Mercedes-Benz verabschiedet sich aus Second Life

25.03.2008
Mercedes-Benz sagt Auf Wiedersehen zu der Online-Plattform Second Life.

Der Autobauer hatte vor gut einem Jahr eine virtuelle Dependance auf der 2007 noch sehr im öffentlichen Interesse stehenden Hype-Plattform eröffnet.

Noch ist der Rückzug allerdings nicht öffentlich verkündet. Eine Unternehmenssprecherin meinte, man habe jetzt genug Erfahrungen gesammelt mit der Social-Networking-Plattform. Der Abschied von Second Life sei kein Eingeständnis, dass die Investitionen als Misserfolg zu werten seien. Man könne sich sogar vorstellen, zu einem späteren Zeitpunkt das Engagement wieder aufleben zu lassen.

Keiner redet von Misserfolg

Da war die Welt noch in Ordnung: Sonnenaufgang über Frankfurt. Allerdings lag die Mainmetropole in Second Life geografisch nicht ganz korrekt am Meer.
Da war die Welt noch in Ordnung: Sonnenaufgang über Frankfurt. Allerdings lag die Mainmetropole in Second Life geografisch nicht ganz korrekt am Meer.

Mercedes-Benz ist nicht das einzige Unternehmen, das sein Engagement in Second Life einstellt. Die Deutsche Post AG hatte ihre Second-Life-Filiale Anfang Februar 2008 geschlossen. Zuvor hatten sich auch der Computerhersteller Dell und die Hotelkette Starwood von der Plattform verabschiedet. Schon im August 2007 stellte zudem Adidas seine Aktivitäten in Second Life ein. Der Konzern hatte auf einer eigenen Insel virtuelle Sportschuhe verkauft - für je 50 Linden-Dollar das Paar. Linden-Dollar ist die virtuelle Währung in Second Life.

Niemand mag derzeit den Rückzug aus Second Life als Kapitulation eingestehen. Wie jetzt Mercedes-Benz und zuvor Adidas sah auch die Deutsche Post ihr Engagement als Experiment, aus dem man viel gelernt habe. Ein Unternehmenssprecher sagte, man habe mit der Online-Präsenz eine neue Form des Marketings intensiv erkunden und eine neue Zielgruppe ansprechen wollen. Diese Ziele seien erreicht worden. Die virtuelle Postfiliale, welche dem Bonner Post Tower nachempfunden war, besuchten rund 10 000 digitale Einwohner, die reale Postkarten gegen Linden-Dollar versenden konnten. Wie viele Second-Life-Bewohner allerdings davon Gebrauch machten, hat der Konzern nicht mitgeteilt.

Markenfälschungen, Kinderpornographie, Missbrauchsdelikte

Nachdem ab etwa Anfang 2007 ein beispielloser Hype um Second Life begann, dem sich kein Unternehmen entziehen konnte, ebbte die Begeisterung für das neue Medium allerdings im gleichen Jahr schon wieder merklich ab. Neben technischen Problemen der zwischenzeitlich explosionsartig wachsenden Plattform, gab es auch andere Probleme, die dem Renommee von Second Life schadeten. So hatten sich Händler Anfang dieses Jahres über zunehmende Fälle von Markenfälschungen und Raubkopien in Second Life beklagt. Zudem kam es zu Missbrauchsdelikten mit Angeboten von Finanzdienstleistungsunternehmen. Mitte 2007 berichteten die Medien zudem darüber, dass kinderpornografisches Material bei einem Nutzer von Second Life sichergestellt worden war. Das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" hatte zuvor berichtet, dass Nutzer von Second Life kinderpornografische Inhalte verbreiten.

Frankreich führt Wahlkampf im Second Life

Seinerzeit allerdings führte der Run auf die virtuelle Begegnungsplattform sogar dazu, dass sich der französische Wahlkampf auch auf Second Life ausdehnte. Die konkurrierenden Kandidaten hielten auf der virtuellen Plattform sogar Wahlkämpfe ab. Hier hatte insbesondere Nicolas Sarkozy von der konservativen UMP einen Treffer gelandet, wartete er doch in der virtuelle Welt gleich mit einer eigenen Insel, "L'ile Sarkozy", auf. Auch die Topkandidatin der sozialdemokratischen Parti Socialiste, Segolene Royal, hatte die virtuelle Spielwiese im Internet für sich entdeckt. Sie gründete in Second Life ein Komitee mit dem Titel "Desirs d'avenir" (Zukunftswünsche). Geholfen hat es ihr letztlich aber nichts. (jm)