Klage gegen ELENA

Mehr Datenschutz im Betrieb - ein scharfes Schwert?

01.04.2010
Erst die gute Nachricht: Ein Unternehmen soll künftig nicht mehr so einfach heimliche Videoaufnahmen von einem Mitarbeiter machen können.

Wer sich allerdings ein generelles Verbot der Videoüberwachung durch Arbeitgeber erhofft, wird wohl enttäuscht werden. Grundsätzlich soll die Kontrolle nach den Plänen der Bundesregierung möglich sein - wenn auch mit zahlreichen Ausnahmen.

Lidl, die Telekom, die Deutsche Bahn: Mehrere große Unternehmen sind in den vergangenen Jahren in Schlagzeilen geraten, weil sie ihre Mitarbeiter heimlich ausgeforscht und kontrolliert haben. Nun gibt es Pläne von Innenminister Thomas de Maizière (CDU), um das einzudämmen. Weil er aber eine Balance zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern finden will, geht es um fast so etwas wie die Quadratur des Kreises.

Jüngstes Beispiel: Der Stuttgarter Autobauer Daimler hat Jobsuchenden während des Bewerbungsverfahrens Blut abnehmen lassen und die Daten gespeichert. Das verstößt schon jetzt gegen den Datenschutz. Blut- und Urinuntersuchungen sind nur erlaubt, wenn Beschäftigte vor gesundheitlichen Gefahren am Arbeitsplatz geschützt werden sollen. Wenn es nach dem Bundesinnenministerium geht, soll eine Gesundheitsprüfung künftig nur noch nach Einwilligung zulässig sein und nur, wenn sie notwendig ist, um eine Eignung festzustellen. Sprich: Bei einem Chirurgen ist es wichtig zu wissen, ob er HIV-infiziert ist oder nicht, bei einer Sekretärin aber nicht.

Der Discounter Lidl sorgte 2008 für Wirbel, weil er Mitarbeiter heimlich kontrolliert hatte. Dabei kam auch heraus, wann eine Beschäftigte auf Toilette ging und wann sie Pause machte. Kunden wurden unfreiwillig zu Komparsen. Die heimliche Videoüberwachung eines Beschäftigten soll nach den Plänen aus dem Innenministerium nur zulässig sein, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer Straftat oder einer schwerwiegenden Vertragsverletzung zulasten des Arbeitgebers gibt. Und sie darf nicht unverhältnismäßig sein. Das Filmen der Toilette soll auch künftig tabu sein, aber bei konkretem Diebstahlsverdacht wäre das Filmen in der Umkleide einer Dusche wohl denkbar.

Die Formulierungen im Gesetzentwurf lassen vermutlich einigen Spielraum. Was sind zum Beispiel wichtige betriebliche Interessen, die die Videoüberwachung von Hinterzimmern eines Ladens rechtfertigen würden? Was sind erhöhte Voraussetzungen, die nötig sind, wenn ein Betrieb zusätzliche Daten im Kampf gegen Korruption erheben kann? "Nicht zur Befriedigung von Neugier" soll Kontrolle möglich sein, betont de Maizière. Er rechnet in der Anwendung allerdings durchaus mit Problemen. Weil es um ein sensibles Thema geht, gehen Regierung und Bundestag schon jetzt von lebhaften Debatten aus.

"ELENA" in der Kritik

Die Organisatoren der Verfassungsbeschwerde gegen die zentrale Speicherung von Arbeitnehmerdaten denken bereits an weitere Aktionen. "Wir sehen die 'ELENA'-Beschwerde als Teil eines größeren Projektes. Und wir haben in diesem Zusammenhang auch etwas gegen den geplanten Personalausweis", sagte die Mitbegründerin des Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD), Rena Tangens.

Für den elektronischen Entgeltnachweis "ELENA" müssen Arbeitgeber seit Jahresbeginn die Daten ihrer Angestellten an eine zentrale Speicherstelle bei der Deutschen Rentenversicherung senden. Damit sollen Unternehmen und Verwaltung entlastet werden. Datenschützer und die Kläger wollen erreichen, dass das Projekt gekippt wird. In Berlin diskutierte leichte "ELENA"-Veränderungen werden als nichtausreichend angesehen.

Innenminister de Maizière sieht trotz der Massenbeschwerde Chancen für das zentrale Speichern. Die umfangreichsten Daten gebe es in der Finanzverwaltung und der Rentenversicherung, sagte der CDU-Politiker in Berlin. "Das ist bisher nicht beanstandet worden." Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, wandte sich aber gegen eine "Mega-Vorratsdatenbank" und forderte einen "Systemwechsel".

Damit nicht genug: Die neue zentrale Speicherung von Beschäftigtendaten für den elektronischen Entgeltnachweis mit dem sympathischen Titel "ELENA" wird von der Regierung noch einmal unter die Lupe genommen. Das ist nötig geworden nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung. Datenschützer überreichten in Karlsruhe die Unterschriften von mehr als 22.000 Klägern gegen "ELENA". Weiterer Widerstand ist schon geplant.

Der Chef der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Klaus Wiesehügel, kritisiert die umfangreiche Speicherung von Daten ohne konkreten Anlass. "Ein "Daten-Nacktscanner" für Arbeitnehmer ist mit uns nicht zu machen." Der Innenminister verweist jedoch darauf, dass schon jetzt massenhaft Daten etwa bei der Rentenversicherung gespeichert werden. "Deshalb rate ich zu Vorsicht an der Bahnsteigkante."

Mehr Auskunftsrechte für Bürger

Auskunfteien wie die Schufa müssen künftig die gespeicherten persönlichen Daten offenlegen und erklären, nach welchen Maßstäben sie die Kreditwürdigkeit von Konsumenten beurteilen. Mit dem mathematisch-statistischen Verfahren "Scoring" berechnen sie, wie hoch das Risiko ist, dass ein Kunde seine Schulden nicht bezahlt. Verbraucher können fehlerhafte Einstufungen auch korrigieren lassen. Der Bundestag hatte am 29. Mai 2009 eine entsprechende Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes verabschiedet. Bürger erhalten grundsätzlich einen Anspruch auf eine jährliche kostenfreie Auskunft über die sie betreffenden Daten.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth kritisierte, dass die Novelle mehr als lückenhaft sei. Zugleich begrüßte sie die Verfassungsbeschwerde gegen "ELENA". "Wer Datenschutz wirklich ernst nimmt, muss die Lücken bei der Datenschutznovelle schließen und 'ELENA' aussetzen", forderte sie. (dpa/tc)