Mehr Service im Contact Center

30.03.2006
Von Albert Denz
Die Aufgabenstellung für E-Mail-Response-Management-Systeme ist klar: Sie sollen Kommunikationsprozesse mit Kunden automatisieren.
ERM-Systeme decken viele Aufgaben bei der Kundenpflege ab und ergänzen Groupware und DMS-Lösungen.
ERM-Systeme decken viele Aufgaben bei der Kundenpflege ab und ergänzen Groupware und DMS-Lösungen.

Schon heute gehen durchschnittlich 40 Prozent aller Anfragen in den internen und externen Contact Centern der Unternehmen per E-Mail ein - Tendenz stark steigend. Selbstlernende E-Mail-Response Management (ERM)-Systeme können helfen, die elektronische Korrespondenz in den Griff zu bekommen. Mit Methoden der Künstlichen Intelligenz und Sprachtechnologie sind sie in der Lage, die Inhalte der eingehenden elektronischen Post zu analysieren und mehrdimensional nach Anliegen der Kunden, Absenderadressen oder Tonalität zu klassifizieren. Dabei gilt es, eine Herausforderung zu bewältigen: ERM-Systeme verstehen die Kundenanfrage zwar aus ihrem Kontext heraus. Sie müssen aber mit dem Backend, der Contact-Center-Infrastruktur und den Prozessen integriert sein.

Entscheidungsmatrix für ERM-Systeme

Ziele/Anforderungen

= Produktivitäts- und Effizienzgewinn

= Steigerung der Servicequalität

= Harmonisierung mit anderen Kommunikations- kanälen

= Vollständige Prozessintegration

= Transparenz durch Berichte und Statistiken

= Grundanforderungen wie Stabilität und Performance

Wege

= Beratung durch Experten

= Bei der Wahl der Systemintegratoren auf Contact Center- und CRM-Erfahrung achten

= IT- und Fachbereich im Projektteam vertreten

= Ist-Analyse der Organisation und der Prozesse

= Soll-Analyse

= Spezifische Konfiguration des ERM-Systems

= Integration der Anwendung in die Systemlandschaft

Stolpersteine …

= Erhöhter Integrationsaufwand bei proprietären und veralteten Systemen im Backend

= "Training" der Software erforderlich

= Schulung der Contact Center Agenten notwendig

= Mögliche ablehnende Haltung beim Personal: "Werde ich durch einen Roboter ersetzt?"

… und Lösungsansätze

= ERM-System mit flexiblen Schnittstellen und geringen Integrationskosten

= Software lernt selbstständig im laufenden Betrieb

= Intuitiv nutzbar und einfach erlernbar, Hilfefunktionen

= Argumentation: Agenten werden von Routineaufgaben entlastet und können sich auf höherwertige Aufgaben sowie die eigentliche Kundenbetreuung konzentrieren. Ihre Position wird dadurch aufgewertet

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Nach der Analyse der eingehenden E-Mails sortieren die Systeme die Anfragen nach Fachgebieten und Wichtigkeit und leiten sie entsprechend priorisiert an die zuständigen Mitarbeiter weiter. Dabei lernt die Software täglich hinzu. Ergeben sich beispielsweise neue Themenfelder, klassifiziert sie die entsprechenden E-Mails nach wenigen manuellen Zuordnungen. Der Agent im Call Center erhält gleichzeitig mit der E-Mail vorgefertigte Textbausteine oder Antwortvorschläge, deren Passgenauigkeit durch einen Konfidenzwert angezeigt wird.

Arbeitserleichterung

Einfache Anfragen beantworten die ERM-Systeme nach vorher definierten Regeln automatisch. Eine weitere Arbeitserleichterung für den Mitarbeiter versprechen Auswahlfelder für die Anrede, HTML-Formatierungen, Rechtschreibprüfungen sowie integrierte Knowledge-Komponenten. Über sie können die Mitarbeiter auf Kundenhistorie und Unternehmenswissen zugreifen. Unscharfe und assoziative Suchmechanismen helfen, bei Kundenanfragen die notwendigen Informationen in den verschiedenen Datenbeständen zu finden.

