abweichungen weiter verfolgen und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass bis 2009 tatsächlich zusätzlich sechs Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung zur Verfügung gestellt wurden", heißt es in dem Bericht. Allerdings wird sich die Regierung schnell etwas einfallen lassen müssen, wie das Geld in Projekte umgesetzt werden kann. Mit den 615 Millionen Euro aus dem vergangenen Jahr und den für 2007 veranschlagten 1,31 Milliarden Euro ist nicht einmal ein Drittel des Zusatzetats budgetiert. In den verbleibenden zwei Jahren müssen dann insgesamt etwas mehr als vier Milliarden Euro möglichst sinnvoll verplant werden.

Die Zeit drängt, denn die Zielvorgaben sind ehrgeizig. Im Jahr 2000 haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Lissabon darauf verständigt, bis 2010 die Forschungsausgaben auf drei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen. Derzeit liegt der Anteil, den Bund und Wirtschaft in Deutschland aufbringen, Experten zufolge bei etwa 2,6 Prozent. Um die Hausaufgaben noch zu schaffen, sollen die Unternehmen stärker in die Pflicht genommen werden. Zwar sollen die Forschungsaufwändungen der deutschen Unternehmen von 48,8 Milliarden Euro in 2006 auf 50,4 Milliarden Euro im laufenden Jahr ansteigen. Das ist den Politikern aber zu wenig. Die erhöhte Priorität, mit der das Thema Innovation aktuell auf politischer Ebene verfolgt werde, habe sich noch nicht durchgreifend genug in einer höheren Innovationstätigkeit der Unternehmen niedergeschlagen, kritisierten Finanz- und Forschungsministerium. (ba)