Börsengang wegen Schwäche des Neuen Marktes verschoben

Memorex Telex will als MSH im IT-Servicemarkt reüssieren

23.07.1999
FRANKFURT/M. (gh) - Ohne großes Marketing-Tamtam hat sich die frühere Memorex Telex GmbH zuletzt vom Hersteller IBM-kompatibler Hardware und Peripherie zum Value Added Reseller und Systemintegrator gewandelt. Nach der Umfirmierung in eine AG steht nun der Börsengang an. Doch auch hier geht das Unternehmen einen eher ungewöhnlichen Weg: Aufgrund der derzeitigen Emissionsflut am Neuen Markt wurde das Going Public kurzfristig auf September verschoben.

"Negative Schlagzeilen hatten wir genug", begründet Klaus Hofmann, frischgebackener Vorstandsvorsitzender der Ende März als Rechtsnachfolgerin der Memorex Telex GmbH gegründeten MSH International Service AG, die Tatsache, daß das Unternehmen zumindest in Sachen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit fast zwei Jahre lang auf Tauchstation gewesen ist. Im Oktober 1997 hatte Hofmann - unterstützt von einer internationalen Investorengruppe - zusammen mit anderen Memorex-Telex-Verantwortlichen durch einen Management-Buyout von sich reden gemacht. In der seinerzeit schon mehr als 30jährigen, zum Teil recht wechselvollen Firmengeschichte bedeutete dies eine Zäsur: Aus der im Geschäft mit IBM-kompatiblen Speichersystemen groß gewordenen Company US-amerikanischen Ursprungs sollte ein herstellerunabhängiger Systemanbieter sowie Dienstleister in den Bereichen Client-Server und Netzwerke werden.

Jetzt ging das Unternehmen, nachdem "das Haus in Ordnung gebracht wurde", mit aktuellen Geschäftszahlen an die Öffentlichkeit. Demnach wurde im Geschäftsjahr 1998/99 (Ende: 31. März) von der in Deutschland operierenden Memorex Telex GmbH und den fünf Tochtergesellschaften in Frankreich, England, Irland, Spanien sowie den Niederlanden ein Umsatz von 591,5 Millionen Mark erzielt - rund 22 Prozent mehr, als die wegen besagtem Management-Buyout nur als Pro-forma-Abschluß testierte Vorjahresbilanz auswies. Das operative Ergebnis stieg um 63 Prozent auf 25,6 Millionen Mark. Und was für den MSH-Chef im Zweifel noch wichtiger ist: Die Restrukturierung des Konzerns scheint weitgehend gelungen zu sein. Mehr als 30 Prozent der Einnahmen werden heute bereits in den Bereichen Desktop-Services, Projekt-Management und Wartung erzielt - Tendenz steigend.

"Früher haben wir im IBM-Umfeld alles nachgebaut, heute sind wir ein vorwiegend auf IBM und Compaq spezialisierter Value-Added-Reseller", skizziert Hofmann die "Mission" des Unternehmens. Deutschlandweit bedeutet dies, daß sich die Frankfurter auf maximal zwei Hersteller, eben Big Blue und PC-Krösus Compaq (ohne Digital- und Tandem-Produkte) konzentrieren - europaweit höchstens auf deren vier. Man müsse bei Bedarf auch "Siemens, Fuijtsu oder Dell verkaufen können", charakterisiert der MSH-Chef länderspezifische Gegebenheiten. Wichtig für Hofmann ist, daß die eigenen Vertriebs-, Service- und Wartungsleute nur Aufträge annehmen, die sie von ihrem Know-how und von ihrer Kapazität her bewältigen können.

"Compunet sagt, such dir etwas aus - wir beraten unsere Kunden!" hebt er auf den Wettbewerb ab und macht dabei zugleich deutlich, in welcher "Liga" der produktnahen IT-Dienstleister er künftig spielen möchte.

Prinzipiell sehen sich die Frankfurter als Systemintegrator, der bei allen wichtigen Hardware-Anschaffungen die Bedürfnisse seiner Kunden zufriedenstellen kann. Im Falle einer AS/400-Installation bedeutet dies beispielsweise neben der reinen Systemkonfiguration die sogenannte Pre- und After-Sales-Beratung inklusive Verkabelung und Wartung. Zwangsläufig generiert MSH dabei - bedingt durch die Firmenhistorie - den größten Teil des Umsatzes immer noch mit IBM-Produkten (vom Host bis zum PC) samt Speicherkomponenten, während man sich in Sachen Compaq vornehmlich auf die Client-Server-Lösungen der Texaner beschränkt. Neu hinzugekommen ist eine Kooperation mit Cisco Systems, nachdem sich die Frankfurter bei der Einrichtung unternehmensweiter LAN/WANs bisher auschließlich auf das Equipment von Cisco-Konkurrent Cabletron verlassen hatten. Der Router-Gigant sei auf sein Unternehmen zugekommen und habe gefragt "Wollt Ihr mit uns in den Mittelstand gehen", deutet Hofmann vielsagend an.

Apropos Mittelstand: 30 Prozent aller MSH-Kunden sind Hofmann zufolge Firmen mit einem Umsatz zwischen 500000 und 1,5 Millionen Mark. Allerdings führen die Frankfurter mittlerweile auch bedeutende Großkonzerne wie die Deutsche Bank oder die R+V-Versicherung in ihrer Referenzliste. Die Strategie ist für den MSH-Chef deshalb klar: Das "riesige Potential" des Mittelstandes soll noch intensiver angegangen werden. "Wir sind längst europaweit aufgestellt; außerdem können wir neben dem Wort Desktop auch noch Großrechner und Netzwerke buchstabieren", kann sich Hofmann einen weiteren Seitenhieb auf die Konkurrenz nicht verkneifen.

Neben Compunet sind dies Anbieter wie M+S, Systematics oder Hancke & Peter. Ein mehr als hartes Wettbewerbsumfeld also, in dem die Margen denkbar gering sind. Hofmann ist jedoch überzeugt, hier durch seine "Zwei-Hersteller-Strategie" mit einer vom Rest des Marktes positiv abweichenden Wachstumsstory beim Ertrag glänzen zu können. Eine Annahme, die auch durch die Zahlen für das erste Quartal untermauert wird: Umsatzsteigerung gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum um 30,8 Prozent auf 172,8 Millionen Mark, Gewinnzunahme um 31,8 Prozent auf 10,8 Millionen Mark.

Ähnlich wie besagte Wettbewerber, die zum Teil bereits börsennotiert (Hancke & Peter) sind oder ihr Going Public zumindest angekündigt (M+S) haben, plant deshalb auch MSH den Gang an den Neuen Markt. 80 bis 100 Millionen Mark soll das Going Public in die Kasse der Frankfurter bringen. Nachdem man bereits die Börsenzulassung beantragt und erhalten hatte, wurde jedoch der intern ursprünglich für Ende Juli vorgesehene IPO-Termin kurzerhand auf September verschoben, was teilweise für Irritationen im Markt gesorgt hat. Offiziell gibt es dazu seitens des Unternehmens keinen Kommentar, weil der Börsengang bis dato auch nicht angekündigt war. Inoffiziell läßt der MSH-Chef aber keinen Zweifel aufkommen, daß die derzeitige Emissionsflut und der damit verbundene Absturz vieler Newcomer an der Frankfurter High-Tech-Börse ausschlaggebend war. Noch dazu, wo laut Hofmann die Zahlen "von Quartal zu Quartal besser werden".