In der Regel können mit ERM-Systemen die Prozesse durchgehend kontrolliert werden - vom Eingang über die Bearbeitung bis hin zum Abschluss. Alle ein- und ausgehenden Texte lassen sich zurückverfolgen, wodurch überprüft werden kann, ob und wie eine Anfrage oder Reklamation beantwortet wurde. Versehentliches Löschen ist nicht möglich - eine beruhigende Tatsache. Erfolgt die Antwort nicht in dem vorab definierten Zeitrahmen, lösen die Systeme automatisch Warnhinweise aus. Unterschiedliche Verteilungs- und Queuing-Strategien sollen dafür sorgen, dass Servicemitarbeiter angemessen versorgt werden.

Sollten dennoch bei einem Mitarbeiter zu viele E-Mails eingehen, kann der Supervisor des Contact Centers eingreifen und Anfragen von einem Agenten zu einem anderen verschieben. Dabei helfen ihm Monitoring-Komponenten: Sie zeigen ihm auf einen Blick, wie viele und welche Kundenanfragen den einzelnen Agenten beziehungsweise einer Gruppe zugewiesen worden sind. Grafische Echtzeit-Statistiken geben zudem Aufschluss über die qualitative und quantitative Leistungsfähigkeit des Service Centers.

Reporting und Grafiken

Über integrierte Reportingfunktionen lassen sich die Prozesse gemäß den jeweiligen Anforderungen umgehend analysieren, auswerten und die generierten Berichte als PDF, XLS, HTML oder CSV exportieren. Sämtliche Bearbeitungsabläufe wie Zeitvorgaben, Verteilung und Kontrollmechanismen lassen sich konfigurieren. Grafische Editoren erleichtern dabei die Definition der Geschäftsregeln, so dass sich Workflows mit First- und Second Level-Support sowie Eskalationsstufen zur Einhaltung der vereinbarten Service-Levels installieren lassen.

Automatisierung und Kontrolle der Kommunikationsprozesse sollen den Unternehmen helfen, den bisherigen Bearbeitungsaufwand zu verringern, kürzere Durchlaufzeiten zu erzielen und Anfragen gezielter beantworten zu können. In der Regel rechnet sich der Einsatz eines ERM-Systems ab einem täglichen Volumen von mehr als 100 E-Mails an Sammeladressen wie info@... Wenn besondere Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit der Bearbeitungsprozesse und Service Level Agreements bestehen, sollten Unternehmen allerdings auch bereits bei geringerem Aufkommen eine solche Lösung in Erwägung ziehen.

Was Groupware nicht kann

ERM-Systeme dienen zur Bearbeitung von E-Mails, die über die zentralen Eingangskanäle eines Unternehmens an so genannte Bulk-Adressen gerichtet werden. Grundlage für die Automatisierung der Prozesse rund um die Verteilung und Beantwortung eingehender E-Mails ist deren Kategorisierung mithilfe der Textanalyse. Dieses entscheidende Feature fehlt den Groupware-Systemen wie Microsoft Exchange oder Lotus Notes, denn mit ihren persönlichen Ordnern, Kalendern, Adressbüchern und Workflow-Features eher auf die Unternehmens- beziehungsweise Team-interne Zusammenarbeit und Kommunikation ausgerichtet.

ERM-Systeme bilden die hierarchischen Strukturen in Contact Centern ab. Dies ist wichtig, weil Gruppenleiter und Supervisoren jederzeit die Kommunikation der einzelnen Agenten einsehen und E-Mails "von Hand" zur Bearbeitung von einem zum anderen Agenten verschieben müssen. Voraussetzung ist ein rollenbasierendes Berechtigungskonzept.

Individuelle Oberflächen

Auch die Benutzeroberflächen der ERM-Systeme sind im Gegensatz zur Groupware auf Contact Center zugeschnitten. Es können Textbausteine für verschiedene Einsatzzwecke verwaltet werden (beispielsweise Begrüßungs-, Abschieds-, und Antwortbausteine oder Texte für Eingangsbestätigungen). Das System schlägt den Agenten Antworten vor oder beantwortet bestimmte Anfragen selbstständig. Darüber hinaus bieten ERM-Systeme die Möglichkeit, Berichte und Statistiken zu generieren. Die ein- und ausgehende Kundenkommunikation wird in einem Vorgang (Ticket) gruppiert und visualisiert. Ein Vorgang kann stets demselben Bearbeiter zugewiesen werden. Um die Kontinuität in der Kundenbetreuung per E-Mail zu wahren, ist zudem eine lückenlose Bearbeitungshistorie verfügbar.

