Mehr Marketing

30.03.1984

Die Stärke der CeBIT-Schau, aber auch ihre Schwäche liegt in ihrer Wischiwaschi-Universalität (Wie? - Was? - Wer mit wem? - Und warum das Ganze?).

Messebeobachter haben sich abgewöhnt, Hannover mit normalen Maßstäben zu messen. Dabeisein ist Pflicht. Ein Aussteller- und Besucher-Tohuwabohu wäre nur zu vermeiden, wenn alle uneitle Intellektuelle wären - sie sind aber Computerleute, die zwar die Macht hätten, ihr CeBIT-Abonnement zu kündigen, dies aber nicht tun: Sie würden sich selbst schaden.

Eine Woche Hannover-Messe. Die Branche trifft sich, Insider tauschen Erfahrungen aus: Wie die Trends laufen, wo die Reise hingeht. Eine Woche Hannover-Messe. Das Verwirrspiel hält an. Kommt Rummelfliege nun zu Commodore, dem neuen FC-Bayern-Sponsor, oder bleibt der Heimcomputer C 64 ohne Chefbediener? Tragen die Demo-Damen diesmal Blau oder Know-how? Auf diese Fragen die richtigen Antworten zu finden, ist die geringste Sorge der professionellen CeBIT-Gänger.

Doch Vorsicht, es könnte sich lohnen, den Dingsda-Dingen rund um den Hermes-Kopf auf den Grund zu gehen. Was immer nämlich noch aus den Trickkisten der Hardware- und Softwarelieferanten bekanntwerden mag - das bisher Gezeigte reicht cleveren Anwendern, sich einen Reim zu machen.

So muß auffallen, daß Hardware-Announcements längst nicht mehr die meisten Schlagzeilen machen. Wer spektakuläre Neuheiten in Hannover erwartet, der sollte lieber gleich zu Hause bleiben. Als "State-of-the-art" -Ausstellung wird man CeBIT, was die Computertechnologie betrifft, guten Gewissens nicht mehr bezeichnen können. "State-of-the-art": ja, aber nur in Sachen Marketing.

Der grundlegende Wandel der Situation in der Computerindustrie im Vergleich zu den siebziger Jahren besteht darin, daß sich die Systementwicklungen der einzelnen Hersteller immer mehr angeglichen haben. Ein Beispiel: Im Jahre 1974 wollten Siemens, Cii-Honeywell Bull und Philips als neues "Unidata-Trio" mit Mainframe-Alternativen noch die IBM-370-Welt aus den Angeln heben. Heute dürfte Siemens froh sein, annähernd MVS-Kompatibilität zu erreichen. Dem Kunden den Seiltanz plausibel zu machen - soviel IBM-Paßform wie nötig, so viel Siemens-Spielraum wie möglich -, muß schwerfallen. Die vermeintlich beste Balancierstange heißt "Marketing".

Das beliebteste Beispiel für den Herdentrieb in der DV-Branche ist jedoch der Mikro, der sogenannte "Personal Computer". Wenn sich die Gleichmacherei so fortsetzt wie in den vergangenen Jahren, dann wird man an der Benutzeroberfläche bald keine Unterschiede mehr feststellen können - bis aufs Logo. Da die Hersteller auch leben müssen, greifen sie nach dem Strohhalm "Marketing".

Die Frage nach dem Sinn des CeBIT-Spektakels ist damit geklärt. Die Computerhersteller wandeln sich von Technologie-orientierten zu Marketing-orientierten Unternehmen. Für das "Wie" interessieren sich allenfalls Zyniker. Hannover ist ein Spiegel der Branche. Ob die Anwender freilich mit dem zufrieden sind, was sie darin sehen, steht dahin. Man wird sich jedoch auf ein anderes Niveau im Umgang mit Herstellervertretern einzustellen haben. Gedächtnisstütze: 50 Prozent, wenn's hoch kommt, aller Aussagen sind verwertbar - der Rest ist Marketing.