Nutzen der neuen Technik in Frage gestellt - Applikationen fehlt es an Quantität und Qualität:

McDonald's vergeht der Appetit auf ISDN

07.04.1989

FRAMINGHAM (IDG/CW) - Die ISDN-Euphorie in Amerika ist verflogen. Zahlreiche Probleme bei öffentlich groß an die Glocke gehängten Pilotprojekten haben in amerikanischen Unternehmen zunächst die Bereitschaft sinken lassen, ISDN einzuführen.

Eine "Frühjahrsmüdigkeit" hat in Sachen ISDN die zuletzt noch so munteren Planungsstäbe in Amerikas Industrie befallen. Grund: Bislang haben die Test-Installationen überwiegend durch negative Schlagzeilen von sich reden gemacht. So weiß zum Beispiel der Fast-Food-Gigant McDonald's ein ISDN-Klagelied zu singen.

Die Hamburger-Kette kaut derzeit schwer an dem ISDN-Brocken, den sich die Zentrale des Konzerns in Oakbrook , Illinois, selbst vorgesetzt hat. In einem der größten und von der Fachwelt genau beobachteten ISDN-Versuche der USA mußte McDonald's kürzlich erkennen, daß fehlende Netzwerk-Management-Tools die Fehlersuche und Diagnose in dem ISDN-Netz nahezu unmöglich machen.

Überhaupt scheinen die unausgegorenen ISDN-Applikationen des Pudels Kern zu sein, wenn es darum geht, das Zaudern der potentiellen ISDN-Anwender zu deuten. Darüber hinaus spielen zwei weitere Gründe eine wesentliche Rolle für die ablehnende Haltung. Einmal die geografisch und örtlich begrenzte "Flächendeckung" von ISDN und zum anderen der in Frage gestellte Nutzen der neuen Telekommunikationstechnik.

So wächst zur Zeit auch die Zahl derer, die sich weniger von den Pannen der Pilotprojekte abschrecken lassen als vielmehr die Effektivität von ISDN in Zweifel ziehen. Einer von ihnen ist Bernie Schneider, Direktor Telekommunikation bei United Stationers. Sein Unternehmen hat die ISDN-Installation von 1990 auf 1992 verschoben, weil andere Netzdienste, wie zum Beispiel der Hochgeschwindigkeitsdienst T-1, auch über ISDN-Merkmale verfügen und außerdem wirtschaftlicher sind. Dies wird laut Schneider zumindest solange der Fall sein, wie ISDN nicht flächendeckend ausgebaut und deshalb für den Transport von Daten über den Inhouse-Bereich hinaus nicht einsetzbar ist.

In diese Richtung geht auch die Argumentation, die hierzulande die ISDN-Diskussion bestimmt. Häufig genannte Hypothek für ISDN: Solange niveauvolle, mit privaten Netzen vergleichbare ISDN-Applikationen nicht am Markt sind, werden potentielle Anwender keinen Schritt in Richtung ISDN tun. Zwar räumen in der Bundesrepublik wie in Amerika die Planer der neuen Technik das Recht auf Kinderkrankheiten ein, sie wollen deren Ausmerzung jedoch abwarten und üben sich daher in Zurückhaltung.

Auf "Krankheiten" ist das Massachusetts Institute of Technology (MIT) bei der Installation einer digitalen Vermittlungsstelle 5ESS von AT&T gestoßen, die für 13 000 Telefone ausgelegt ist. Erstens stellte sich laut Karen McKarty, Projektmanagerin des MIT, heraus, daß viele Telefone von der Anlage zu weit entfernt waren und deshalb die ISDN-Funktionen ausfielen.

Zweitens versagen die Apparate zeitweise ihren Dienst aufgrund vorhandener, bislang ungelöster Kabelprobleme. Das Dilemma der Reichweite wurde unterdessen McKarty zufolge von AT&T durch neu in die 5ESS eingebaute Schaltkarten beseitigt.

Trotz des derzeitigen Stimmungstiefs in puncto ISDN wird das Barometer nach Meinung vieler Experten mittelfristig auf Hoch zeigen. Diese Ansicht vertritt auch Bob Bystedt, Direktor Telekommunikation der Rockwell International Corp., der die Zukunft für ISDN rosig sieht, wenn erst einmal alle Schwierigkeiten ausgeträumt sind.