Dank einer integrierten Workflow-Engine können Prozesse für eingehende und ausgehende Dokumente sowie Eskalationsprozesse zentral modelliert werden. Ein weiteres Feature von ERM-Systemen, über die Groupwares nicht verfügen, ist die Mandantenfähigkeit. Die Stamm- und Produktivdaten verschiedener Mandanten, etwa Klienten von Contact-Center-Dienstleistern oder unterschiedliche Abteilungen, können voneinander getrennt werden, obwohl die E-Mails verschiedener Mandanten mit ein und derselben Benutzeroberfläche bearbeitet werden. Ebenso wichtig im Contact Center sind die Monitoring-Funktionen der ERM-Systeme: Teamleiter und Supervisoren haben stets den Überblick über die aktuelle Bearbeitungssituation und die Service Levels.

Integration in die IT-Landschaft

ERM-Systeme müssen zur bestehende IT-Landschaft und Contact-Center-Infrastruktur passen. Kann das ERM-System außerdem Personalstrukturen und -abläufe abbilden, lässt sich die elektronische Korrespondenz in die Arbeitsprozesse im Contact Center integrieren. E-Mail-, Fax- und File-Server werden mit Standard-Protokollen wie IMAP, POP3 und SMTP angebunden. Sollen Drittsysteme wie CRM, ERP und CTI auf Daten-, Prozess- und Präsentationsebene (Benutzeroberfläche) eingebunden werden, sind standardisierte Schnittstellen zur Enterprise Application Integration (EAI) nötig. Moderne ERM-Systeme unterstützen zudem Integrationsstandards wie Web Services (SOAP, WSDL), Java Messaging Services, DCOM oder Corba. Außerdem gewährleisten sie den Import und Export von Daten in XML.

Kundenpflege auf allen Kanälen

Sind ERM-Systeme für Plug-Ins erweiterbar, lassen sich auch proprietäre Schnittstellen über die API implementieren. So können Events, Messages, Geschäftsobjekte und Stammdaten mit Fremdanwendungen ausgetauscht werden. Die häufigste Anforderung ist jedoch die Integration mit CRM-Systemen, um Kundendaten abzugleichen und die Kommunikationshistorie zu sichern. Der Abgleich verhindert beispielsweise, dass in einer E-Mail ein Sachverhalt behandelt wird, der am Telefon schon längst geklärt wurde. Wichtig vor allem für Contact-Center-Dienstleister ist die Einbindung externer Kundendaten über JDBC/ODBC, zum Beispiel für den Zugriff auf Datenbanken und Systeme ihrer Klienten.

Unterschied zu DMS-Systemen

Bei Systemen für ein Dokumenten-Management (DMS) steht die datenbankgestützte, langfristige Verwaltung elektronischer Dokumente im Vordergrund. Dagegen liegt bei ERM-Systemen der Fokus auf der optimalen Unterstützung der Contact-Center-Mitarbeiter (Agenten, Teamleiter, Supervisoren) beim Bearbeitungsprozess von Kundenanfragen. Hierzu zählt der zielgerichtete, schnelle Zugriff auf Informationen, die die Anfrage selbst oder den Kunden betreffen. Doch auch ERM-Systeme brauchen Archivierungskomponenten. Bei der internen Archivierung lassen sich mit Hilfe proprietärer Tools des ERM-Systems auf der Grundlage von Filtern Archivdateien generieren. In den Archiven gespeichert werden komplette Vorgänge in Form von XML, einschließlich aller Dokumente, Anhänge, Informationen über den Kontakt (Kunden) sowie Vorgangsdaten wie Notizen oder Bearbeitungshistorie. Zudem ist ein Suchindex integriert. Die Archive können wieder in das Produktivsystem eingebunden und Tickets aus dem Archiv einfach in die Datenbank zurückgespielt werden. Über Schnittstellen zu den DMS-Systemen ist es aber auch möglich, diese die Kommunikation zu speichern und zu verwalten. Diese externe Archivierung ist vor allem bei länger zurückliegenden abgeschlossenen Vorgängen sinnvoll. So wird nicht zuletzt auch eine gesetzeskonforme Ablage der elektronischen Korrespondenz gewährleistet. (as)